Einzelanschlagpunkte mit Ü-Zeichen

Bauprodukte jetzt Angelegenheit des DIBt

KEVELAER (ABZ). - Wer in luftiger Höhe arbeitet, muss gegen Abstürze gesichert sein. Das ist Vorschrift in Deutschland. Ebenfalls Vorschrift: Die Absturzsicherungslösungen müssen zertifiziert sein.
ABS Safety Baustelleneinrichtung
Foto: ABS-Systems

Hier hat sich jedoch etwas verändert. Die Zulassung für nicht mobile Einzelanschlagpunkte fällt seit Kurzem in den Aufgabenbereich des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt). Warum dies so ist, weiß Bauingenieur Thorsten Mahr.

Absturzsicherungssysteme gibt es viele: Von Seilsicherungssystemen auf Industriedächern bis hin zum Anschlagpunkt auf dem privaten Einfamilienhaus. Um für den Markt zugelassen zu sein, müssen die Systeme zuvor geprüft werden. Seit längerer Zeit wurde jedoch diskutiert, welche Zulassung für Einzelanschlagpunkte erforderlich ist. Reicht die bislang verbindliche Zertifizierung gemäß DIN EN 795 für "Persönliche Absturzschutzausrüstung – Anschlageinrichtung" oder muss der Anschlagpunkt durch das DIBt zugelassen sein? Im Oktober 2010 beendete ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs die Diskussion. Das Urteil enthält die klare Aussage darüber, dass alle nicht mobilen Einzelanschlagpunkte als Bauprodukte einzustufen sind. Somit fallen sie in den Zulassungsbereich des DIBt.

2012 nahm das Institut die Forderung zusätzlicher Zulassungen für Anschlageinrichtungen offiziell in die Bauregelliste auf und legte ferner neue Prüfverfahren fest. "Für den Hersteller solcher Systeme steigt der Prüf- und Zertifizierungsaufwand erheblich", erklärt Thorsten Mahr, langjähriges Mitglied im Arbeitsausschuss Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA). Denn in der Vergangenheit mussten Absturzsicherungen nur gemäß PSA-Richtlinie 89/686/EWG zertifiziert werden. Da der Ablauf der geforderten Prüfung gerade erst etabliert wird, kann der Prozess der zusätzlichen Kennzeichnung sehr zeitintensiv sein, im schlimmsten Fall mehrere Jahre dauern. "Das größte Problem der zusätzlichen Zertifizierung ist jedoch, dass in der Bauregelliste auch steht, dass die Zulassung nicht rückwirkend erfolgen kann", so der Bauingenieur. Das bedeutet für Hersteller: Erhält ein Anschlagpunkt aus ihrem Sortiment heute die Zulassung des DIBt, gilt diese Zulassung nicht für die in der Vergangenheit montierten Systeme desselben Typs. Rückwirkend kann aber für bereits verbaute Produkte beim zuständigen Landesbauamt eine sogenannte "Zustimmung im Einzelfall" beantragt werden. Kann man dabei eine gültige DIBt-Zulassung für ein mit dem installierten System identisches Produkt vorlegen, beschleunigt sich der Prozess der Zulassung erheblich.

Anschlagpunkt ist aber nicht gleich Anschlagpunkt – und somit gibt es trotz neuer Regelung weiterhin Einzelanschlagpunkte, die nicht in den Zulassungsbereich des DIBt fallen und weiterhin nur mit der CE-Kennzeichnung versehen werden müssen. Hierunter fallen die Systeme, die laut DIN EN 795 den Typen B bis E zuzuordnen sind. Nicht am Bauwerk angebrachte Absturzsicherungssysteme interessiert das DIBt natürlich nicht. Dies ist z. B. der Fall, wenn direkt an einer Industriemaschine zu Wartungszwecken eine Sicherungslösung montiert wird.

Fällt der Einzelanschlagpunkt jedoch in den Zulassungsbereich des DIBt, wird er nach bestandener Prüfung mit einem Ü-Zeichen versehen. Das "Ü" steht hier für Übereinstimmungserklärung und wird auch Übereinstimmungszeichen genannt. Nach wie vor gilt allerdings: "Wenn Absturzsicherungen am Gebäude verbaut werden, muss bei problematischen Untergründen weiterhin ein Statiker ans Werk", so Mahr. Der Statiker muss errechnen, ob das Bauwerk die zusätzliche Belastung aushält, die beim Absturz eines gesicherten Mitarbeiters über das Absturzsicherungssystem in das Gebäude abgeleitet wird.

Wenn die Berechnungen des Statikers positiv ausfallen, muss bei den nun zu montierenden Sicherungslösungen nicht notwendigerweise eine DIBt-Zulassung vorliegen. Warum dann überhaupt eine DIBt-Zulassung beantragen oder auf diese bei den Produkten auf dem Markt achten? "Das Prüfverfahren des DIBt fragt den entscheidenden Faktor im Bereich Absturzsicherung ab. Nämlich, ob die Befestigung zum Untergrund überhaupt hält", erklärt Mahr. Bei bisherigen bestandenen Prüfverfahren nach DIN EN 795 wird ausschließlich getestet, ob das Absturzsicherungsprodukt selbst der erforderlichen Belastung standhält. Diese Tests sind wichtig. Wichtig ist aber auch, dass das Zusammenspiel von Befestigung und Untergrund überprüft wird. Eine unsachgemäße Installation oder eine mangelhafte Tragfähigkeit des Untergrunds bergen bei Absturzsicherungssystemen ein tödliches Risiko für den Anwender. "Normen wie die DIN EN 795 berücksichtigen nicht die Befestigung zum Untergrund", berichtet Mahr. Das Ü-Zeichen des DIBt ersetzt jedoch nicht die notwendige Zertifizierung gemäß DIN EN 795. Diese ist weiterhin Pflicht. Laut DIBt sind nämlich auch solche Anschlageinrichtungen mangelhaft, die zwar das Ü-Zeichen, jedoch keine Kennzeichnung nach DIN EN 795 besitzen.

Thorsten Mahr arbeitet als Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei ABS Safety, einem der führenden Hersteller von Absturzsicherungssystemen in Deutschland. Bereits 2012 hat das Familienunternehmen alle relevanten Produkte zur Prüfung vorgelegt und im Juli 2014 als einer der ersten deutschen Absturzsicherungsspezialisten die Ü-Kennzeichnung erhalten. Bereits zuvor hatte der niederrheinische Hersteller auf dem eigenen Gelände jedes neu entwickelte System auf den verschiedensten Untergründen getestet. Solche Tests auf realistischen Nachbauten der jeweiligen Dachoberflächen gehören nun auch zu den strengen Anforderungen des DIBt. Zusätzlich werden die DIBt-zugelassenen Produkte gemäß verschärfter Vorgaben des Instituts regelmäßig von einer externen Prüfstelle kontrolliert. "Jährlich wird die Konformität unserer Produkte mit der DIBt-Zulassung geprüft", so Mahr. Der Bauverantwortliche hat dadurch die Gewissheit, immer ein mit den Forderungen des DIBt konformes Sicherheitsprodukt zu erwerben.

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