Große Auswirkungen

Neues nationales deutsches Vergaberecht steht in den Startlöchern

Vergaberecht
Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger. Foto: Privat
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Neue Struktur auf der Basis der Eckpunkte vom 7. Januar 2015.
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Aktuelle Struktur im Oberschwellenbereich. Grafiken: BMWi

Ab dem 18. April gilt in Deutschland das neue nationale Vergaberecht. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Unternehmen sind groß. Die ABZ veröffentlicht jetzt den ersten Beitrag einer 14-tägig erscheinenden siebenteiligen Reihe von Fachartikeln von Prof. Dr. U. Rommelfanger, Fachanwalt für Verwaltungs- und Medizinrecht aus Wiesbaden, zu diesem Thema. Der nächste Beitrag erscheint am 22. April mit dem Titel "E-Vergabe kommt".

Wiesbaden. – Momentan stellt sich die noch aktuelle Struktur des nationalen deutschen Vergaberechts entsprechend der u. g. Skizze dar. Diese Aktualität ist aber "im Schwinden". Nachdem im Jahre 2014 die Europäische Union im Vergabebereich ein EU-Legislativ-Paket, bestehend aus drei Richtlinien, verabschiedet und zum 17.04.2014 in Kraft gesetzt hat, steht dessen Umsetzung in Deutschland in nationales Recht zum 18.04.2016 unmittelbar bevor.

Die Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur allgemein und die Unternehmen im Besonderen sind beachtlich. Der Unionsgesetzgeber selbst ist sich bewusst, dass sein Paket zur Modernisierung des Europäischen Vergaberechts auf ein von der Europäischen Kommission geschätztes Auftragsvolumen europaweit von über 2200 Mrd. Euro (Höfferer) treffen wird.

Das geschätzte Vergabevolumen in Deutschland beträgt etwa 700 Mrd. Euro, beschreibt aber nur "unvollständig die Dimension, mit der die öffentliche Hand als Nachfrager am Marktgeschehen teilnimmt" (Ax/Schneider).

Da unionsweit ein den aktuellen Bedürfnissen des Binnenmarkts adäquates Regelwerk für Vergaben bezweckt ist, sollen die neuen Vorschriften den Mitgliedsstaaten "neue Handlungsspielräume einräumen" und die Teilnahme kleinerer und mittlerer Unternehmen an Vergabeverfahren "erleichtern" (Zielsetzung der Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, in der Kabinettsfassung der Bundesregierung vom 20.01.2016).

Im Einzelnen sind vom "Modernisierungspaket" umfasst:

  • die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergaben (RL 2014/24/EU),
  • die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung (RL 2014/25/EU) und
  • die Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen (RL 2014/23/EU).¹

Der deutsche Gesetzgeber selbst hat sich bei der Umsetzung in nationales Recht das Ziel gesetzt einerseits die Struktur und den Inhalt des deutschen Vergaberechts zu vereinfachen und anwenderfreundlicher zu gestalten sowie den bürokratischen Aufwand für Arbeitgeber und Arbeitnehmer so gering wie möglich zu halten, andererseits neben der Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen auch soziale, ökologische und innovative Aspekte ebenso zu stärken wie kommunale Handlungsspielräume zu erhalten (dazu Vergaberechtsmodernisierungsgesetz VergRModG in der Entwurfsfassung, BT-Drs. 18/6281).

Umsetzungsstand

Nach derzeitigem legislativen Umsetzungsstand wird ab dem 18.04.2016 das Vergaberecht folgende Struktur haben: Das bedeutet im Einzelnen:

  • Der 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), §97 ff GWB ist umfangreicher geworden (statt bisher 40 Paragraphen sind es zukünftig 90 Paragraphen, die den vierten Teil ausmachen).
  • Erstmals wird der Ablauf des Vergabeverfahrens von der Leistungsbeschreibung über die Eignungsprüfung, den Zuschlag bis zu den Bedingungen für die Ausführungen des Auftrags im Gesetz vorgezeichnet.
  • Der VgV (Vergabeverordnung) kommt künftig mehr als "nur" Scharnierfunktion zu. Sie integriert die früheren, jetzt als eigenständige Materie wegfallende VOL/A (2. Abschnitt) und die VOF. Abschnitt 3 der VgV normiert die neuen Vorschriften für die "Vergabe von sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen".
  • Der Planungswettbewerb und die Vorschriften für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen sind künftig im Abschnitt 5 bzw. 6 der VgV geregelt (dazu der Artikel "Planungswettbewerbe nach neuem Recht").
  • Dem gegenüber bleibt die VOB/A erhalten. Nach dem Willen des Verordnungsgebers soll den "Besonderhei-ten der Vergabe von Bauleistungen – 2. Abschnitt VOL/A" auch weiterhin Rechnung mit eigener Normierung getragen werden (dazu "VOB/A und VOB/B" und "Spezielle Fragen zur VOB/A und VOB/B").
  • Die Artikel 2 bzw. 3 der Vergaberechtsmodernisierungsverordnung (VergRModVO) betreffen die "Verordnung über die Vergaben von öffentlichen Aufträgen im Sektorenbereich" (Artikel 2) und die "Verordnung über die Vergabe von Konzessionen" (Artikel 3), die im Rahmen dieses auf den Baubereich fokussierten Beitrags ebenso nicht vertieft werden soll, wie die Vergabestatistikverordnung (Artikel 4) und die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (Artikel 5).

Unberührt vom Legislativpaket bleiben die Regelungen der 14 Landesvergabegesetze ebenso wie die Vergaben wie die Vergaben insbesondere "unterhalb der Schwelle" durch Verwaltungsvorschriften.

Eine wichtige Aufwertung erfährt durch §97 Abs. 5 GWB n.F. die elektronische Vergabe. Neuerungen sind hier die "Elektronische Auktion" (s. Art. 35 RL 2014/24/EU), bei der in einem fest-gelegten Verfahren die Nachbesserung von Angeboten möglich ist, sowie der "Elektronischen Katalog" (s. Art. 36 RL 2014/24/EU) für den Einkauf von Standardgütern und –leistungen sowie zur Abwicklung von Rahmenverträgen.

Die Novellierung ermöglicht es, die Effizienz und Transparenz der Verfahren zu steigern; die elektronische Vergabe wird zukünftig im Vergabeverfahren "zur Regel" (dazu später der Beitrag "E-Vergabe kommt").

Ausblick

Ob es dem Bundesgesetzgeber mit der beabsichtigten "1 und 1-Umsetzung" der angeführten Richtlinien gelungen ist, das Vergaberecht, insbesondere das Zusammenspiel europäischer und nationa-ler Vorschriften transparenter und leichter verständlich gemacht zu haben, bleibt ebenso abzuwarten, wie das frist-gerechte Gelingen der Umsetzung zum 18.04.2016.

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