Gute Vorzeichen für die IAA Nutzfahrzeuge 2016

Europäischer Lkw-Markt wächst stark

von:

Matthias Wissmann

Nutzfahrzeuge
Mathias Wissmann: „Um weiter vorwärts zu kommen, müssen wir die heute verfügbaren modernen Antriebe weiter optimieren.“ Foto: VDA

Frankfurt/Main (ABZ). - Der westeuropäische Nutzfahrzeugmarkt gibt uns Rückenwind für die IAA – so viel steht fest. Im vergangenen Jahr wurden 259.000 schwere Lkw über 6 t neu zugelassen. Das war ein sattes Plus von 14 %. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres liegt Westeuropa ebenfalls 14 % im Plus. Die großen Märkte Frankreich, Großbritannien und Italien übertrafen das Vorjahresniveau deutlich zweistellig. An der Spitze Spanien und die Niederlande mit Zuwächsen von über 20 %. Der Erholungsprozess ist stabil und robust, für das Gesamtjahr erwarten wir plus 8 %.

Auch der westeuropäische Transportermarkt ist weiter im Aufwind. 2014 und 2015 ist der Absatz leichter Nutzfahrzeuge jeweils zweistellig gewachsen. Diese dynamische Entwicklung hält an: In den ersten vier Monaten wurden gut 600.000 Transporter neu zugelassen. Das ist ein Zuwachs von 11 %. Der US-amerikanische Truck-Markt wird in diesem Jahr dagegen eine Verschnaufpause einlegen – nach sechs Jahren Wachstum in Folge. Für das Gesamtjahr 2016 gehen wir im Segment über 6 t von einem merklichen Rückgang aus. Allerdings handelt es sich aller Voraussicht nach um eine zyklische, vorübergehende Schwäche, ausgehend von einem hohen Niveau. In China legt der Markt für schwere Nutzfahrzeuge nach zwei schwachen Jahren dagegen wieder deutlich zu. Wir erwarten für 2016 knapp 800.000 neue Lkw – also plus 5 %.

Ich werfe den Blick ins Inland: Der deutsche Nutzfahrzeugmarkt läuft weiter sehr gut. Bei den schweren Nutzfahrzeugen gab es 2015 einen deutlichen Anstieg um 5 % auf über 83.000 Fahrzeuge. Die ersten fünf Monate dieses Jahres verliefen sogar noch besser: plus 9 % auf gut 36.000 schwere Nutzfahrzeuge. Das Wachstumstempo dürfte im Jahresverlauf etwas nachgeben. Wir erwarten für das Gesamtjahr ein Plus von 4 % auf knapp 87.000 neue Lkw. Auch bei den Transportern rechnen wir 2016 in Deutschland mit einem deutlich Zuwachs von 5 % auf 256.000 Einheiten. Das wäre ein neuer Höchststand. Ebenso erfreulich ist die Entwicklung bei den Anhängern, hier liegen die Neuzulassungen bis Mai 6 % im Plus. Die Trailerhersteller haben ihren Umsatz in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 14 % gesteigert.

Die Nutzfahrzeugindustrie ist ein bedeutender Teil der deutschen Automobilindustrie. Fast 190.000 Beschäftigte zählen die deutschen Nutzfahrzeugunternehmen – das ist knapp jeder vierte Arbeitnehmer in der Automobilindustrie. Die Branche ist auch stark mittelständisch geprägt. Vor allem durch die Hersteller von Anhängern und Aufbauten. Sie beschäftigen knapp 33.000 Arbeitnehmer. Diese Unternehmen machen aus Fahrgestellen erst komplette Nutzfahrzeuge. Und sie sind wahre Meister darin, maßgeschneiderte Lösungen für die unterschiedlichen Anforderungen ihrer Kunden zu bieten.

Die Diskussionen über Abgasmanipulationen bei Diesel-Pkw fordern uns alle heraus. Die Pkw-Hersteller wissen: Sie müssen ihre Glaubwürdigkeit neu unter Beweis stellen. Und sie werden alles tun, um Vertrauen zurückzugewinnen. Klar ist aber auch: Der Dieselmotor hat große Stärken und er ist für die Einhaltung der Klimaziele unverzichtbar. Und für die schweren Nutzfahrzeuge gilt ganz besonders: Der Diesel ist sauber! Und er wird wegen seiner Effizienz und Wirtschaftlichkeit noch lange Zeit eine wichtige Rolle spielen.

Und ich betone ausdrücklich: Moderne Nutzfahrzeuge sind in Sachen Abgasemissionen mustergültig. Denn seit 2013 (EURO VI) werden die Emissionen neuer Lkw im Betrieb gemessen. Dazu wurde ein Portables Emissionsmesssystem (PEMS) entwickelt. Das heißt: Bei Nutzfahrzeugen ist die Messung der realen Schadstoffemissionen schon Standard. Bei Pkw haben wir diese moderne Messtechnik erst seit kurzem. Das Nutzfahrzeug ist dem Pkw hier einen Schritt voraus und hat bewiesen, dass geringste Emissionen mit dem Diesel möglich sind. Heutige Lkw und Busse mit EURO VI haben – im Test und im Realbetrieb – nur homöopathisch geringe Emissionen. Die Schadstoff-Reduzierung bei Nutzfahrzeugen ist erfolgreich abgeschlossen!

Zu den größten Herausforderungen unserer Zeit, und damit auch für die Nutzfahrzeugindustrie, gehört die Senkung der CO2-Emissionen. Die EU hat sich anspruchsvolle Klimaziele gesetzt: minus 30 % bis 2030. Dazu werden auch die Nutzfahrzeuge ihren Beitrag leisten. Die CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs weiter zu senken, ist eine Aufgabe, für die viele Akteure mitarbeiten müssen. Die Nutzfahrzeughersteller und die Logistikbranche wissen: Wir können die CO2-Emissionen nur gemeinsam senken. Und es wäre viel zu kurz gesprungen, nur die Fahrzeuge selbst zu regulieren. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir den gesamten Transportprozess auf CO2-Effizienz trimmen. Denn es gibt viel mehr Stellgrößen für den Verbrauch, als nur die neuen Fahrzeuge und Motoren. Effiziente Logistikprozesse, die Infrastruktur, das Fahrerverhalten, ja selbst die Reifen haben erheblichen Einfluss auf die CO2-Emissionen. Ebenso spielen die verfügbaren Kraftstoffe eine wesentliche Rolle für die CO2-Bilanz. Und deshalb braucht es einen integrierten Ansatz zur CO2-Reduzierung. Die europäischen Nutzfahrzeughersteller haben dazu konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt. Mit einem integrierten Ansatz ließe sich die jährliche CO2-Reduzierung bei Trucks verdoppeln – auf 3,5 %! Dazu ist es notwendig, die gesamten Flotten zu betrachten, nicht nur die neuen Fahrzeuge. Und darüber hinaus müssen nicht nur die Fahrzeuge selbst, sondern eben alle Faktoren optimiert werden, die die CO2-Bilanz beeinflussen. Nur so lassen sich CO2- Emissionen wirksam senken.

Nochmal: Nutzfahrzeuge leisten ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele. Die Nutzfahrzeughersteller haben den Verbrauch ihrer Fahrzeuge bereits erheblich gesenkt. Seit den 1970er-Jahren immerhin um rund 60 % je Tonnenkilometer – und zwar ohne jede gesetzlich Vorgabe zum Verbrauch. Mit einem umfassenden, integrierten Ansatz können die CO2-Emissionen neuer Lkw bis 2020 gegenüber 2005 um weitere 20 % sinken.

Europäische Lkw sind übrigens schon heute Spitze bei der Kraftstoffeffizienz: Entgegen mancher Darstellung liegt ihr durchschnittlicher Verbrauch heute in Liter pro Tonnenkilometer gerechnet deutlich unter dem ihrer Pendants in den USA. Keine gesetzliche Regulierung, sondern der hohe Wettbewerbsdruck hat zu diesem Vorsprung geführt. Der absolute CO2-Champion im Verkehrsträgervergleich ist natürlich der Bus: 32 g pro Passagier und Kilometer im Durchschnitt beim Reisebus. Das ist unübertroffen!

Um weiter vorwärts zu kommen, müssen wir die heute verfügbaren modernen Antriebe weiter optimieren. Doch alternative Antriebe werden zunehmend wichtiger. Erdgas zum Beispiel ist bei Bussen schon im Einsatz und bietet auch für Trucks das Potenzial, CO2 zu verringern. Für den breiten Einsatz ist eine gute Tank- und Versorgungsinfrastruktur unverzichtbar. Die „Clean Power for Transport“-Initiative der EU sieht ein europaweites Netz von Erdgas-Tankstellen vor. Hier müssen rasch Taten folgen.

Auch Hybrid- und Elektroantriebe werden immer interessanter für den Transport: vor allem bei den leichten Nutzfahrzeugen im Liefer- und Verteilerverkehr. Denn die großen Städte wachsen weiter, ebenso der Online-Handel. Damit werden leichte, stadttaugliche, elektrifizierte Nutzfahrzeuge in Zukunft noch wichtiger. Zu einem vollständigen Bild gehört auch, dass die technologischen Innovationen für weniger Emissionen auf absehbare Zeit auch höhere Kosten verursachen. Die CO2- Vermeidungskosten sind im Fahrzeugbau deutlich höher als in anderen Sektoren. Um neue Technologien in den Markt zu bringen, brauchen wir deshalb einen verlässlichen regulatorischen Rahmen. Das in Deutschland angekündigte Förderprogramm für die Speditions- und Transportbranche sollte ein kraftvolles Signal für wirksame, kraftstoffsparende Technologien setzen.

Um den wachsenden Güterverkehr umweltfreundlich zu bewältigen, kommt es nicht nur auf Lkw an. Wir brauchen alle Verkehrsträger: eine effiziente Straße, eine leistungsstarke Schiene und das Binnenschiff. Und sie müssen noch besser vernetzt werden. Denn wir können davon ausgehen, dass es ein weiteres erhebliches Wachstum im Güterverkehr geben wird. Bei den Paket- und Kurierdienste ist das Sendungsvolumen ist in den vergangenen 15 Jahren um 74 % gewachsen – getrieben vor allem durch den Onlinehandel. Es ist in unserem Sinne, wenn eine moderne Güterbahn einen großen Teil dieses Wachstums abfedert. Gleichzeitig wird der Lkw aber auch künftig den Löwenanteil der Güter tragen müssen, heute sind es in Europa 75 %.

Deswegen müssen Innovationen wie der Lang-Lkw genutzt werden. In Deutschland wird er seit viereinhalb Jahren im Feldversuch getestet. Mit durchweg positiven Erfahrungen: bis zu 25 % CO2 pro transportierter Tonne lassen sich einsparen. Der Feldversuch hat auch gezeigt, dass Lang-Lkw nicht zu einer Verlagerung von der Schiene auf die Straße führen. Daraus sollten wir jetzt die Schlussfolgerungen ziehen: Wir brauchen den Regelbetrieb in Deutschland – auf dem Positivnetz, das sich im Feldversuch bereits bewährt hat und erweitert werden kann.

Wie sieht die Zukunft des Lkw aus? Die Antwort ist klar: vernetzt, automatisiert, digital. Hier liegt der nächste große Innovationssprung des Straßengüterverkehrs. Erst vor wenigen Wochen haben die europäischen Truck-Hersteller bei der European Truck Platooning Challenge gezeigt, was technisch bereits möglich ist. Durch das Fahren im Platoon lassen sich bis zu 10 % Kraftstoff und CO2-Emissionen einsparen. Vor allem dieses Beispiel zeigt, welches Potenzial in der Vernetzung steckt: Sie bietet die Chance, mit den Transportmengen noch effizienter umzugehen und das Wachstum effizient zu bewältigen.

Nutzfahrzeuge sind prädestiniert fürs automatisierte Fahren: Die Technologie macht den Verkehr sicherer, wertet den Fahrer-Arbeitsplatz auf und senkt CO2-Emissionen sowie Betriebskosten. Wir brauchen dafür eine chancenorientierte Diskussion, ohne die Herausforderungen aus den Augen zu verlieren. Die Anstrengungen lohnen sich. Daten sind das Gold der digitalen Ära. Trucks liefern ganz „nebenbei“ wertvolle Informationen zu Fahrzeug, Ladung, Fahrbahn, Verkehr, Wetter und vielem mehr. Jetzt geht es darum, die richtigen Anwendungen zu finden, die den Transportalltag weiter optimieren. Wir haben die große Chance, mit Mobilitäts- und Transporttechnologie „Made in Germany“ neue Maßstäbe zu setzen.

Vernetzung und Digitalisierung sind auch das große Thema der kommen IAA. Das zeigen wir vor allem mit der New Mobility World logistics. Wir haben die New Mobility World bereits im vergangenen Jahr auf der IAA Pkw in Frankfurt erfolgreich etabliert, als das europäische Forum für alle Aspekte rund um die vernetzte, digitale Mobilität der Zukunft. In Hannover werden wir nun zeigen, wie sich der Straßengüterverkehr und die Logistik im Zeitalter der neuen Mobilität weiterentwickeln.

Alles das, worüber wir heute reden, wird vom 22. bis 29. September 2016 auf der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover live zu sehen und zu erleben sein. „Ideen sind unser Antrieb“ – so lautet das das passende Motto für die IAA Nutzfahrzeuge. Und so könnte man auch das Leitmotiv der Nutzfahrzeugindustrie beschreiben. Die IAA ist nicht nur die größte und wichtigste Nutzfahrzeugmesse überhaupt, sondern die weltweit wichtigste Leitmesse für Mobilität, Transport und Logistik. Die Vorbereitungen laufen auch Hochtouren. Der Anmeldestand ist sehr gut.

Der Autor ist Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).

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