Kriegsschaden im Mindener Kanalnetz

Sammler abgedichtet und für Standsicherheit gesorgt

Abwassermanagement Verbautechnik
Injektionslanzen wurden bis weit hinter die Wand des Bauwerks vorgetrieben, damit das Material seine abdichtende Wirkung schon im weiteren Umfeld der undichten Wand entfalten konnte.

MINDEN (ABZ). - Der Abwasser-Hauptsammler unter dem Schwichowwall im Bereich der Mindener Altstadt gehörte schon vor dem Zweiten Weltkrieg zu den Hauptadern des Mindener Abwassernetzes. Irgendwann gegen Ende des Krieges, als Minden wegen einer Bedeutung als Bahnknotenpunkt heftig bombardiert wurde, bekam das 9 m tief liegende, gemauerte Eiprofil der Dimension 1200/1800 einen Volltreffer und stürzte auf fast 30 m Länge ein. Eiligst und unter Verwendung des unmittelbar verfügbaren Baumaterials wurde das Bauwerk so gut es ging, wieder geflickt und tat trotz struktureller Mängel und einer sichtbar gestörten Geometrie bis heute irgendwie seinen Dienst.

Routineinspektionen im Zuge der gesetzlich vorgeschriebenen Selbstüberwachung ergaben aber in jüngerer Zeit nicht nur dringend sanierungsbedürftige Schäden. Höchste Priorität im Rahmen des Mindener Kanalsanierungsprogramms bekam der Sammler dadurch, dass er als einer der schwersten Fremdwasser-Fälle im gesamten Mindener Netz identifiziert wurde. Durch Brüche und Fehlstellen in dem kriegsversehrten Bauwerk drangen erhebliche Mengen Wasser aus einem 20 m entfernt verlaufenden Bach in den Untergrund ein. Der zu Teilen unterirdisch "umgeleitete" Bach belastete die Kläranlage mit sinnlos eingeleitetem Frischwasser und den Etat mit entsprechenden Kosten. Immerhin ging es unter dem Schwichowwall um ein Fremdwasservolumen von schätzungsweise 40 m³ pro Stunde, welches sich jährlich auf unglaubliche 350.000 m³ summierte. Angesichts der massiven Infiltrationen drohte tendenziell auch Einsturzgefahr.

Bei der Entwicklung eines Sanierungskonzeptes für diese Schadstelle (in einem ansonsten weitestgehend schadensfreien Sammler) zogen die Planer der städtischen Betriebe Minden einen namhaften Experten zu Rate. Volker Schmidt aus Lage ist ein bundesweit bekannter Experte für die baulichen Probleme großer Abwasserbauwerke und wird mit seinem Unternehmen, der SMG Bautenschutztechnik für Hoch- und Tiefbau GmbH immer wieder gerufen, wenn und wo im Untergrund wirklich "haarige" Probleme gelöst werden müssen – und in diese Kategorie gehörte der Mindener Bombenschaden auch nach Schmidts erster Einschätzung ohne Zweifel. An irgendein Standard-Verfahren der Kanalsanierung war hier gar nicht zu denken – an die offene Erneuerung der maroden Strecke jedoch ebenso wenig angesichts der Lage im Verkehrsraum.

Abdichtung gegen Wassereinbruch und Sicherstellung der dauerhaften Standsicherheit waren die Kernziele des Sanierungskonzeptes, das die SMG erfolgreich realisierte.

Die Sanierungslösung setzte auf die Verpressung des Sammlers mit einem zweikomponentigen intensiv schäumenden und schnell reagierenden PUR-Harz. Dieser Harztyp lässt sich ausschließlich mit Zwei-Wege-Injektionsanlagen injizieren. Vorab galt es jedoch, diesen wichtigen Sammler so trocken zu legen, dass darin erfolgreich und sicher gearbeitet werden konnte. Dazu hängte man als Bypass zwei innen liegen-de Wasserhaltungs-Stränge von 300 bzw. 200 mm Nennweite an den Wänden des Bauwerks auf. Während die Leitung DN 300 auf den maximalen Trockenwetterabfluss ausgelegt war, wurde die kleinere Leitung als Reserve für ein moderates Niederschlagsereignis vorgehalten. Im Starkregenfall hätte das Bauwerk allerdings geräumt werden müssen. Eine weitere Vorleistung zum Projekt war die sorgfältige Begutachtung der Örtlichkeit durch Experten des Kampfmittelräumdienstes, um eine Konfrontation der Sanierer mit Blindgängern im Untergrund auszuschließen.

Die Vorgehensweise zielte darauf ab, die Spezialharze einerseits ins Umfeld der Trasse zu verpressen, dort Hohlräume zu verfüllen und den Wasserfluss schnellst möglich zum Stehen zu bringen. Zum anderen sollte das Material die eigentliche Substanz des Bauwerkes durchdringen, Risse und Kavernen verfüllen und das Bauwerk so stabilisieren. Um diese Wirkungen zu erreichen, setzte man zwei Techniken ein. Im Sohlbereich wurden Rammverpresslanzen mittels Rammblock bis weit hinter die Kanalwand vorgetrieben. Die Austrittsöffnungen in den Lanzen wurden so platziert, dass das Material etwa 1 m jenseits der Wand austrat und dort seine Wirkung entfaltete. So war eine großräumige Durchdringung der Rohrbettung gewährleistet. Um die Wand selbst abzudichten und zu stabilisieren, benutzte man in dichtem Raster versenkte Bohrpacker, die bis zur halben Tiefe der Wand reichten und jeweils diagonal in das Mauerwerk eingeführt wurden. Sowohl Lanzen als auch Packer wurden mittels luftbetriebener Zwei-Wege-Injektionsanlage über Hochdruckschläuche mit Harz beschickt. Insgesamt verfüllte SMG im Laufe von vier Wochen rund 10 km³ Hohlräume in und um die Schadstelle.

Risse oberhalb des Kämpfers wurden im folgenden Arbeitsgang mit Mörtel verpresst, um die Standsicherheit des Sammlers endgültig wieder her zu stellen. Nachdem der Wassereinbruch vollständig gestoppt und das Bauwerk erfolgreich trocken gelegt war, wendeten sich die Experten einem weiteren Problem zu: Der Sammler hatte im Bereich der Sohle einen markanten Unterbogen entwickelt, der sich günstiger Weise nicht im Scheitel des Bauwerks wieder fand. So konnte im letzten Arbeitsgang der Unterbogen mit Beton ausgeglichen werden, in den man eine Steinzeug-Gerinneschale zur Verbesserung der Hydraulik bettete.

Nach insgesamt fünf Wochen Arbeitszeit konnte SMG erfolgreichen Vollzug melden, der vom Auftraggeber nach der Abnahmebegehung in vollem Umfang bestätigt wurde. Der Sammler Schwichowwall steht stabil, ober- und unterirdisch läuft wieder alles so ab, wie es soll – und die Kläranlage Minden ist um mehrere hunderttausend Kubikmeter Fremdwasser entlastet.

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