Multifunktionales Gemeindezentrum

Niedrigenergiehaus mit Holz aus lokalen Wäldern gebaut

Niedrigenergiehaus Holz
Je nach Blickwinkel präsentiert sich die vertikale Holzstruktur der Fassade offen oder geschlossen. Das Holz für das Projekt stammt zu 100 % aus nachhaltig bewirtschaften Wäldern der Gemeinde. Foto: Homatherm

SAINT-JEAN D'ARVEY/FRANKREICH (ABZ). - In der französischen Savoie entstand nach einem Entwurf des Architekten Vincent Roques ein multifunktionales Gemeindezentrum. Mit einem Maximum an Holz aus den lokalen Wäldern gehört das Niedrigenergiehaus zu einer Initiative, die den Bau öffentlicher Gebäude mit lokalen Hölzern stärken und vorantreiben will. Für sein innovatives Gebäudekonzept wurde das dreistöckige Mehrzweckhaus mit dem französischen Holzbaupreis ausgezeichnet. Holzfaserdämmstoffe schützen das Gebäude gegen Wärmeverluste im Winter sowie vor Überhitzung der Innenräume im Sommer und sorgen für einen zuverlässigen Lärmschutz. Die kleine Gemeinde Saint-Jean d'Arvey im Osten Frankreichs ist umgeben von Bergen und Wäldern. Diese malerische Umgebung in der Savoie am Rand des Alpenmassivs Bauges sollte sich auch im neugebauten Gemeindezentrum des Ortes widerspiegeln: Die Gemeindevertreter beschlossen, dass für das Mehrzweckgebäude mit Kindergarten, Hort, Bibliothek und Büros der Stadtverwaltung Holz aus dem Gemeindewald verwendet werden soll. Somit hat bei dieser Baumaßnahme das Material den Entwurf bestimmt und nicht andersherum wie bei vielen Projekten – schon von Beginn an hat sich die Kommune ganz bewusst für diese umweltfreundliche und nachhaltige Bauweise entschieden.

Der Wald, aus dem das Holz stammt, trägt das PEFC-Gütesiegel nach dem Zertifizierungssystem für nachhaltige Waldbewirtschaftung und wird vom nationalen Forstamt verwaltet. Neben lokalem Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft, kurzen Transportwegen und einem angenehmen Raumklima war auch ein niedriger Energieverbrauch nach den strengen BBC-Normen, ähnlich der deutschen Energieeinsparverordnung für Niedrigenergiehäuser, gefordert – die Ansprüche waren also hoch.

Noch immer scheuen sich viele Kommunen vor den strengen Anforderungen und Auflagen, die Holzbauten mit sich bringen. Jean-Claude Monin, Bürgermeister von Saint-Jean d'Arvey, engagiert sich seit Langem stark für die Walddörfer Frankreichs und sah in diesem Projekt kein Hindernis, sondern vielmehr eine Herausforderung, die er gemeinsam mit dem Architekten Vincent Roques annahm. Da die Entwicklung von Niedrigenergiehäusern aus lokalem Holz in Frankreich noch in den Anfängen steckt, haben sich die Verantwortlichen in Österreich umgesehen: Die Region Vorarlberg ist eines der renommiertesten Vorzeigebeispiele für modernen, regionalen Holzbau und bot daher vielfältige Inspirationen. Unterstützung erhielt das Projekt außerdem durch die nationale Vereinigung kommunaler Forstämter in Frankreich FNCOFOR. Diese hat ein ambitioniertes Projekt zur Umsetzung von 100 lokalen Holzkonstruktionen für öffentliche Bauten im gesamten Land ins Leben gerufen. Eines dieser Projekte ist auch das Mehrzweck-Gemeindehaus in Saint-Jean d'Arvey.

Durch seine Hanglage präsentiert sich das Gebäude von jeder Seite anders: Während man von der unteren Straßenseite aus alle drei Etagen des Gemeindezentrums erkennt, kann man vom Hang aus nur das obere Geschoss sehen und die wirkliche Größe des Gebäudes kaum erahnen. Hier präsentiert sich das Obergeschoss mit einem überdachten Eingangsbereich wie ein überdimensionaler Holzrahmen, den man über eine kleine Brücke betritt. Die übrigen drei Gebäudeseiten sind mit einer vertikalen Holzlamellenstruktur bekleidet, die je nach Blickwinkel mehr oder weniger Einblick ins Innere gewährt.

Das Erdgeschoss an der Straßenseite ist großflächig verglast und wirkt dadurch besonders offen und einladend. Im Eingangsbereich sind ähnliche Holzlamellen wie an der Außenfassade angebracht, die den Übergang von Innen und Außen verschmelzen lassen und für interessante Lichtspiele auf Wand und Boden sorgen. In der Ebene zwischen vorgehängter Holzfassade und Eingangsbereich führt eine großzügige Treppe ins zweite Geschoss. Über Treppen an der Seite des Gebäudes ist jede Etage auch von Außen einzeln erreichbar. Neben der Hanglage und Barrierefreiheit mussten außerdem die unterschiedlichen Nutzungsanforderungen berücksichtigt werden: So sind Kindergarten, Hort, Bibliothek und Verwaltung voneinander unabhängig und individuell gestaltet – und doch durch die Architektur und Materialität zusammengehörig. Die beiden oberen Geschosse verfügen über großzügige Terrassen mit viel Spielfläche für die Kindergarten- und Hortkinder.

Gleichermaßen kompakt wie einfach setzt sich die Struktur aus zwei Teilen zusammen: Die Basis ist ein längs ausgerichteter Betonkern, der die gesamte technische Infrastruktur des Gebäudes beinhaltet und die Erdbebensicherheit des Hauses gewährleistet. Um den Versorgungskern herum angeordnet bildet eine Struktur aus massivem Tannenholz den Gebäudekörper. Die Besonderheit: Alle Geschossdecken setzen sich aus 114 cm breiten und 600 bis 800 cm langen vorgefertigten Modulen zusammen. Da die Balken hochkant nebeneinander angeordnet sind, verbiegen sie sich bei vertikalen Lasten weniger und erhalten somit eine beständige Trägheit und Stabilität. Vor Ort mussten die Holzbauer die Deckenelemente nur noch montieren. Die hölzerne Gebäudehülle ist vorgehängt und hinterlüftet ausgeführt und ebenfalls mit regionalem Tannenholz bekleidet.

Passend zum sensiblem Umgang mit der Umgebung und der Verwendung lokaler Hölzer, setzte Vincent Roques auch bei der Dämmung konsequent auf natürliche Materialien aus Holz: Eine Kombination aus den flexiblen Dämmmatten Homatherm holzFlex standard und der Unterdeckplatte UD-Q11 protect schützt den Neubau optimal vor Wärmeverlust. Die Holzständer konnten mit holzFlex 200 mm unkompliziert ausgefacht werden, ohne dass Lücken entstehen, da sich die flexiblen Matten ideal anpassen. Vor die Holzkonstruktion haben die Holzbauer außen eine 12 mm OSB-Platte, die Unterdeckplatte UD-Q11 protect 60 mm sowie eine Schutzfolie gegen Feuchtigkeit angebracht. Davor wurde dann die Unterkonstruktion für die 21 x 145 mm großen Holzlamellen montiert. Auf der Innenseite befindet sich vor der 200 mm starken Dämmmatte die Dampfsperre, Auflagebalken mit holzFlex® standard 40 mm sowie die abschließende, sichtbare 19 mm starke Holzverkleidung.

Im Zusammenspiel der beiden Holzfaserdämmstoffe ergibt die geringe Wärmeleitfähigkeit einen optimalen Wärmeschutz von U = 0,17 W/m²K. Entsprechend der BBC-Richtlinien unterstützen zudem die holzFlex Dämmmatten die Phasenverschiebung und dämmen die Holzständerfassade der Außenwände wärmebrückenfrei aus. Durch ihre hohe Rohdichte und die gleichzeitig niedrige Wärmeleitfähigkeit wird die Wärmeenergie gespeichert und zeitlich verzögert nach innen abgegeben. Die Phasenverschiebung lässt die Mittagshitze also erst abends passieren, wo sie bereits durch die nächtliche Abkühlphase ausgeglichen wird. Die Holzfaserdämmstoffe sind diffusionsoffen und gleichen dadurch auch die aus dem Tannenholz absorbierte Feuchtigkeit aus. Mit der Unterdeckplatte UD-Q11 protect von Homatherm verfügt das Gemeindezentrum über eine zuverlässige Wind- und Regensicherung, die nicht nur Energie spart, sondern auch beim Hitze- und Schallschutz gute Ergebnisse erzielt.

Nicht nur Raumklima und -akustik sind hier ausgezeichnet – inzwischen hat das Gemeindezentrum bereits den 1. Preis des Holzbaupreise "Prix National de la Construction Bois" im Jahr 2014 in der Kategorie öffentliche Gebäude erhalten. Und vielleicht denkt man ja schon bald bei modernen, lokalen Holzbauten neben dem Vorarlberg auch an die Savoie?

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