Neues Vergaberecht
Rechtsschutz im Unterschwellenbereich von Bauleistungen
von:Rechtsanwalt Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger
Seit dem 18. April gilt in Deutschland das neue nationale Vergaberecht. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Unternehmen sind groß. Die ABZveröffentlicht jetzt den letzten Beitrag einer 14-tägig erschienenen siebenteiligen Reihevon Fachartikeln. Der nachfolgende Beitrag ist von Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Medizinrecht, sowie Partner der RJ Anwälte Jochem PartGmbH aus Wiesbaden. A Vorbemerkung
- Im sog. Unterschwellenbereich (die Aufträge erreichen nicht die maßgeblichen (europäischen) Schwellenwerte) ist der vierte Teil des GWB unanwendbar.
- Daraus folgt auch die Unanwendbarkeit der Bestimmungen über das Verfahren der Vergabe, also die § 160 ff. GWB. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat die analoge Anwendung des Primär-Rechtsschutzes durch die Nachprüfungsinstanzen noch im Jahre 2006¹ abgelehnt, wiewohl es nicht verkennt, dass schon aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Artikel 19 Abs. 4 GG auch für den Unterschwellenbereich ein Primärrechtsschutz resultieren muss.²
- Allgemein wird deshalb davon aus-gegangen, dass das originäre Vergabe(primär-)recht zwar zzt. nur eingeschränkt anwendbar ist, gleichwohl nationale Vergaben vor den ordentlichen Gerichten durch einstweilige Verfügungen nach §§ 935, 940 ZPO überprüft werden können.
- Auch der Europäischer Gerichtshof (2007) und später der Bundesgerichtshof (2011) haben sich dieser Sichtweise angeschlossen.³
B Primär-Rechtsschutz durch einstweilige Verfügungsverfahren
- Im Einzelnen ist hinsichtlich der Frage, ob der Erlass einer Sicherungs-, Regelungs- oder Leistungsverfügung im Rahmen eines gerichtlichen Verfügungsverfahrens angebracht ist, vieles streitig. Andererseits dürfte der Erlass einer Sicherungsverfügung, mit der allein der Ausspruch eines Zuschlagsverbots und damit die Sicherung des Status des Antragsstellers begehrt wird, grundsätzlich statthaft und bei "gewichtigen" Vergaberechtsverstößen auch erfolgreich seien.4
- Mit der Erlangung eines Zuschlagsverbots ist das (einstweilige) Verfügungsverfahren faktisch und rechtlich abschließend. Insoweit übernimmt esdie Funktion des Hauptsacheverfahrens (dazu BVerwG vom 04.11.2010 – 2 C 16/09 –, Rdnr. 32).
C Sekundärrechtsschutz
- Neben dem einstweiligen Verfügungsverfahren als Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte und dessen eigentlicher "Nischenexistenz"5 besteht neben der nur eingeschränkt wirkungsvollen Möglichkeit, die Rechtsaufsichtsbehörden der Vergabestellen zur Rechtskontrolle mittels Dienstaufsichtsbeschwerde6 zu motivieren, nur der Sekundärrechtsschutz, d. h. also Schadensersatz.
D Sekundärrechtsschutz durch Schadensersatz
- Hintergrund dieses Rechtsschutzes ist der Umstand, dass durch das Vergabeverfahren vertragsähnliche Vertrauensverhältnisse zwischen den Bietern und dem Auftraggeber begründet werden, aus denen Rücksichtsnahmepflichten resultieren. Diese können ihrerseits bei ihrer Verletzung zwar nicht den Zuschlag verhindern, aber Schadensersatzansprüche (in Geld) nach den allgemeinen Vorschriften begründen.
- Diese Ansprüche sind vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Ihr Erfolg ist abhängig von der jeweiligen geltend gemachten Anspruchsgrundlage und der (erfolgreichen) Erfüllung der sich aus dem prozessualen und an die Beweisführung zu stellenden Anforderungen für den (übergangenen) Bieter ergeben.
Die Ersatzansprüche lassen sich in drei Kategorien aufteilen:
- Allgemeine Ersatzansprüche
- a) Verletzung des vorvertraglichen Vertrauens aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. mit § 311 Abs. 2 Nr. 1 und § 241 Abs. 2 BGB bei Verletzung der aus dem vorvertraglichen Rechtsverhältnis resultierenden Sorgfalts-pflichten durch den Auftraggeber. Grundsätzlich ist der Anspruch begrenzt auf den Ersatz des Vertrauensschadens, also des Schadens in Höhe (nur) der Angebotserstellungskosten, es sei denn, dass der Anspruchssteller bei ordnungsgemäßem Ablauf des Vergabeverfahrens auch Ausschreibungsgewinner gewesen wäre (Der Nachweis lässt sich regelmäßig nur selten führen)
- b) Sonstige (deliktische) Ersatzansprüche
- aa) aus BGB (§ 823 Abs. 1, 2 i. V. m. VOB/A, VOL/A, § 826 BGB)
- Die kommen nur "ganz ausnahmsweise" (Schütte) in Betracht, da durch Vergaberechtsverstöße regelmäßig nicht schuldhaft im Sinne von vorsätzlicher bzw. fahrlässiger Verfahrensweisen sog. absolute Rechte wie Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum etc. verletzt werden bzw.
- VOB/A, VOL/A 1. Abschnitt keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind und ein kollusives Zusammenwirken von Auftraggeber und Auftragnehmer zum Nachteil des Anspruchsstellers regelmäßig ausscheidet bzw. nicht nachweisbar sein wird.
- b) Außerhalb des BGB, soweit
- ein kartellrechtswidriges Verhalten gemäß § 33 GWB oder
- unlauteres Wettbewerbsverhalten nach § 9 UWG vorliegt.
- Besondere Ersatzansprüche aus § 181 GWB entfallen im Unterschwellenbereich, da nur die Vergabeverfahren erfasst sind, die dem vierten Teil des GWB unterliegen.