Schlechte Planung

China bekommt Angst vor seinen Geisterstädten

von:

Stephan SCHEUER

SHANGHAI/CHINA. – Mit dem Sonnenuntergang verschwinden die Straßen und Häuser in tiefer Finsternis. Die Laternen bleiben dunkel, keine Menschen laufen vorbei – der große Platz vor der Kirche in Shanghais Vorort Anting New Town wird komplett von der Nacht verschluckt. Für die Menschen in der Gegend ist Anting eine deutsche Stadt, weil sie von den Frankfurter Stadtplanern von Albert Speer & Partner (AS&P) entworfen wurde. Doch auch acht Jahre nach dem Einzug der ersten Bewohner leben dort kaum Menschen. Chinesische Medien sprechen sogar schon von der deutschen Geisterstadt.

Anting reiht sich damit in eine lange Liste ein. In China geht die Angst vor Geisterstädten um. Häuser und Apartments galten als gute Geldanlage, und so schossen im ganzen Land neue Vororte oder ganze Städte wie Pilze aus dem Boden. Aber nun warnt selbst das Parteiorgan "Volkszeitung" vor einer gewaltigen Immobilienblase: "Aufgrund von schlechter Planung werden aus vielen neuen Städte im Endeffekt Geisterstädte." Bereits 200 weitere Städte seien in Planung, kritisiert das Parteiblatt.

Auch einige der mächtigen Immobilienmogule stimmen in das Sorgenlied mit ein. Während in fast allen Großstädten Chinas die Hauspreise jährlich zweistellig in die Höhe schnellen, warnt der Chef von Chinas größtem Immobilienkonzern Vanke, Wang Shi: "Es gibt ganz offensichtlich eine Immobilienblase, und es ist möglich, dass sie außer Kontrolle gerät und platzt." Und auch der Multimilliardär Wang Jianlin spricht von den Gefahren von Chinas Immobilienboom.

Es ist paradox: Auf der einen Seite wird Wohnraum in Chinas Großstädten für viele Menschen nicht mehr bezahlbar, auf der anderen Seite stehen ganze Vororte nahezu leer. Die urbane Bevölkerung ist laut Chinas Statistikbehörde bereits auf mehr als 700 Millionen Menschen gewachsen. Erstmals in der Geschichte Chinas leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Und Ministerpräsident Li Keqiang hat mehrfach erklärt, dass die Regierung die Urbanisierung weiter vorantreiben will. Damit möchte die Staatsführung den Binnenkonsum antreiben, um das Wirtschaftswachstum langfristig zu sichern.

Aber trotzdem müssen viele neu aus dem Boden gestampfte Orte um jeden Bewohner werben. Ohne Schulen, Krankenhäuser oder Theater könnten die neuen Viertel kaum Menschen anlocken, sagt Johannes Dell, Chef der China-Niederlassung von AS&P: "Wenn keiner dort wohnt, können auch keine Geschäfte aufmachen. Und wenn keine Geschäfte aufmachen, will dort auch niemand wohnen." Letztlich müssten die Kommunen und Stadtregierungen Geld für die nötige Infrastruktur in die Hand nehmen.

In Anting passiert das gerade. Seit Oktober hält die Shanghaier U-Bahnlinie 11 in Anting. Von September 2015 an soll es eine Schule bis zur 9. Klasse in dem Ort geben. Gleichzeitig treiben die gigantischen Wohnungspreise die Menschen aus Shanghais Innenstadt an die Stadtgrenzen – und damit auch nach Anting. In den fertiggestellten Wohnblöcken könnten bis zu 25.000 Menschen leben. Bislang sind es nach Auskunft der Verwaltung aber erst 7000.

Anting steht damit auch für die Hoffnung, wie China einer Immobilienkrise noch entgehen könnte. Gerade in der Nähe von Chinas Metropolen besteht für die Geisterstädte große Hoffnung, doch noch viele Bewohner zu gewinnen, vermutet Professor Liu Yuanchun von der Pekinger Volksuniversität. "Während es in Chinas Megastädten immer voller wird, können kleine und mittelgroße Städte von den Entwicklungen profitieren. Es ist klar, für welche Orte sich die Menschen dann entscheiden."

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