Spezielle Fragen zur VOB/B

Neues Kündigungsrecht für Auftraggeber – Nachteil für Bauunternehmer?

von:

Rechtsanwalt Johannes Jochem

Recht und Normen
Johannes Jochem, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht: "Die Abrechnungsfolge des neuen Kündigungsrechts knüpft an die in der VOB/B bereits bestehende Regelung zur Abrechnung bei länger andauernder Unterbrechung bzw. Behinderung an." Foto: Privat

Wiesbaden. – Seit dem 18. April gilt in Deutschland das neue nationale Vergaberecht. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Unternehmen sind groß. Die ABZ veröffentlicht jetzt den fünften Beitrag einer 14-tägig erscheinenden siebenteiligen Reihe von Fachartikeln. Der nachfolgende Beitrag ist von Rechtsanwalt Johannes Jochem, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Partner der RJ Anwälte Jochem PartGmbH aus Wiesbaden. Der nächste Beitrag erscheint am 17. Juni zum Thema "Sanktionierung von Vergabemängeln – Das Nachprüfungsverfahrenim Oberschwellenbereich von Bauleistungen". Mit dem neuen Vergaberecht sind die öffentlichen Auftraggeber auch gehalten, die neue VOB/B 2016 als allgemeine Geschäftsbedingung ihren Bauverträgen zugrunde zu legen. Die VOB/B 2016 enthält einen neuen Absatz 4 im Bereich des § 8, der die Kündigung des Auftragnehmers durch den Auftraggeber regelt. Damit ist ein neues Kündigungsrecht geschaffen, wenn in Verträgen, die im vergaberechtlichen Oberschwellenbereich liegen, vergaberechtliche Hindernisse vorgelegen hatten, oder "neu" vorliegen.Üblicherweise sind Vergabeverfahren (VOB/A) und Vertragsdurchführungsverfahren (VOB/B) getrennt voneinander zu betrachten. So bezieht sich das Vergaberecht auf das Verfahren von Bekanntgabe bis zum Zuschlag und das Vertragsrecht auf den Zeitraum von Vertragsabschluss durch Zuschlag bis Abnahme und letztlich Ende der Gewährleistungsphase. Auch wenn an dieser Stelle nicht verschwiegen werden sollte, dass in allen Fällen des Vertragsrechts auch ein vorvertragliches Treueverhältnis in Betracht kommt, so ist doch jetzt mit dem vergaberechtsbedingten Kündigungsrecht eine ausdrückliche Brücke in die vorvertragliche Phase geschlagen. Parallel verläuft eine weitere Brücke zwischen Vergaberecht und Vertragsrecht in den Regeln des § 22 EU VOB/A zur vergaberechtlichen Vorgabe, bei wesentlichen Vertragsänderungen ein neues Vergabeverfahren durchführen zu müssen. Dieser Paragraph ist neu gestaltet und regelt eine Vielzahl von Fällen.Hier lautet der Grundsatz des Absatzes 1, dass wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrages während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfah-ren erfordern. Die VOB/B, also die allgemeine Geschäftsbedingung zum Vertragsrecht, sieht in § 1 Absatz 3 VOB/B vor, dass sich der Auftraggeber Änderungen des Bauentwurfs vorbehält, welche dann durch den bereits vertraglich gebundenen Auftragnehmer mit auszuführen sind, zu einer gesonderten Vergütung nach § 2 Absatz 5 VOB/B. Eine solche Änderungsanordnung mit Vergütungsnachtrag hängt nach dem neuen Vergaberecht davon ab, ob der Auf-trag oberhalb des EU-Schwellenwer-tes liegt und es sich um eine wesent-liche Änderung handelt. Beispielhaft zur Vielzahl an Anwendungsfällen des § 22 EU VOB/A kann an dieser Stelle genannt werden:

  • ? Hätte die Änderung dazu geführt, dass andere Bewerber oder Bieter im ursprünglichen Vergabeverfahren zugelassen gewesen wären, oder ihnen ein Angebot ermöglicht worden wäre?
  • ? Hätte ein anderes Angebot angenommen werden können?
  • ? Hätte das Vergabeverfahren das Interesse weiterer Teilnehmer geweckt?
  • ? Wird der öffentliche Auftrag erheblich ausgeweitet?

In all diesen Fällen hat ein neues Vergabeverfahren stattzufinden, wenn keine Abnahme greift.§ 22 EU VOB/A enthält in Absatz 2 außerdem Ausnahmeregelungen, die insbesondere im Bereich von Bauleistungen Vertragsänderungen auch ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulassen, wenn ein Wechsel des Bauauftragnehmers aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht erfolgen kann und mit erheblichen Schwierigkeiten oder beträchtlichen Zusatzkosten für den öffentlichen Auftraggeber verbunden wäre, wobei die Auftragssumme des geänderten Leistungsspektrums um nicht mehr als 50 % des ursprünglichen Auftrags erhöht werden darf. Eine weitere Ausnahmeregelung findet sich in § 22 EU Absatz 3 VOB/A, wonach bei Bauaufträgen Änderungen immer ohne neues Vergabeverfahren zulässig sind, wenn sie 15 % des ursprünglichen Auftragswertes nicht erreichen.Auf diesen Hintergründen beruht ein neues Kündigungsrecht des § 8 Abs. 4 VOB/B 2016, wobei dort auch andere Fälle geregelt sind:

  • Unzulässige Abrede (bereits bekannt aus den älteren Fassungen der VOB/B).
  • em. § 8 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B 2016 kann ein Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe eine Abrede getroffen hatte, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Eine solche kartellrechtliche Abrede würde einem Auftraggeber häufig erst nach Auftragsvergabe und damit nach Vertragsschluss bekannt. In diesem Falle konnte der Auftraggeber schon seit jeher kündigen.
  • Zwingender Ausschlussgrund im Oberschwellenbereich (VOB/B 2016 neu!).
  • ach § 8 Abs. 4 Nr. 2 a VOB/B 2016 kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn er im Oberschwellenbereich geschlossen wurde und der Auftragnehmer wegen eines zwingenden Ausschlussgrundes zum Zeitpunkt des Zuschlages nicht hätte beauftragt werden dürfen.
  • Wesentliche Änderungen des Vertrages im Oberschwellenbereich (VOB/B 2016 neu!).
  • ach § 8 Abs. 4 Nr. 2 b VOB/B 2016 kann der Auftraggeber einen Vertrag, der im Oberschwellenbereich geschlossen wurde, auch bei einer wesentlichen Änderung des Vertrages kündigen. In diesem Falle sind die bereits ausgeführten Leistungen nach § 6 Abs. 5 VOB/B abzurechnen und außerdem alles zu vergüten, was dem Auftragnehmer bereits entstanden ist und von den Vertragspreisen für das kündigungsbedingt nicht mehr zu bauende erfasst gewesen wäre. Mehrkosten nach Kündigung bzw. einen Schadensersatz kann der Auftraggeber in diesem Fall selbstverständlich nicht geltend machen, da er die Vertragsänderung selbst veranlasst hat. Es handelt sich bei diesem neuen Kündigungsrecht um ein Kündigungsrecht einer neu geschaffenen Qualifikation. Es ist ein Hybrid und steht zwischen Kündigung aus wichtigem Grund, freier Kündigung und Behinderung. Man könnte es als Kündigung aus einem "bisschen wichtigen" Grund, "begründete freie Kündigung" oder "dauerhafte endgültige Behinderung" bezeichnen.

Hintergrund für das neue Kündigungsrecht ist die vergaberechtliche Vorgabe der VOB/A bei wesentlichen Vertragsänderungen ein neues Vergabeverfahren durchführen zu müssen. Dies führt dazu, dass der alte Vertrag für den Auftraggeber obsolet wird. Es gibt damit einen "Hintergrund" für das Kündigungsbegehren, der aber nicht dieselbe Qualität hat, wie ein wichtiger Kündigungsgrund, den der Auftragnehmer zu vertreten hätte. Eine vollkommen "freiwillige" Kündigung des Auftraggebers besteht ebenfalls nicht. Ob die Entscheidung des Auftraggebers zur wesentlichen Vertragsänderung, freiwillig war oder durch nicht vom Auftraggeber zu vertretende Faktoren hervorgerufen wurde, ist unklar. Für den vergaberechtlichen "Beschaffungsbedarf" sind jedenfalls vielerlei Hintergründe denkbar.Die Abrechnungsfolge des neuen Kündigungsrechts knüpft an die in der VOB/B bereits bestehende Regelung zur Abrechnung bei länger andauernder Unterbrechung bzw. Behinderung an. (§ 6 Abs. 5 VOB/B) Diese rechnet einen Zwischenstand und bereits entstandene Aufwendungen ab, geht aber davon aus, dass es irgendwann weitergeht. In dem Fall der Kündigung geht es aber nicht weiter. Nach durch AGB nicht modifizierte Regeln des BGB würde dies gemäß § 643, 645 BGB zu einer ähnlichen Vergütung führen, allerdings mit der Besonderheit, dass darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche des leistungswilligen Unternehmers gegen den die Bauausführung nicht zulassenden Auftraggeber geltend gemacht werden können. Im Fall des neuen Kündigungsrechts stellt § 8 Abs. 4 Nr. 2 b Satz 3 VOB/B 2016 ausdrücklich klar, dass bestehende Schadensersatzansprüche unberührt bleiben. Es darf mit Spannung erwartet werden, ob die Praxis und die Rechtsprechung Schadensersatzansprüche ermöglichen. Problematisch dürfte der Nachweis des Verschuldens des Auftraggebers werden. Interessant wird auch die Frage nach einer AGB-Wirksamkeitsprüfung (Inhaltskontrolle) werden. Das BGB kennt die Möglichkeit des sogenannten freien Kündigungsrechts nach§ 649 BGB, welches die Entschädigungspflicht für die nicht mehr zu erbringenden Leistungen bspw. pauschaliert auf5 % des Restwerklohns vorsieht.Feststehen dürfte hingegen, dass die Auftragnehmer nichts dafür können, wenn der Auftraggeber sein Beschaffungsziel oder den Vertragsgegenstand wesentlich ändert. Daher gewährt die neue VOB/B 2016 dem gekündigten Bauunternehmer ein eigenes vergleichbares Kündigungsrecht gegenüber seinen Subunternehmern, mit gleicher Vergütungsregelung. Dies setzt sich in der Leistungskette weiterer Sub- Subunternehmer fort. Dies gilt letztlich allerdings nur, wenn auch in allen weiteren Subunternehmerverträgen die neuste Fassung der VOB/B 2016 vereinbart ist.

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