Studie

Öffentliche Großprojekte 73 Prozent teurer

BERLIN (ABZ). - Öffentliche Großprojekte in Deutschland werden im Durchschnitt 73 % teurer als geplant. Dabei zeigen sich große Unterschiede zwischen den verschiedenen Infrastruktursektoren. Während sich Projekte in den Bereichen Verkehr und öffentliche Gebäude durchschnittlich um 33 bzw. 44 % verteuern, schlagen Energieprojekte mit 136 und IT-Projekte gar mit 394 % ihres angesetzten Budgets zu Buche. Der Sektor Rüstungsbeschaffung nimmt mit durchschnittlich 87 % Kostensteigerung pro Projekt einen Platz im Mittelfeld ein. Dies sind erste Ergebnisse einer Studie der Hertie School of Governance, die am 19. Mai in Berlin vorgestellt wird. Die Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Genia Kostka untersucht 170 in Deutschland seit 1960 realisierte Großprojekte, darunter 119 abgeschlossene und 51 noch laufende Projekte. Bei letzteren ermittelt die Studie Kostensteigerungen von bislang durchschnittlich 41 %. Für alle untersuchten Projekte zusammen waren 141 Mrd. Euro eingeplant, tatsächlich kosteten sie 200 Mrd. Euro – eine Budgetüberschreitung um 59 Mrd. Euro. Kostka und ihr Team erklären Fehlkalkulationen unter anderem mit Defiziten im Entscheidungs-, Planungs- und Steuerungsprozess. Verwaltung und politisch Verantwortliche seien oftmals zu optimistisch und überschätzten ihre Fähigkeiten. Dies führe z. B. dazu, dass Entscheidungsträger Vertragsbedingungen zustimmten, die der öffentlichen Hand das Risiko aufbürdeten oder Unternehmen falsche Anreize setzten.Zu besonders hohen Budgetüberschreitungen käme es allerdings zumeist bei "Pionierprojekten" mit hohen Technologie-Risiken. Beispiele dafür sind IT-Projekte wie das gescheiterte Steuersystem "Fiskus", der Bau von Atomkraftwerken oder Offshore-Windparks. "Wenn neue Technologien eingesetzt werden, sind die Anschubkosten hoch und die Projekte insgesamt risikoreicher. Allerdings können sich die Investitionen langfristig lohnen, weil sich Lerneffekte und der Technologievorsprung auszahlen", so Kostka. Besonders hohe Kostenüberschreitungen ergeben sich regelmäßig bei Megaprojekten: Vorhaben mit einem Volumen von über 500 Mio. Euro werden im Schnitt doppelt so teuer wie geplant. Bei kleinen (bis 50 Mio. Euro) und mittleren (zwischen 50 und 500 Mio. Euro) Projekten stellt die Studie 78 bzw. 59 % durchschnittliche Budgetüberschreitung fest. Ein internationaler Vergleich der Ergebnisse ist aufgrund der Datenlage schwierig. Vorhandene Studien legen ein leicht schlechteres Abschneiden Deutschlands mit vergleichbaren Ländern nahe: So liegen die Kostenüberschreitungen bei Straßen-, Schienen-, Tunnel- und Brückenbau in den Niederlanden bei 17 %, in den Ländern Nordwest-Europas bei 22, in Deutschland aber bei 30 %. Um die Kosteneinhaltung von Großprojekten zukünftig besser überwachen zu können, empfiehlt Kostka unter anderem die Einrichtung eines nationalen Benchmarkings für Großprojekte und einer unabhängigen Kontrollagentur nach britischem Vorbild. Die Studie "Großprojekte in Deutschland – zwischen Ambition und Realität" umfasst neben einer umfassenden Auswertung der Projekt-Daten drei detaillierte Fallstudien: zum Berliner Großflughafen BER, zur Elbphilharmonie sowie zu fertiggestellten Offshore-Windparks.Die Hertie School of Governance ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule mit Sitz in Berlin. Ihr Ziel ist es, herausragend qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen Bereich in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft vorzubereiten. Mit interdisziplinärer Forschung will die Hertie School zudem die Diskussion über moderne Staatlichkeit voranbringen und den Austausch zwischen den Sektoren anregen. Die Hochschule wurde Ende 2003 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird seither maßgeblich von ihr getragen.

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