Von öffentlicher Hand
Zahlungsmoral immer noch schlecht
Berlin (ABZ). – Die Zahlungsmoral in Deutschland befindet sich weiterhin auf einem Rekordhoch. 90 % der Mitglieder des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) melden in einer Umfrage: Rechnungen werden jetzt genauso gut oder sogar noch besser bezahlt als vor einem halben Jahr. Große Ausnahme: die öffentliche Hand.
Die Unternehmensinsolvenzen gehen schon das siebte Jahr in Folge zurück. Bis Ende Dezember erwartet der BDIU nur noch 22.000 Fälle (2015: 23 123). Auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen sinkt auf voraussichtlich 75.000 bis 76.000 Verfahren (nach 80 347 in 2015). "Der Konjunkturmotor läuft prächtig und versorgt die Firmen mit Liquidität, nicht zuletzt dank der guten Binnennachfrage", so BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd in Berlin. "Es könnte aber auch das verflixte siebte Jahr sein." Durch den Brexit hätten sich die Aussichten verschlechtert. "Großbritannien ist einer unserer wichtigsten Handelspartner. Die Brexit-Folgen werden die Unternehmen zwar nicht sofort spüren. Aber wir befürchten, dass im kommenden Jahr die Zahl der Insolvenzen wieder ansteigt – und das wird auch die Zahlungsmoral wieder verschlechtern."
Scharfe Kritik üben die Forderungsmanager an der Rechnungstreue der öffentlichen Hand. Kein einziges Inkassounternehmen meldet, dass der öffentliche Sektor Rechnungen jetzt besser bezahlt. 15% beobachten eine weitere Verschlechterung. "Eigentlich ist das absurd", so Marion Kremer. "Die Steuereinnahmen sprudeln, auch für Städte und Gemeinden." Allerdings lastet auf vielen Kommunen, z. B. in Ostdeutschland oder in Nordrhein-Westfalen, ein gewaltiger Schuldenberg. Erst kürzlich hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angeregt, über die Gangbarkeit von Konkursverfahren für Gebietskörperschaften in Deutschland nachzudenken. Die Inkassounternehmen halten das nicht für erforderlich. "Ein Insolvenzverfahren für Kommunen oder gar ganze Bundesländer kennen wir hierzulande nicht", erklärt Marion Kremer, "und wir warnen davor, an den lokalen Haushalten ein Experiment mit ungewissen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger durchzuführen. Die Kämmerer sollten stattdessen alle ihre Einnahmepotenziale nutzen. Wir haben den Eindruck, dass in vielen Kommunen das Forderungsmanagement deutlich verbessert werden könnte. Aktuell hat die Stadt Essen drei Inkassounternehmen im Wege der Verwaltungshilfe beauftragt, sie beim Forderungsmanagement zu unterstützen. Solche Maßnahmen können dazu beitragen, die Krise der kommunalen Haushalte in der Bundesrepublik zu bewältigen."