28. Oldenburger Rohrleitungsforum

Smarte Netze sollen Speicherlücke in der Energieversorgung füllen

von:

Robert BACHMANN

Rohre Rohr- und Leitungsbau
Hybride Diskussion unter Experten verschiedener Fachrichtungen und Institutionen (v. l.): Heiko Fastje, Geschäftsführer der EWE Netz GmbH, Oldenburg; Dr. Sebastian Rohjans, Offis e. V. – Institut für Informatik, Oldenburg; Robert Hinterberger, Geschäftsführer Energy Research Austria, New Energy Capital Invest GmbH, Wien; Thomas Martin, Thomas Martin Kommunikation, Wuppertal; Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des iro e. V., Oldenburg und Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg; Jun.-Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff, Bereichsvorstand Energie, Offis e. V. – Institut für Informatik, Oldenburg. Fotos: Bachmann
Rohre Rohr- und Leitungsbau
Prof. Thomas Wegener: "In Deutschland gibt es ein hervorragend ausgebautes Gastransportnetz, welches allerdings nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort voll ausgelastet ist. Gleiches ließe sich für das Stromnetz sagen. Wenn man beide Netze miteinander verknüpfen würde, ließe sich durch intelligente Verschiebungen zwischen Strom- und Gasnetz das Gesamtsystem wesentlich ergiebiger fahren als innerhalb der Einzelnetze.
Rohre Rohr- und Leitungsbau
Besseres Wetter als im vergangenen Jahr verhalfen diesmal auch dem Außenbereich einen regen Besucherandrang.

OLDENBURG - Die Energiewende, Dauer- und Reizthema nahezu jeder öffentlichen Diskussion, wirft hinsichtlich ihrer Umsetzung nach wie vor zahlreiche offene Fragen auf. Ganz oben auf der Liste steht u. a. die sogenannte "Speicherlücke" im elektrischen Energieversorgungssystem. Wie sich diese unter Einbezug bestehender Rohrleitungsnetze möglicherweise schließen ließe, war zentrales Thema des diesjährigen Oldenburger Rohrleitungsforums.

. – Auch zur mittlerweile 28. Ausgabe hat das Oldenburger Rohrleitungsforum nichts von seinem traditionell familiären Charme eingebüßt. Rund 330 Aussteller und mehr als 3000 Besucher zwängten sich am 6. und 7. Februar in die Räumlichkeiten des Instituts für Rohrleitungsbau Oldenburg (iro). Damit konnte der beliebte Branchentreff noch einmal ein kräftiges Wachstum verzeichnen; und auch Dr. Elmar Schreiber, Präsident der Jade Hochschule, musste in seiner Eröffnungsrede erfreut feststellen, dass der kontinuierlich wachsende Besucherandrang schon kaum noch in einem Verhältnis zu den insgesamt 2000 Studierenden der Hochschule steht. Hier nicht in Kontakt zu kommen, zumindest physisch, ist im Grund unmöglich, wird in Oldenburg gerne gescherzt. Und so soll es auch sein auf einer Veranstaltung, die in erster Linie dem Austausch dient. Selten stand dieser Gedanke mehr im Zentrum des Rohrleitungsforums als in diesem Jahr.

Im Mittelpunkt des 28. Rohrleitungsforums stand das Thema Hybridnetze. Jene Konzepte also, in denen Versorgungssysteme für Strom, Gas und Wärme derart gekoppelt werden, dass Energie von einer Form in eine andere umgewandelt werden kann, und die als mögliche Lösung für die sogenannte "Speicherlücke" in der elektrischen Energieversorgung gelten. "Das Hybridnetz umfasst alle Einzelversorgungsstrukturen und führt sie zusammen", erklärte Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des iro e. V., Oldenburg und Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg. "Es werden Stromwirtschaft, Gasversorgung, Wärmemarkt und auch der Bereich Mobilität – jedenfalls bezogen auf das Versorgungssystem, den Tankstellen – zusammenhängend betrachtet. Es sollen die unterschiedlichen Stränge miteinander verknüpft werden, mit dem Ziel, regional optimierte Lösungen der Versorgung zu finden."

Ein prominentes Beispiel hierfür ist etwa das "Power 2 Gas"-Verfahren (deutsch etwa: "Elektrische Energie zu Gas"), bei dem mittels Wasserelektrolyse und Methanisierung unter dem Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien (EE) ein Brenngas hergestellt wird. Im Hybridnetz werden damit zwei zuvor getrennt voneinander behandelte Versorgungsbereiche intelligent gekoppelt. Ziel des Ganzen ist eine Flexibilisierung und Stabilisierung der Energieversorgung vor dem Hintergrund der Energiewende. Denn: "Der erneuerbare Strom wird nicht immer dann erzeugt, wenn er benötigt wird", sagte Heiko Fastje, Geschäftsführer der EWE Netz GmbH, Oldenburg. "Es muss ein Ausgleich zwischen Erzeugung und Last hergestellt werden. Da Strom nicht in den Netzen speicherbar ist, müssen dafür Lösungen geschaffen werden. Größter Energieverbraucher ist die Wärme- und Warmwassererzeugung, die in Deutschland zu einem sehr großen Anteil aus fossilen Energieträgern bedient wird. Und Wärme ist zumindest stunden- und tageweise leicht speicherbar. Hier kommen die Rohrleitungen wieder ins Spiel, denn auch hier gibt es Lösungsideen für die Stromseite. Denn 'Hybridnetze' stellen eine mögliche Lösung für die Anpassung von Stromerzeugung und -bedarf dar."

Schnell war klar: Die diesjährige Diskussion auf dem Rohrleitungsforum geht weit über den zugrunde liegenden Gegenstand der Rohrleitungen hinaus. Mehr denn je ist hier ein interdisziplinärer Austausch gefragt, weiß iro-Geschäftsführer Wegener, der die Tagungsveranstaltung seit Jahren organisiert. Mit Jun.-Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff und Dr. Sebastian Rohjans waren daher auch in diesem Jahr wieder Experten des Informatik-Instituts Offis aus Oldenburg unter den Gästen des Forums vertreten.

Lehnhoff und Rohjans befassen sich aktuell u. a. mit der Frage, wie Versorgungssysteme intelligenter gemacht werden können. Heutige Rohrleitungsnetze etwa, so Lehnhoff, werden überwiegend auf mechanischem Wege gesteuert. Hinsichtlich der aktuellen Anforderungen sei dies auch gut und sinnvoll. Bedarfsgerecht zu regulierende Hybridnetze jedoch benötigen komplexe Automatisierungstechniken. Diese zu entwickeln und zu erproben ist ein wichtiger Bestandteil der aktuellen Arbeit am Institut.

Bevor es so weit ist, gilt es jedoch, zunächst geeignete Strukturen zu ermitteln und zu analysieren, die für die Umsetzung eines hybriden Energieversorgungssystems in Frage kommen. Lehnhoff und Rohjans wählen dabei einen lokalen Ansatz, den sie unter dem Begriff der "Energetischen Nachbarschaft" fassen. "Unter einer Energetischen Nachbarschaft wird ein Verbund von dezentralen Verbrauchern und Produzenten verstanden, die sich in räumlicher Nähe zueinander befinden und die die zur Durchführung ihrer üblichen Prozesse benötigte Energie als Seiteneffekt in andere Energieformen umwandeln, wobei ein jeweils anderer Verbundpartner die produzierte Energie wiederum als Input für die eigenen Prozesse nutzen kann", erklärte Rohjans. "So lässt sich bspw. die Abwärme aus thermischen Prozessen nutzen, um andere Prozesse, die Wärme umsetzen, zu betreiben bzw. zu unterstützen. Ebenso lässt sich erzeugtes Biogas wieder direkt in bestimmten Prozessen einsetzen oder für andere Prozesse verstromen", ergänzte Lehnhoff. In Zusammenarbeit mit dem iro arbeiten die Informatiker derzeit u. a. an einem Modellprojekt in Oldenburg (Drielake). Zentraler Gedanke des Ansatzes ist, zunächst gewisse Optimierungspotenziale in bestehenden Netzen auf lokal eingeschränkter Ebene auszuschöpfen, um mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen in die Erschließung übergeordneter Strukturen zu gehen.

Technologisch, so wusste auch Heiko Fastje zu berichten, seien viele Grundlagen bereits vorhanden. Noch sei allerdings offen, welche Herangehensweisen sich letztlich als wirtschaftlich erweisen. Eines macht er jedoch klar: Die Energiewende werde es nicht kostenlos geben. "Wenn wir den Temperaturanstieg auf der Erde bremsen wollen, dann kostet das Geld. Die Ausbeutung der fossilen Rohstoffe war vergleichsweise günstig. Die Frage ist jedoch auch, ob wir uns leisten können, nicht in neue Technologien und deren Umsetzung zu investieren." Die Erfahrung zeige allerdings, dass die Menschen durchaus bereit sind, in die Reduzierung von CO2-Emissionen zu investieren – sei es in Form von Modernisierungsmaßnahmen am Eigenheim oder die Anschaffung autarker Energieversorgungssysteme. Es sei nun an den Energieversorgern, diesen Weg gemeinsam mit den Kunden zu gehen.

Auch Robert Hinterberger von der New Energy Capital Invest GmbH (Wien/Österreich) sieht ein großes Potenzial im Bereich Hybridnetze. Neben Erdgasspeichern führte er vor allem die bestehenden Fernwärmenetze ins Feld, die seiner Ansicht nach zukünftig einen wichtigen Baustein der Energiewende darstellen könnten. Bevor es jedoch so weit sei, müsse vor allem auf politisch-bürokratischer Ebene noch viel passieren. Hinterberger spricht hier von gewissen Markthemmnissen, die sowohl in Deutschland als auch in seiner Heimat Österreich dazu geführt hätten, dass das Thema Hybridnetze bislang noch keinen rechten Durchbruch erfahren hätte. "Die Umsetzung von Hybridnetzen/-systemen erfordert nicht nur die technische Integration der unterschiedlichen Systeme, sondern vor allem eine Anpassung der regulatorischen, rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen. So ist es für Fernwärmebetreiber – durch eine Vielzahl von Marktbarrieren – derzeit in Deutschland nicht wirtschaftlich möglich, erneuerbaren Überschussstrom auf diese Art und Weise zu verwerten, selbst nicht bei negativen Börsenpreisen." Wie sei etwa damit umzugehen, wenn der Energieverbraucher plötzlich zum Energieerzeuger gemacht werde, gibt Fastje ergänzend zu bedenken. Fragen wie diese müssten dringend geklärt werden.

Inseldenken, so viel ist klar, ist bei diesem Thema nicht gefragt. Mehr noch als bereits in den vergangenen Jahren verband auch Prof. Wegener das Rohrleitungsforum mit dem Wunsch nach einer "hybriden Diskussion". Die Rohrleitungen, so der iro-Geschäftsführer, mögen vor diesem Hintergrund die ideale Klammer darstellen, jene Experten zusammenzubringen, deren Zusammenarbeit nun zwingend erforderlich ist.

Und wie immer ist nach dem Rohrleitungsforum vor dem Rohrleitungsforum. Dieses findet im kommenden Jahr eine Woche später als gewöhnlich am 19. und 20. Februar 2015 statt.

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