29. Oldenburger Rohrleitungsforum

Branchentreff nimmt Nah- und Fernwärme in den Blick

von:

Robert Bachmann

Oldenburger Rohrleitungsforum
Diskutierten während der Pressekonferenz über das Potenzial der Fernwärme (v. l.): Lutz Nieke (Bereichsleiter Technik, Stadtwerke Schwerin), Jürgen Knies (Offis e. V. – Institut für Informatik), Thomas Martin (Moderator), Thomas Grage (Geschäftsführer der Fernwärme-Forschungsinstitut GmbH in Hannover) und Prof. Thomas Wegener (Vorstandsmitglied des iro e.V.) . Foto: Bachmann

OLDENBURG - Fernwärme ist aktuell nicht besonders "sexy". Bei der Umsetzung der von der Bundesregierung angestrebten Energiewende kann sie aber eine entscheidende Rolle spielen. So lautete das Fazit des mittlerweile 29. Oldenburger Rohrleitungsforums, zu dem sich auch in diesem Jahr erneut zahlreiche Besucher und Aussteller dicht an dicht in den Gängen und Räumen der Fachhochschule Oldenburg drängten."Im Kontext der Energiewende gewinnt das Rohrleitungsforum in Oldenburg zunehmend an Bedeutung", sagte Dr. Elmar Schreiber, Präsident der Jade Hochschule, in seiner Begrüßungsrede zur Eröffnung der Veranstaltung. Bereits im vergangenen Jahr beschäftigte sich der traditionsreiche Branchentreff mit der Frage, wie die unterirdische Versorgungsinfrastruktur der Zukunft aussehen müsse, um den hochgesteckten Zielen der Bundesregierung gerecht zu werden. Intelligent gesteuerte Netze, in denen Strom, Gas und Wasser nicht mehr getrennt voneinander gedacht werden, hieß damals die Antwort. Mit der Frage, welche Rolle die Fernwärme in diesem Zusammenhang spielen kann bzw. sollte, setzten die Veranstalter rund um Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des Instituts für Rohrleitungsbau e. V. (iro) und seit kurzem Vizepräsident für Forschung und Technologietransfer an der Jadehochschule, diesen Gedanken nun konsequent fort.Für den Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg, der nach eigener Aussage eher dem Gasbereich verhaftet sei, habe das Thema Fernwärme auch erst einmal reifen müssen. Wer Prof. Wegener kennt, weiß jedoch, dass es sich bei solchen Sätzen um grobes Understatement handelt. Haben sich doch nicht zuletzt unter seiner Führung der interdisziplinäre Ansatz sowie die engmaschige Verknüpfung von Theorie und Praxis als die großen Stärken des Oldenburger Rohrleitungsforums etabliert. Geradezu exemplarisch hierfür ist die Zusammenarbeit mit dem Institut für Informatik – Offis e. V., das seit mehreren Jahren fester Bestandteil des Forums ist und auch während der angeschlossenen Pressekonferenz durch Jürgen Knies vertreten war. Hervorzuheben ist auch die Kooperation mit den Stadtwerken Schwerin, die Wegener unter anderem bei studentischen Projekten unterstützen und die in Person von Lutz Nieke, Bereichsleiter Technik, ebenfalls der Einladung nach Oldenburg gefolgt waren. Abgerundet wurde die Diskussion durch Thomas Grage, der als Geschäftsführer der Fernwärme-Forschungsinstitut GmbH in Hannover seine Expertise beisteuerte.Warum nun aber Fernwärme? Zwar lief das Thema auf dem Forum in Oldenburg stets mit, stand jedoch nie im Zentrum der Diskussion. Für die Experten vor Ort war jedoch klar: Wenn die Bundesregierung es ernst meint mit der Energiewende, dann führt am Ausbau der Fernwärme kein Weg vorbei. Thomas Grage sieht Deutschland aktuell an einem Wendepunkt, an dem das Konstrukt Energiewende neu überdacht werden müsse. Bislang, so Grage sei das Thema fast ausschließlich von der Stromseite her betrachtet worden. Dabei biete der Wärmetransport über das Medium Wasser mit seinen vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten weitaus mehr Potenzial zur Wertschöpfung. "Fernwärme ist die Technologie, die für die optimale Nutzung unserer begrenzten Primärenergie sorgt – durch KWK (Kraft-Wärme-Koppelung, Anm. d. Red.) werden Wirkungsgrade von rund 50 % auf 90 % gesteigert."Allerdings, gibt Grage zu bedenken, gelte Fernwärme in wirtschaftlicher Hinsicht als nicht besonders "sexy". Häufig würden nur negative Aspekte wie die hohen Ansprüche an die verwendeten Rohrleitungen betrachtet, nicht jedoch die vielen Vorteile der Fernwärme. So z. B. die Langlebigkeit solcher Systeme, die laut Grage bei mindestens 50 Jahren liegt. Nicht zuletzt aber auch die Erschließung neuer Geschäftsfelder im zunehmend nachgefragten Bereich der Kälteversorgung, die ein entsprechendes Netz quasi als Bonus mit sich bringe. Aus Grages Sicht müsse hier das Bewusstsein wachsen, dass sich mit Fernwärme tatsächlich Geld verdienen lasse. In diesem Zusammenhang sei vor allem auch die Politik gefordert, die bestehenden Hemmnisse abzubauen und für Planungssicherheit sorgen. Dass Fernwärme sowohl technisch als auch wirtschaftlich möglich ist, zeige unter anderem das Beispiel Flensburg, wo die Wärmeversorgung zu fast 100 % mit Fernwärme realisiert werde.Mit immerhin 60 % ist der Anteil der Fernwärme in Schwerin ebenfalls recht hoch. In der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns sei dieser Umstand vor allem historisch gewachsen, wie Lutz Nieke von den örtlichen Stadtwerken zu berichten wusste. In der ehemaligen DDR habe bekanntermaßen ein Rohstoffproblem bestanden, weshalb sich die Fernwärme dort vergleichsweise früh etabliert habe. Dies schmälere jedoch nicht ihren Wert. "Die Fernwärme leistet insbesondere in städtischen Ballungsgebieten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz", so Nieke. "Den Nutzen erleben die Bürger mit einer geringeren Emissionsbelastung in den Städten sehr unmittelbar." Für eben jene Bürger sei Fernwärme in vielerlei Hinsicht durchaus "sexy". Neben den positiven Effekten für das lokale sowie allgemeine Klima würden insbesondere Hauseigentümer von einer deutlich unkomplizierteren Heiz- und Klimatisierungstechnik profitieren, deren Prüfung und Wartung in den meisten Fällen durch den Versorger übernommen würden.Auch Nieke hob die Bedeutung der Fernwärme im KWK-Prozess hervor. Der Einsatz derart umweltschonender Technologien sei die Grundvoraussetzung für den Betrieb von Fernwärmenetzen. Ohne eine entsprechende politische Flankierung sei deren Umsetzung aktuell jedoch nur schwer möglich: "Der Betrieb von gasbetriebenen Heizkraftwerken (HKW) ist politisch zwar gewollt, wirtschaftlich derzeit aber äußerst schwierig. Der Preisdruck durch den Zuwachs erneuerbarer Energien, die fehlende Wirksamkeit des Emissionshandels und der Wettbewerb gegen Kohlekraftwerke führen zu immer geringeren Laufzeiten. Wenn Betriebsstunden von HKW sinken, andererseits aber die Fernwärmeversorgung durch die Betreiber abgesichert werden muss, stehen viele Stadtwerke vor einem Konflikt, den sie alleine nicht auflösen können." Mit hoffnungsvoller Skepsis blickt Nieke daher auf die gegenwärtige Novellierung des KWK-Gesetzes, die bis zum Sommer dieses Jahres abgeschlossen sein soll. Sollte die Bundesregierung keine entsprechenden Fördermaßnahmen ergreifen sowie Regelungen für bestehende Anlagen finden, sei der geplante Ausbau der Fernwärme von 25 % bis 2020 ernsthaft in Gefahr.Was mit den bestehenden Anlagen bereits heute möglich ist, damit beschäftigt sich das Offis e. V. – Institut für Informatik in Oldenburg. In softwarebasierten Modellanalysen wird dort unter anderem ermittelt, wie sich die Energieversorgung lokal begrenzter Gebiete effizienter gestalten lässt. Viele Bestandsanlagen würden bereits durch kleine Energieanlagen wie Blockheizkraftwerke, Wärmepumpen etc. ergänzt. Hierdurch entstünden Flexibilitäten, die sich mittels intelligenter Steuerungstechnik zur Optimierung des Gesamtsystems nutzen ließen. Für Jürgen Knies und seine Kollegen ist daher klar: "Das Energieversorgungssystem muss insgesamt flexibler werden." Hierfür müsse aus der oft so einseitigen Energieversorgung zunächst jedoch einmal ein solches "System" werden. Voraussetzung sei eine gezielte, energieformübergreifende Abstimmung von Wärmebedarf, Wärmebereitstellung, Strombedarf und Stromerzeugung, die ihrerseits nur durch die Anbindung der entsprechenden Netze an ein geeignetes IKT-System (Informations- und Kommunikationstechnik) herzustellen sei.Derart viel Zukunftsmusik schwingt für Professor Wegener im Thema Fernwärme gar nicht mit. Gerade in technischer Hinsicht sieht auch er viele Voraussetzungen bereits gegeben. Wichtig sei, diese nun auch in der richtigen Weise zu verknüpfen und damit nutzbar zu machen. "Mit der IKT-Vernetzung der in Betracht kommenden Einzelkomponenten aller Infrastrukturen und möglicherweise unter Einbeziehung der Variante Warmwasser können für die Energiewende zwingend erforderliche Speicher- und Transportkapazitäten genutzt werden", so Wegener. Die Basis hierfür sei in erster Linie der Austausch. Genau dafür bot auch in diesem Jahr das Rohrleitungsforum einmal mehr den idealen Ort.

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