31. Oldenburger Rohrleitungsforum

Digitalisierung birgt Chancen und Risiken zugleich

von:

Robert Bachmann

Oldenburger Rohrleitungsforum
Diskussionsrunde zu Chancen und Risiken der Digitalisierung (v. l.): Karsten Specht, Kaufmännischer Geschäftsführer des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbandes (OOWV), Brake; Dr. Michael Steiner, Leiter Integrität bei der Open Grid Europe GmbH; Moderator Thomas Martin, Thomas Martin Kommunikation; Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des iro e. V. und Geschäftsführer der iro GmbH, und Prof. Dr. Gerd Buziek, Mitglied des Hochschulrates der Jade Hochschule und Unternehmenssprecher der Esri Deutschland Group. Foto: Bachmann

Oldenburg . – Was bedeutet die Digitalisierung für unsere Rohrleitungsnetze? Diese Frage stand im Mittelpunkt des 31. Oldenburger Rohrleitungsforums. Die Antwort: Entscheidend ist nicht, ob, sondern wie wir mit der Digitalisierung umgehen. Das mittlerweile 31. Rohrleitungsforum schloss damit nahtlos an die vorangegangenen Veranstaltungen an. Bereits in den vergangenen Jahren beleuchtete der Branchentreff immer wieder den Einsatz neuer Technologien zur Optimierung bestehender Rohrleitungsnetze. Diesmal hatte iro-Geschäftsführer Prof. Thomas Wegener den Bogen jedoch etwas weiter gespannt und nach den allgemeinen Chancen und Risiken der Digitalisierung im Rohrleitungsbau bzw. Netzbetrieb gefragt. Eingeladen hatte Wegener hierzu eine Expertenrunde, bestehend aus Prof. Dr. Gerd Buziek, Mitglied des Hochschulrates der Jade Hochschule und Unternehmenssprecher der Esri Deutschland Group; Karsten Specht, Kaufmännischer Geschäftsführer des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbandes (OOWV) in Brake und Dr. Michael Steiner, Leiter Integrität bei der Open Grid Europe GmbH.

Frühzeitig einbinden
Für Prof. Wegener ist klar: Der Bau hat in puncto Digitalisierung enormen Nachholbedarf. Anders etwa als in anderen, technik-affineren Industrien handle es sich beim Bau jedoch nicht um Massenfertigung. Die Individualität der einzelnen Projekte gestalte den digitalen Zugriff vergleichsweise schwierig. Im Falle der unterirdischen Infrastruktur komme erschwerend hinzu, dass es dabei überwiegend um Bestandsverwaltung gehe und weniger um den Neubau. Ein Großteil dieses Bestandes sei aber eben nicht digital erfasst, z. T. nicht einmal analog. Neuartige Methoden wie das aktuell viel diskutierte Building Information Modeling (BIM) könnten hier nur bedingt greifen.In Bezug auf den Bau und Betrieb von Rohrleitungen und Anlagen sei jedoch schon heute die umfassende Zustandsbewertung von Anlagen, Leitungen und Vermögenswerten auf der Basis belastbarer Daten Grundlage für die Entwicklung von Sanierungsstrategien und effektiven Investitionsmanagementsystemen. Auf diesem Wege führe auch an der Vernetzung der verschiedenen Akteure sowie einem transparenten Informationsfluss kein Weg vorbei. Das erfordere sowohl die Bereitschaft, sich umfassend mit der Digitalisierung zu befassen, als auch die grundlegende Bereitschaft zur Kooperation. Wer sich dem verschließe, stehe am Ende außen vor, ist sich Wegener sicher.
Smart ist nicht gleich smart
Auch Prof. Buziek sieht Licht und Schatten im Umfeld der Digitalisierung. Ihm zufolge befinden wir uns mit dem Trend zur umfassenden Vernetzung inmitten eines neuen ökonomischen Entwicklungszyklus', der mittlerweile auch auf den Baubetrieb durchschlägt. Ob neue Methoden wie BIM tatsächlich das Potenzial zur großen Kostenrisikominimierung haben, müsse sich noch beweisen. Die ersten technologischen und geschäftlichen Erfahrungen seien jedoch positiv. Die Digitalisierung habe vielerorts bereits zu effektiveren Arbeitsprozessen, Workflows und neuen – meist globalen – Produkten und Geschäftsmodellen geführt.Genau hier entstehen laut Buziek aber auch Risiken. Ein neues Geschäftsmodell müsse nicht zwangsläufig im Sinne des Kunden sein. Ebenso führe die Verfügbarkeit von Informationen nicht zwangsläufig zu einer gut informierten Gesellschaft. Entscheidend sei am Ende der "Faktor Mensch". Wie geht dieser mit den gesammelten Informationen und neuen Technologien um? Es müsse sich zeigen, inwiefern smarte Technologien zu smarten Entscheidungen führten. An Letzteren werde sich zeigen, wo die "Grenzen der Digitalisierung" lägen.Für Karsten Specht vom OOWV ist die Digitalisierung längst Bestandteil der täglichen Arbeit: "Stärker denn je machen wir uns technische Möglichkeiten wie die Simulation und Modellierung von Entwicklungen zu Nutzen", so Specht. "Die fortschreitende Digitalisierung und intelligente Steuerungstechnik werden die Zukunft der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung maßgeblich bestimmen. Der technische Fortschritt ist die Basis für Prozessoptimierungen und Unternehmensstrategien." Specht nannte Beispiele wie die 3D-Technik: Anhand dreidimensionaler Untergrundmodelle werde die Beschaffenheit des Bodens in Wasserschutzgebieten anschaulich gemacht. Diese Möglichkeit sei nicht nur in Wasserrechtsverfahren hilfreich, sondern auch in der Frage der langfristigen Versorgungssicherheit und des Ressourcenschutzes. Gleiches gelte im Zusammenhang mit Starkregenereignissen. Mit intelligenten Steuerungssystemen lasse sich die Leistungsfähigkeit bestehender Entwässerungssysteme verbessern. Auch die Erstellung von Gefahrenkarten, wie sie in jüngster Vergangenheit von Kommunen bzw. Kanalnetzbetreibern erstellt worden seien, spiele eine wesentliche Rolle – etwa bei der Ergreifung vorsorglicher Objektschutzmaßnahmen. Völlig unproblematisch sei dieser Prozess jedoch nicht. Auch für Specht kommt es letztlich darauf an, wie mit den zur Verfügung stehenden Daten umgegangen wird. Die Herausforderung der Digitalisierung werde darin bestehen, gewonnene Erkenntnisse und Daten zusammen zu führen. Erst dann ließen sich die richtigen Schlüsse ziehen.
Mehr Sicherheit durch Big Data
Vielfältige Herausforderungen sieht auch Dr. Michael Steiner: "Um einen dauerhaft sicheren Betrieb von Gashochdruckleitungen sicherzustellen, sind höchste sicherheits- und umweltrelevante Funktionen notwendig." So sei für alle Beteiligten beim Neubau, beim Betrieb und bei der Instandhaltung insbesondere die integrierte Nutzung der wesentlichen Rohrleitungsdaten enorm wichtig. Der einfache Zugriff auf die benötigten Daten über die gesamte Lebensdauer einer Gashochdruckleitung sei von sehr großem Nutzen. Aus diesem Grund seien die Energieversorgungsunternehmen sowie der DVGW Deutscher Verein des Gas und Wasserfaches e. V. permanent bestrebt, die Digitalisierung der wesentlichen Informationen über die Gasinfrastruktur zur Gewährleistung von Sicherheit und Verfügbarkeit voranzutreiben.Während beim Neubau eine Digitalisierung durch moderne Technologien wie bspw. Barcodescanner mit GPS-Funktion oder komplett digitale Rohrzeugnisse sehr einfach zu erstellen und abzulegen sind, kann der Datenbestand von bereits betriebenen Leitungen teilweise erst im Nachhinein digitalisiert werden. Inhalte von Bestandsdaten und einer Netzdokumentation hat ebenfalls der DVGW bei der Regelwerkserstellung vertieft. Die aktuellste Maßnahme in diesem Zusammenhang bildet die gerade von zahlreichen Betreibern aus der Gas-, Chemie- und Ölbranche eingeführte Initiative BIL, ein "Bundesweites Informationssystem zur Leitungsrecherche". Ziel hier ist eine einfache Leitungsauskunft bei Bauanfragen durch ein zentrales Anfrageportal, um mögliche Schäden an Gashochdruckleitungen durch Dritte noch weiter zu reduzieren und sie damit noch sicherer betreiben zu können. Auch hier zeigt der Faktor Mensch die Grenzen des Machbaren auf. Denn längst nicht alle betroffenen Akteure seien aktuell bereit, sich umfassend an diesem freiwilligen Projekt zu beteiligen.Die Digitalisierung bringt zahlreiche Herausforderungen und Risiken mit sich, so das einhellige Fazit der Expertenrunde. Nichts desto trotz überwiege das Potenzial in der Wertschöpfung. Wer von der Entwicklung nicht überholt werden möchte, für den gelte es nun, sich schnell und umfassend mit den Möglichkeiten der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Auch an Investitionen führe dabei kein Weg vorbei – nicht nur in Technik, sondern auch in gut ausgebildete Mitarbeiter.

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