34. Oldenburger Rohrleitungsforum

Braucht Deutschland ein eigenes Wasserstoffnetz?

Oldenburger Rohrleitungsforum
Fachsimpeln bei der Pressekonferenz (v. l.): Dr. Manfred Veenker (Dr. Veenker Ingenieurgesellschaft mbH aus Hannover), Dr. Arnd Schmücker (Integrität-Leiter Gastechnik/Sicherheit bei der Open Grid Europe GmbH aus Essen), ), Dr. Gerrit Volk (Referatsleiter Zugang zu Gasteilnetzen bei der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen aus Bonn), Moderator Thomas Martin, Dr. Thomas Wegener (Vorstandsmitglied des Instituts für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e. V., Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg und Vizepräsident der Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth) und Prof. Dr. Rainer Schwerdthelm (Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth, Fachgebiet Mobilität und Steuerung von Verkehrsströmen, Fachbereich Bauwesen Geoinformation Gesundheitstechnologie am Studienort Oldenburg). Foto: Schüller

Oldenburg (jes). – Mitte Februar traf sich die Rohrleitungsbau-Branche in der Jade Hochschule in Oldenburg zum fachlichen Austausch. Bei der offiziellen Pressekonferenz stand dabei diesmal nicht der klassische Leitungsbau mit einer bestimmten Technik im Mittelpunkt. Vielmehr befassten sich die Experten intensiv mit der Energiequelle Wasserstoff und diskutierten die Voraussetzungen für deren zukünftigen Transport und Nutzung.Chancen, Herausforderungen, Grenzen – von der Herstellung, der Beschaffung bis hin zum Transport und die allgemeine Nutzung ließ die Experten-Runde bei der Pressekonferenz zur 34. Ausgabe des Oldenburger Rohrleitungsforums kaum einen Aspekt aus, sich umfangreich mit dem Thema Wasserstoff zu beschäftigen. Moderiert von Thomas Martin bezogen die Teilnehmer Stellung und diskutierten mitunter kontrovers die unterschiedlichen Positionen. Zum "Talk" geladen waren Dr. Arnd Schmücker (Integrität-Leiter Gastechnik/Sicherheit bei der Open Grid Europe GmbH aus Essen), Prof. Dr. Rainer Schwerdhelm (Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth, Fachgebiet Mobilität und Steuerung von Verkehrsströmen, Fachbereich Bauwesen Geoinformation Gesundheitstechnologie am Studienort Oldenburg), Dr. Manfred Veenker (Dr. Veenker Ingenieurgesellschaft mbH aus Hannover), Dr. Gerrit Volk (Referatsleiter Zugang zu gasteilnetzen bei der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen aus Bonn) und Prof. Thomas Wegener (Vorstandsmitglied des iro e. V., Oldenburg und Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg).Bis zum Jahr 2050 soll Deutschland seine Treibhausgasemissionen um bis zu 95 Prozent reduzieren. Ehrgeizige Ziele, die nach Ansicht der Experten mitunter nur durch einen Aus- oder Umbau unserer Gasnetze sowie die Nutzung von Wasserstoff zu erreichen seien. Dies wurde bereits im Oktober 2019 diskutiert als Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in Berlin erste Ergebnisse und Handlungsempfehlungen aus dem "Dialogprozess Gas 2030" vorstellte. Dieser war im Dezember 2018 offiziell gestartet worden, um mittel- und langfristige Nutzungsperspektiven des Energieträgers und der Gasinfrastruktur zu erörtern. Altmaier zufolge wird Erdgas als Brückentechnologie noch bis 2030 integraler Bestandteil des Energiesystems bleiben. Danach würde der Pfad in die Wasserstoffwelt beginnen und Wasserstoff ein Schlüsselrohstoff für die Energiewende werden, so die Prognose des Ministers.Wenn die Energiewende gelingen soll gilt es auch, den Ausbau der Gasnetze voranzutreiben, waren sich bei der Pressekonferenz einige der Teilnehmer einig. "Zumindest für die nächsten drei Jahrzehnte ist Gas – möglicherweise sukzessive ersetzt durch "grünes" Gas – aus sicheren Energieversorgungskonzepten nicht wegzudenken", ist Wegener überzeugt.Ob dann eine eigene Wasserstoffinfrastruktur nötig ist oder die vorhandene Erdgasinfrastruktur genutzt werden kann, gehört zu den wichtigsten Fragen, die es zu klären gilt. Reine Wasserstoffnetze werden in Deutschland bereits betrieben, diese werden aber langfristig wohl nur einen kleinen Teil der gesamten Wasserstoffinfrastruktur ausmachen. Das schätzte Dr. Schmücker ähnlich ein. Seiner Meinung nach werden reine Wasserstoffnetze erst dann real möglich, wenn weniger fossile Brennstoffe benötigt werden. Er glaubt deshalb eher daran, dass es in naher Zukunft regionale Netze geben wird, die aber noch nicht direkt bis ins Haus verlaufen werden. "Mittelfristig kann ich deutschlandweit noch kein gut ausgebautes Wasserstoffnetz sehen", pflichtete auch Dr. Volk bei.Aus diesem Grund wurde von der Expertenrunde vor allem die Möglichkeit diskutiert, Wasserstoff in die vorhandenen Erdgasnetze einzuspeisen. Netzseitig sind derzeit 10 Prozent Wasserstoffzumischung in Erdgasnetzen zulässig. Allerdings muss das bestehende Netz dahingehend überprüft werden, ob höhere Wasserstoffbeimischungen möglich sind, etwa mit Blick auf eine Korrosionsgefahr oder die Eignung der Dichtungsmaterialien. Gefährlich sei in diesem Zusammenhang nur atomarer Wasserstoff, erklärte Dr. Manfred Veenker. Wenn dieser entstehe, könne er ungehindert entweichen und beispielsweise den Stahl von Leitungen angreifen. Grundsätzlich kann er sich jedoch sehr gut vorstellen, die vorhandene Gasinfrastruktur für Wasserstoff nutzbar zu machen: "Es gibt seit Jahrzehnten Wasserstoffleitungen. Wir würden also nicht bei Null starten."Die Kopplung von bestehenden Energiesektoren – insbesondere unter Verwendung der Power-to-Gas-Technologie und Verbindung der Gas- und Strominfrastruktur – gehörte insgesamt zu den Schwerpunkten des 34. Oldenburger Rohrleitungsforums. Mehrere Vortragsblöcke beschäftigten sich mit den Themen Herstellung, Transport, Speicherung, betriebliche Anwendung und Sicherheitsfragen und deckten somit ein sehr breites Spektrum an Aspekten ab.Bei all der Diskussion gab Veenker jedoch zu bedenken, dass derzeit an Lösungen für eine Fragestellung gearbeitet werde, die noch keine wirtschaftliche Grundlage habe. "Wasserstoff kann erst dann im Energiesektor eine Rolle spielen, wenn er aus 'grünem Strom' in hinreichender Menge erzeugt werden kann", so der Experte. Aktuell würden aber nur rund 10 Prozent des Endenergiebedarfs 'grün' gedeckt. "Es ist nicht zu erwarten, dass wir – den vollmundigen Ankündigungen der Politiker folgend – bis 2050 unsere gesamte Endenergie 'grün' bereitstellen können", so Veenker.Dr. Volk sieht die Situation ein bisschen positiver. Wie er ausführte habe Gas im vierten Quartal 2019 in breit angelegten Prozessen über die zukünftige Verwendung von (Erd-)Gas im Rahmen des Dialogprozesses Gas 2030 und der nationalen Wasserstoffstrategie eine Renaissance erlebt. Vor der bevorstehenden Abschaltung des letzten Kernkraftwerkes und dem Ausstieg aus der Kohle erinnere man sich (wieder) an die Vorzüge der Gasversorgung. "Die positive Grundstimmung, flankiert durch eine breite politische Zustimmung zum Einsatz erneuerbarer Gase, benötigt jetzt konkrete Umsetzungsarbeiten in technischer, aber auch regulatorischer Sicht, um insbesondere Wasserstoff auch mittels eines schnellen Erreichens der Wirtschaftlichkeit einsatztauglich zu machen", so Volks Fazit. Die Bedeutung des Erdgasnetzes hob während des Pressegesprächs auch Dr. Schmücker hervor. Das Erdgasnetz transportiere heute doppelt so viel Energie wie das Stromnetz und vorbehaltlich einer bis dato nicht erkennbaren erheblichen Effizienzsteigerung werde der Energiebedarf in der vielfach unterstellten Weise auch nicht sinken. Die Gasanwendungen würden weiterhin Bestand haben, so dass beide Netze erforderlich blieben. Damit stelle das Gasnetz mit seiner erheblichen Energiespeicherfähigkeit und der dadurch gegebenen Flexibilität in der Energieversorgung das Rückgrat für die Energiewende dar. "Die in Deutschland darstellbare Produktion erneuerbarer Energien wird zur Deckung des Energiebedarfs nicht ausreichen", sagte er. Energie müsse daher aus Regionen importiert werden, in denen die regenerative Erzeugung aufgrund der vorhandenen Produktionsfläche und der meteorologischen Bedingungen in ausreichender und effizienter Form erfolgen könne. Dabei kam er insbesondere auf Norwegen zu sprechen, welches man sich als Vorbild nehmen solle. Dort wird das bei der Wasserstoff-Produktion entstehende CO2 unter der Nordsee verpresst. "Um eine grüne Herstellung werden wir nicht herumkommen", so seine Einschätzung. Man solle sich folglich an Ländern wie Norwegen orientieren. Neben der Gewinnung und des Transports von Wasserstoff wurde bei der Pressekonferenz auch der Aspekt Mobilität behandelt. Dieses Thema bildet den Arbeitsschwerpunkt von Prof. Dr. Rainer Schwerdhelm. Wirtschaftlich tragbare Anwendungen der Wasserstoffmobilität ergeben sich für ihn möglicherweise für Transport- und Beförderungseinheiten, welche aufgrund ihrer großen Masse zum Beschleunigen derart große Energiemengen benötigen, dass die zurzeit vorhandene Batterietechnologie damit schlicht überfordert ist. Dies sei im Bereich der Luftfahrt, des Schienenverkehrs, der Schifffahrt und im Güterverkehr der Fall. Hier müsse sich der Wasserstoff allerdings mit grün synthetisierten Kraftstoffen messen. Ebenfalls vorangeschritten sei die Entwicklung großer Straßengüterfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb. Hier fehle zum Betrieb allerdings ein Tankstellennetz. Für ihn ist bei der Nutzung und der Produktion von Wasserstoff wichtig, dass dieser "grün" hergestellt werden kann und ohne Abfallprodukte auskommt. Zeitgleich stellte er jedoch auch klar: "Wir werden immer einen Fußabdruck hinterlassen. Und einen deutlichen. Ohne drastische Einschnitte im Lebenskomfort und bei den Kosten werden wir die Herausforderungen nicht lösen können."

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