Abbau von AKW Biblis begonnen

Hochradioaktives Abfallproblem nur vorläufig gelöst

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Joachim Baier (dpa)

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Die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen, (l.)) und Werksleiter Horst Kemmeter hoben am 19. Juli im RZ-Gebäude des Atomkraftwerks in Biblis eine Kühlpumpe mittels Kettenzug an. Der offizielle Rückbau des stillgelegten AKW hat begonnen.

Bibis. – Jetzt ist es offiziell: Das stillgelegte Atomkraftwerk in Biblis wird abgebaut. Das bedeutet aber nicht, dass die Diskussion um die Sicherheit der beiden Blöcke aus den 70er-Jahren beendet ist. Vor dem Atomblock B in Biblis wartet ein Castor-Behälter. Er wird mit abgebrannten Brennstäben gefüllt, die in ein Endlager kommen sollen. Der Abbau von Hessens einzigem Atomkraftwerk hat vor Kurzem begonnen. "Der heutige Tag ist ein wichtiger Meilenstein", sagte Kraftwerksleiter Horst Kemmeter. "Es gibt kein Zurück mehr." In 15 Jahren will der Betreiber RWE seine Arbeit erledigt haben, "um die Anlage aus dem Atomgesetz entlassen zu können", wie Kemmeter es beschreibt. Bis dahin ist es ein langer Weg, zunächst müssen laut RWE erst einmal Möglichkeiten zur Dekontamination eingerichtet werden, um verstrahltes Material zu reinigen.Eine Alternative zum Abbau habe es nicht gegeben, sagt Kemmeter. "Die politischen Leitplanken waren klar." Das Atomkraftwerk war 2011 nach der Katastrophe von Fukushima erst für drei Monate und dann für immer abgeschaltet worden. Ende März erhielt RWE vom hessischen Umweltministerium als Aufsichtsbehörde die Abbau-Genehmigungen.Biblis ist einer von vier Standorten, an denen Meiler des Energieriesen RWE stehen. Dazu gehören noch Lingen im Emsland (Niedersachsen), das 2022 abgeschaltet werden soll, das AKW Gundremmingen in Bayern, für dessen Blöcke Ende 2017 bzw. 2021 Schluss ist, sowie Mülheim-Kärlich (Rheinland-Pfalz), das schon seit Jahren und noch immer abgebaut wird. Neben den Atomkraftwerken hat RWE in Deutschland noch vier Braunkohlekraftwerke, drei Wasser- und drei Steinkohlekraftwerke, zwei Gaskraftwerke und ein Müllheizkraftwerk.RWE spaltete sich 2016 in zwei Teile auf, um das wenig zukunftsfähige Geschäft mit konventionellen Kraftwerken vom lukrativeren Zukunftsgeschäft um Ökostrom, Vertrieb und Netzbetrieb zu trennen. Zudem ist die Schadensersatzklage des Unternehmens wegen der Biblis-Stilllegung vom Tisch. Verlangt worden waren 235 Mio. Euro.

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Das Atomkraftwerk in Biblis war 2011 nach der Katastrophe von Fukushima erst für drei Monate und dann für immer abgeschaltet worden. Nun hat der offizielle Rückbau begonnen.

Die Rücknahme der Klage ist Teil eines milliardenschweren Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Betreibern deutscher Kernkraftwerke zur Entsorgung nuklearer Altlasten, der Ende Juni unterzeichnet wurde. Er sieht vor, dass die vier deutschen Energieriesen Barmittel in Höhe von rd. 24 Mrd. Euro in einen staatlichen Entsorgungsfonds zahlen. Der Fonds soll die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls managen. Für Stilllegung und Abriss der Kernkraftwerke sowie die Verpackung des Mülls bleiben die Konzerne verantwortlich.Klar ist: Ein AKW-Abbau produziert Abfall. Und der muss in Biblis erst zwischengelagert werden. Denn ein Endlager für hochradioaktiven Müll ist in Deutschland noch nicht gefunden. "Die Suche nach einem Endlager ist das eigentlich Schwierige", sagte Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne). Sie gab gemeinsam mit Kemmeter den Startschuss für den Biblis-Abbau. "Das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen", sagte sie.Die abgebrannten Brennstäbe kommen in den Castoren in Biblis in ein bis 2046 genehmigtes Zwischenlager. RWE rechnet mit insgesamt 103 solcher Behälter. Hinzu kommen rd. 63.000 t schwach- und mittelradioaktiver Abfall. Dafür ist der Schacht Konrad im niedersächsischen Salzgitter vorgesehen, der aber vor 2022 nicht zur Verfügung stehen dürfte. "Als Puffer" baut RWE in Biblis dafür ein zweites Lager. Es soll Ende 2018 fertig sein.In den besten Zeiten haben im Atomkraftwerk Biblis rd. 1000 Menschen gearbeitet – 700 von RWE, 300 von anderen Firmen. "Jetzt sind es noch etwa 350 RWE-Mitarbeiter", sagt Reinhold Gispert, der bei RWE Konzernbetriebsratsvorsitzender ist. Bisher seien Konzernbeschäftigte früher in Rente gegangen oder woanders im Konzern untergekommen. Das solle so weitergehen. "Die Stimmung unter den Leuten ist angespannt", sagte Gispert. "Wenn die nach draußen sehen, merken sie, dass das bei Mitbewerbern schwierig ist. Da wird der Rotstift angesetzt."

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Eine Baustelle für ein Zwischenlager für schwach bis mäßig radioaktives Material ist auf dem Gelände des Atomkraftwerks in Biblis zu sehen. Fotos: dpa

Auch die Kommune spürt das Aus für das Kraftwerk deutlich, wie Bürgermeister Felix Kusicka (parteilos) sagt. Das AKW war größter Arbeitgeber und Steuerzahler. "Da musste massiv gespart werden", sagte Kusicka. Die Verwaltung sei verkleinert worden, die Gewerbesteuer habe deutlich angehoben werden müssen. Der Gemeinde gelinge es aber, neue Firmen anzulocken.

Die Diskussion um die Sicherheit geht indes auch am Tag des Abbau-Starts weiter. Ein Kritiker des Verfahrens ist der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der Klage beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht hat. Es sei "nicht akzeptabel", dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehle, erklärt der BUND.

Das 1974 in Betrieb gegangene Kraftwerk Biblis war in seiner Geschichte immer wieder mit Pannen in die Schlagzeilen geraten. 1987 entwich in Block A bei einem der schwersten Störfälle in einem deutschen Atomkraftwerk durch ein offenes Ventil 15 Std. lang radioaktiver Dampf. Im Jahr 2006 wurden bei einer Routine-Revision fehlerhaft montierte Dübel festgestellt, die u. a. Rohrleitungen gegen Erdbeben sichern sollten. Rd. 15.000 Dübel mussten ausgetauscht werden. Zu den Rückbaukosten hat sich RWE nach Angaben eines Sprechers noch nicht geäußert. Allgemein wird bei sogenannten Doppelblockanlagen wie derjenigen in Biblis von rd. 1,5 Mrd. Euro ausgegangen.

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