Abrissreife Schandflecke

Der beschwerliche Kampf gegen baufällige Schrottimmobilien in Sachsen

von: Katrin Mädler
Immobilienwirtschaft Wohnungsbau
Sogenannte Schrottimmobilien sind Gebäude, die baufällig geworden sind, längst verwaist, und deren Eigentümer sich nicht darum kümmern (Symbolbild). Foto: Roland Weihrauch/dpa

Plauen/Leipzig. – Sie verschandeln das Stadtbild und gefährden schlimmstenfalls Fußgänger: Schrottimmobilien sorgen vielerorts in Sachsen für Ärger. Der Kampf dagegen ist für die Kommunen beschwerlich. Manchmal gehören die Häuser Firmen, die es gar nicht mehr gibt. Oder ihr Besitzer bleibt auch nach hartnäckiger Suche unbekannt oder unauffindbar. Sogenannte Schrottimmobilien sind Gebäude, die baufällig geworden sind, längst verwaist, und deren Eigentümer sich nicht darum kümmern, sagt Plauens Baubürgermeisterin Kerstin Wolf (parteilos). Für viele sächsische Kommunen sind sie ein Ärgernis. Wolf kennt das Problem sehr genau, hat ihre Stadt doch in den vergangenen vier Jahren zehn solcher hoffnungslosen Gebäude beseitigen können. Und sie will auch künftig weiteren unschönen Bauten zu Leibe rücken."Der Weg ist beschwerlich, es braucht Ausdauer und Mühe, um Schrottimmobilien zu beseitigen", erklärt Wolf. "Denn als öffentliche Hand dürfen wir nicht einfach in privates Eigentum eingreifen. Hier gibt es vieles zu beachten." Der Rechtsbeistand durch Juristen sei unerlässlich. Oft sei sogar eine Art "Experimental-Jura" notwendig, um verworrenen Eigentumsverhältnissen und Zuständigkeiten zu begegnen – und um entsprechende Paragrafen aus dem Baugesetzbuch auch anwenden zu können. Aber um das Stadtbild zu verbessern und Gefahren für Passanten abzuwenden, lohne sich die Mühe. Dass Probleme mit Schrottimmobilien nicht überall sofort gelöst werden können, scheitere meist nicht am Willen der Kommunen, sagt Mischa Woitscheck, Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetags. Gründe seien eher begrenztes Personal und wenig finanzieller Spielraum. Dabei könnten einige Landesprogramme des Freistaates den Städten und Gemeinden tatsächlich weiterhelfen. "Leider sind diese Programme seit Jahren deutlich unterfinanziert."Dazu gehörten die Förderungen "Rückbauwohngebäude" oder "Brachenbeseitigung". Woitscheck: "Wir würden uns hier ein stärkeres finanzielles Engagement des Freistaates Sachsen wünschen." Im Entwurf des nächsten Doppelhaushalts für 2021/2022 seien wiederum nur 3 beziehungsweise 5 Millionen Euro als Hilfe vorgesehen.Viel Erfahrung und noch mehr Ärger mit Schrottimmobilien hat die Kleinstadt Adorf im Vogtland. Um ein Viertel ist die Bevölkerung in der Kommune seit der Wendezeit gesunken. Rund 20 Immo-bilien bereiten Bürgermeister Rico Schmidt (SPD) aktuell Sorgen. "Jedes Objekt hat seine eigene Geschichte und Problemstellung. Eine Lösung ist sehr zeitintensiv." Das stelle eine kleine Kommune immer wieder vor neue Herausforderungen. Ohne externe Unterstützung durch Anwälte habe man keine Chance. "Eine Sanierung der Häuser ist aufgrund der ständig steigenden Auflagen in Deutschland immer unwirtschaftlicher und meist nicht mehr realisierbar", sagt Schmidt.Im Gegensatz zu kleineren sächsischen Kommunen sorgt sich die Stadt Leipzig beim Thema Schrottimmobilien weniger um ein verschandeltes Stadtbild, wie Frank Amey als Leiter des Amtes für Wohnungsbau und Stadterneuerung sagt. "In der Großstadt fallen einzelne leerstehende Häuser weniger auf. Aber als die am schnellsten wachsende Stadt Deutschlands geht uns durch diese Wohnraum verloren." Die positive Bevölkerungsentwicklung in Leipzig habe sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich auf das Stadtbild ausgewirkt. Leerstehende Gebäude seien weniger geworden. Im Fokus der "Arbeitsgemeinschaft Problemimmobilien", in der sich unterschiedliche Ämter der Leipziger Stadtverwaltung zusammenfinden, stünden aktuell noch 70 Häuser. "Wir gehen auf die Eigentümer zu, wollen sie dazu bewegen, zu verkaufen oder zu sanieren", erläutert Amey. "Einige bleiben uneinsichtig. Von einigen wissen wir, dass sie spekulativ handeln, das macht uns Sorgen." Die Stadt investiere in das Umfeld einer Problemimmobilie, der Wohnraum werde immer dringender gebraucht. "Da ist es klar, dass die Grundstückspreise dort weiter steigen. Einige Eigentümer haben ein leerstehendes Haus gekauft, investieren nichts und spekulieren darauf, dass sie das Grundstück später für einen viel höheren Betrag wieder verkaufen können." Das schaffe ein Gefühl der Ungerechtigkeit und gefährde den sozialen Frieden. Denn die Leipziger würden beobachten, dass die eigenen Mieten steigen, während gegenüber Häuser leer stehen. "Es gibt aktuell keine geeigneten Fördermittel, die uns hier unterstützen", berichtet Amey. "Geld wäre gegenüber diesen Eigentümern eine Art Lockmittel. Dann wären sie eher geneigt, zu sanieren und die Wohnungen zu vermieten."Die Hürden für staatliche Eingriffe bei Leerstand von Wohngebäuden und der Eingriff in privates Eigentum sind hoch, wie das Ministerium für Regionalentwicklung auf Nachfrage betont. So verpflichte das Baugebot nach Paragraf 176 des Baugesetzbuches den Eigentümer zwar, innerhalb einer angemessenen Frist sein Grundstück zu bebauen oder ein vorhandenes Gebäude anzupassen. "Praktisch angewendet wird das Gebot jedoch nicht, beziehungsweise verläuft die Anwendung nach unseren Erfahrungen nahezu immer im Sande. Deswegen wird das Baugebot auch in Städten mit angespanntem Wohnungsmärkten kaum eingesetzt."Oft müsse die wirtschaftliche Zumutbarkeit des Eigentümers berücksichtigt werden. Auch andere Paragrafen seien in der Praxis meist schwer umsetzbar. Oft habe eine Kommune nur die Möglichkeit, das Gebäude zu sichern, um Gefahren abzuwehren. Ob die Zahl der Schrottimmobilien in den sächsischen Kommunen zunimmt oder sich die Lage entspannt, werde vom Ministerium nicht erfasst, hieß es.

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