Absackende Gleise
Tunnelbau bei Rastatt wird für die Bahn zum Problem
von:Julia Giertz und Jürgen Ruf
Rastatt . – Schienen sacken gefährlich ab, auf der Rheintalbahn bei Rastatt geht seither nichts mehr. Probleme bereitet der Bahn ein Tunnelbau. Kritiker sehen sich bestätigt. Und Reisende brauchen Geduld. Nach dem plötzlichen Absacken der Schienen auf der Rheintalbahn bei Rastatt kämpft die Deutsche Bahn mit den Auswirkungen des Unglücks. Die Bahnstrecke zwischen Rastatt und Baden-Baden werde mindestens bis zum 26. August gesperrt bleiben, teilte die Deutsche Bahn mit. Reisende müssen für die rd. 20 km auf Busse umsteigen. Kritik wurde am Krisenmanagement und an der Informationspolitik der Bahn laut. Gerätselt wird unterdessen über die Unglücksursache. Die Bahn selbst machte dazu auch auf Nachfrage keine konkreten Aussagen.Die Rheintalbahn, also die Verbindung Karlsruhe–Basel, ist den Angaben zufolge mit mehr als 250 Zügen täglich eine der meistbefahrenen Schienenstrecken und bedeutendste Güterbahntrasse in Deutschland. Sie wird derzeit ausgebaut. Die beiden Gleise der Rheintalbahn hatten sich bei Rastatt gefährlich abgesenkt, die Strecke wurde daraufhin gesperrt. Auslöser waren den Angaben zufolge technische Probleme bei Bauarbeiten an einem Eisenbahntunnel in unmittelbarer Nähe der Bahnstrecke. Diese lösten Erdbewegungen aus, die Schienen verloren so Untergrund. Vier Einfamilienhäuser in der Nähe wurden aus Sicherheitsgründen geräumt, wie Anfang der Woche Stadt und Polizei bestätigten. Die Bewohner kamen in Hotels unter.Ein Sprecher der für den Bahnverkehr zuständigen Bundespolizei sagte, das Umsteigen der Reisenden aus dem Zug auf Busse funktioniere inzwischen. Es stünden genügend Busse bereit. Reisende auf diesem Streckenabschnitt müssen nach Angaben der Deutschen Bahn allerdings mit Verzögerungen von mindestens einer Stunde rechnen. Probleme hat die Bahn beim Güterverkehr. Für Güterzüge ist auf der international bedeutenden Strecke seit dem Unglück kein Durchkommen mehr.Nähere Angaben zur Unglücksursache machte die Bahn zunächst nicht. Ende Juli hatte sie mitgeteilt, dass sie beim Tunnelbau in Rastatt eine neuartige Methode der Vereisung nutze. Eine Kühlflüssigkeit werde mit einer Temperatur von bis zu –33 °C in Gefrierrohre eingelassen, diese kämen in die Erde. So werde dem Boden Wärme entzogen, um die Rohre bilde sich ein Eisring. Dieser stabilisiere den sandigen Untergrund und verhindere ein Absacken des Bodens. Dies diene dem Stabilisieren der bestehenden Bahnstrecke, wenn unter ihr am Tunnel gebaut werde. Ob es dabei zu Problemen kam, wollte die Bahn Anfang der Woche nicht bestätigen.Die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 warfen der Bahn nach dem Unglück eine zu hohe Risikobereitschaft vor. "Ich bin der Auffassung, dass man die ganzen Risiken, die man kennen müsste, systematisch unterschätzt und eventuell die Wirksamkeit der Maßnahmen dagegen überschätzt", sagte Roland Morlock von den Ingenieuren 22, die sich aus Sicht ihres Berufsstandes mit der Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart befassen. Dieses Verhalten gelte für den Ausbau der Rheintalbahn wie für Stuttgart 21. "Bei Baumaßnahmen passiert es schon einmal, dass das Unmögliche doch eintritt", betonte der Physiker. Offensichtlich habe die Bahn für diesen Fall aber keinen Plan B. Aussagen der Bahn, sie habe alles im Griff, glaube er nicht mehr. Bei Stuttgart 21 sehen die Gegner des Bahnprojekts eines der Hauptrisiken im Tunnelbau durch quellfähigen Anhydrit.Der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Eisenhart von Loeper, hält die Gefahrenabwehr bei der Bahn für zu gering, insbesondere wenn Menschleben gefährdet sein könnten. Er sehe da nicht nur die Bahn, sondern auch das Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde in der Verantwortung.Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte das Krisenmanagement des Bahn-Konzerns. "Die Bahn hat nicht professionell über den Vorgang informiert", sagte Karl-Peter Naumann, Sprecher des Bundesverbandes in Berlin, am Montag. Die Kunden müssten sowohl Informationen über Ersatzverkehr erhalten als auch ehrliche Auskünfte, wenn sich keine Lösungen abzeichneten. Am Sonntagabend habe es weder im Newsletter für Stammkunden noch in den Informationen zu Bauarbeiten eine Meldung zu der Sperrung gegeben. "Das sollte heutzutage nicht mehr passieren", sagte Naumann. "Die Bahn hat ihre Kunden weitgehend im Regen stehen lassen."Dieser Kritik schloss sich die Stadt Rastatt an. Offizielle Informationen der Bahn an die Betroffenen vor Ort habe es bislang nicht gegeben, erklärte eine Sprecherin des Rathauses zu Beginn der Woche.Gerhard Stolz vom Regionalverband Pro Bahn Mittlerer Oberrhein verwies auf eine generelle Vernachlässigung des Schienenverkehrs. Deshalb sei im Ernstfall – wie jetzt in Rastatt – keine Ausweichmöglichkeit mehr vorhanden, etwa durch Frankreich.