Alles im Fluss

Stromkabel auf Hallig neu verlegt

Tracto-Technik Grabenloses Bauen
Der Pontoon-Bagger setzt den Verbaurahmen für die Zielgrube im Watt bei Ebbe ein. Fotos: Tracto-Technik

Lennestadt/Pellworm (ABZ). – Himmel und Meer, Wiesenund Schafe soweit das Auge reicht. Die Hallig Nordstrandischmoor ist eine von zehn kleinen Marschinseln rundum die nordfriesische Insel Pellworm im Nationalpark Wattenmeer. Die von den Gezeiten geprägte, ursprüngliche Landschaft ist das vogelreichste Gebiet Europas und Deutschlands bedeutendster Naturraum. Jeder Eingriff in dieses hochsensible Ökosystem unterliegt strengen Auflagen. Das galt im besonderen für die Erneuerung der Stromversorgung der Hallig, bei der die umweltschonende HDD-Technik zum Einsatz kam. Nordstrandischmoor liegt nur wenige Meter oberhalb des Meeresspiegels und wird durch Sturmfluten regelmäßig überschwemmt. Zum Schutz davor stehen die wenigen Häuser der insgesamt 22 Bewohner der knapp 2 km² großen Hallig auf künstlich aufgeschütteten Hügeln, den sogenannten Warften. Der Weg dorthin führt ausschließlich übers Wasser – entweder bei Flut mit dem Schiff zum Anleger im Süden oder mit der Schienenbahn in der offenen Lore über den Damm vom Festland durchs Watt zur Ostseite der Marschinsel.

Weil die Stromversorgung nicht mehr störungsfrei lief, entschloss sich der Betreiber, die Schleswig-Holstein Netz AG, das 20-kV-Stromkabel zu erneuern. Die Trasse verläuft vom Umspannwerk in Breklum auf dem Festland bis zum Seedeich in Lüttmoorsiel und von da aus entlang des Lorendamms durchs Wattenmeer nach Nordstrandischmoor, wo das Kabel am nördlichsten Punkt der Hallig anlandet. Von dort führt die Trasse weiter quer über die Hallig zur Transformatorenstation auf der Amalienwarft und anschließend weiter zum Segelhafen am Westende von Nordstrandischmoor, wo der Punkt für den Anschluss an das vorhandene Seekabel nach Pellworm liegt.

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Tracto-Technik Grabenloses Bauen
Der Rohrstrang wird über den Uferdamm gehoben und vorsichtig zur Zielgrube gezogen.

Das Festland-Kabel nach Lüttmoorsiel wurde schon 2013 neu gelegt. Auf Nordstrandischmoor selbst sollte das Kabel im offenen Graben parallel zu den befestigten Wegen durch die Salzwiesen gelegt werden. Die Bohrungen für die Anladung des Kabels sowie für die Anbindung der Transformatorstation auf der Amalienwarft und notwendige Unterquerungen entlang der offenen Trasse sollten jedoch im HDD-Verfahren ausgeführt werden. Den Zuschlag für die komplette Neulegung einschließlich Wiederinstandsetzung der Salzwiesen und Rückbau des alten Stromkabels bekam im Frühjahr 2016 das Rohrleitungsbauunternehmen Paasch aus dem schleswig-holsteinischen Damendorf, das schon viele anspruchsvolle Tiefbauprojekte in den norddeutschen Küstenregionen erfolgreich geplant und durchgeführt hat. Für die Anlandungsbohrung sollte mit dem Grundorill 15XP ein 70 m langes HDPE-Schutzrohr DA 225 mm durchs Watt unter dem Uferdamm her auf die Hallig gelegt werden. Für die Hin- und Rückführung des Kabels zur Transformatorenstation waren 2x4-Leerrohre (3x DA 90, 1x DA 50 DA) grabenlos im Bündel den Hügel hinauf und wieder hinunter zu verlegen. Dafür war der Grundorill 4X vorgesehen, weil das Gewicht dieses kleinen HDD-Systems die für die betonierten Wege und Brücken zulässige Gesamtlast von 3,5 t nicht überschreitet. Mit dem Grundorill 4X sollten außerdem einige Wasserläufe, die die offene Trasse kreuzen, unterquert werden. Alle Arbeiten mussten in einem festen Zeitrahmen von Mitte Juli bis Ende September erledigt werden und waren dabei abhängig von den Gezeiten und vom Wetter, dass dort relativ schnell umschlagen kann. Am 15. Juli wurde das gesamte Equipment mit dem Frachtschiff "Catjan" zum Seehafen von Nordstrandischmoor gebracht und die Anladungsbohrung vorbereitet. Auf der Baustelle hinter dem Deich wurde eine kleine Startgrube von ca. 0,7 m x 1,5 m ausgehoben, der Zielpunkt im Watt wur-de markiert und die einzelnen Rohrsegmente vor Ort zu einem 70 m langen Strang zusammengeschweißt. Am 17. Juli wurde planmäßig mit der Pilotbohrung begonnen. Die Bohrtrasse verlief über ca. 20 m bis auf 4,5 m Tiefe unter dem Uferdamm und über weitere 50 m in ca. 2 m Tiefe durchs Watt. Der Marschboden, aus dem die ganze Hallig besteht, ist im Laufe von Jahrtausenden durch angeschwemmte Meeresablagerung auf dem ehemaligen Moor entstanden. Auf diesem Schlick siedeln sich blattlose Pflanzen an, auf denen die Salzwiesen wachsen. So entsteht ein fetter, fruchtbarer Boden, der in bis zu 2 m Tiefe überwiegend aus altem Klei und Torf mit teilweise feinsandiger Oberfläche besteht. Wegen seiner Bindigkeit wird er auch zum Deichbau und zum Bau der Warften benutzt. Sensible Bedingungen, aber kein Problem für Geräteführer Andy Strasser und den 15XP. Mit einem speziell angepassten Bohrkopf vom Typ SDH mit Steuerplatte "à la Paasch" war der 70 m entfernte Zielpunkt im Wattenmeer nach gut einer Stunde erreicht.

Der Rohreinzug konnte erst am nächsten Tag erfolgen, weil das Ausheben und Verbauen der Zielgrube nur im trockenen Watt bei Ebbe innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne möglich war. Denn das Watt fällt durch die Gezeiten innerhalb von 24 Std. zweimal trocken und wird auch zweimal wieder überflutet. Am folgenden Morgen um 4.00 Uhr früh rückte ein Pontoon-Bagger an, um die Zielgrube auszuheben und zu sichern. Der Bohrkopf wurde durch einen BackreamerØ 300 mm ausgetauscht und der am Ufer ausgelegte Rohrstrang vorsichtig mit einem kleinen Bagger über den Damm zur Zielgrube gehoben und angeschlossen. Die Bohrspülung wurde abgesaugt und zwecks Aufbereitung zu einer mobilen Recyclinganlage vom Typ AMC SRU-500 auf dem Festland befördert, um Ausbläser durch Rückstände zu vermeiden.

Die Zugkräfte des Grundorill 15XP waren mehr als ausreichend, um den Rohrstrang problemlos einzuziehen. Nach knapp 2 Std. war das 70 m lange Schutzrohr gelegt und wurde verpresst, damit die Leitung bei Überflutungen nicht in dem wasserhaltigen Boden "schwimmt". Zu guter Letzt wurde die Zielgrube mit dem ausgehobenen Boden verfüllt und die Grasnarbe wieder eingesetzt. Die Anlandungsbohrung war komplett. Danach stand die grabenlose Legung der Kabelschutzrohre zur gerade neu gebauten Transformatorenstation auf der Amalienwarft an. Weil der Rücktransports der 15XP durch das Frachtschiff um eine Woche verschoben worden war, kam Projektleiter Martin Paasch spontan die Idee, die insgesamt acht Leerrohre nicht einzeln mit dem Grundorill 4X, sondern in zwei Bündeln à vier Rohren jeweils die Warft hinauf und herunter mit dem Grundorill 15XP zu legen. Wegen seines Gesamtgewichts von knapp 11 t durfte der 15XP nicht über die befestigten Wege gefahren werden, aber Halliglandwirt Nommen Kruse hatte nichts dagegen, das Bohrgerät über seine Salzwiesen fahren zu lassen. Auch der Auftraggeber und die Bauüberwacher vom Büro für Freilandöko-logie und Naturschutzplanung gaben ihr Einverständnis und los ging es. Die Verlegung der zwei Rohrbündel, bestehend aus je drei Rohren DA 90 und einem Rohr DA 50 über jeweils 78 m Länge war innerhalb von zwei Tagen erledigt.

Durch den Einsatz des größeren Bohrgeräts wurden knapp zwei Tage eingespart. Nun folgte die offene Legung des Kabelschutzrohrs vom Anlandungspunkt am Deich zum Seehafen mit dem Minibagger.

Für die Düker unter den "Prielen" genannten Wasserläufen, die die Trasse kreuzen, kam wie geplant der Grundorill 4X zum Einsatz. Priele sind flussartige Ausläufer des Wattenmeers, die die Salzwiesen durchziehen. Sie sind auch bei Ebbe mit Wasser gefüllt und bieten Meerestieren und Fischen Zuflucht bis zur nächsten Flut. Insgesamt neun solcher Priele waren auf der alles in allem rd.3 km langen Trasse auf einer Gesamtlänge von 230 m zu unterqueren.

Nach einer dreitägigen Unterbrechung durch eine Sturmflut Anfang August gingen die Arbeiten so zügig voran, dass das Ziel im Segelhafen schon am 2. September erreicht wurde. Damit war die Legung der Schutzrohre komplett. Jetzt galt es noch das neue Kabel in die Schutzrohre einzuziehen, die Salzwiesen wieder instand zu setzen, die Funktion des neuen Stromkabels zu prüfen, die Zugkräfte zu dokumentieren und das alte Kabel zurückzubauen. Der Einzug des neuen 20-kV-Kabels erfolgte mit Hilfeeiner Kabelziehwinde, mit der auch die Zugkräfte dokumentiert wurden. Die Prüfung ergab volle Funktionstüchtigkeit und im letzten Arbeitsschritt wurde das alte Kabelsystem, beginnend auf dem Festland in Lüttmoorsiel, vollständig zurückgebaut. Die neue Stromleitung konn-te ganze zwei Wochen vor Fristende in Betrieb genommen werden. Der Auftraggeber Schleswig-Holstein Netze ist mehr als zufrieden mit dem reibungslosen Projektverlauf und der technisch einwandfreien Ausführung. Martin Paasch und seine Leute sind zu Recht stolz auf den erfolgreichen Abschluss dieses nicht alltäglichen Projekts und die Bewohner von Nordstrandischmoor freuen sich, dass der Strom wieder ohne Unterbrechung vom Festland fließt. Wir sind auch begeistert. Nur den Schafen ist das alles völlig egal.

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