Arbeitsmarkt

Geflüchtet, weiblich, gut ausgebildet, arbeitssuchend

von: Hannah Wagner

Hamburg. - Auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist für viele geflüchtete Menschen eine Herausforderung. Frauen haben es oft besonders schwer. Doch es gibt auch Erfolgsbeispiele. Lena Muzainis Tagesablauf hat es in sich: Gegen 4.30 Uhr steht die 40-Jährige auf, um 5.30 Uhr verlässt sie das Haus. Um 7.00 Uhr ist sie auf der Arbeit, um 17.30 Uhr wieder zuhause. Dann kocht sie Abendessen für ihre Kinder und wenn die im Bett sind, geht sie ins Fitnessstudio – jeden Tag. Oft schlafe sie nur 4 Std. pro Nacht, erzählt die alleinerziehende Mutter von vier Kindern. „Manchmal fühle ich mich wie ein Roboter“, sagt sie und lacht. Muzaini ist aus dem Gaza-Streifen geflüchtet, seit 2015 lebt die Palästinenserin in Deutschland. Fünf Jahre lang war sie mit ihren Kindern unterwegs gewesen. Zu Fuß und mit dem Flugzeug gelangten sie über Ägypten, Libyen, Jordanien, Rumänien, Österreich und Dänemark in die Bundesrepublik. Als sie Gaza verließ, war Muzaini schwanger. Ihr jüngstes Kind kam auf der Flucht zur Welt. Seit mehr als 1,5 Jahren arbeitet Muzaini nun als Ingenieurin im Hamburger Hafen. Als Muzaini an diesem Morgen mit Warnweste und weißem Helm auf dem Kopf über die Baustelle stapft, scheint die Sonne. Wenige Meter hinter ihr ragen die Pfeiler der neuen Kattwyk- Brücke in die Höhe, die ab 2020 über die Süderelbe führen soll. Als Mitglied eines Überwachungsteams kontrolliert Muzaini u. a., ob die Arbeiten am neuen Betriebsgebäude fristgerecht vorangehen. Im vergangenen Herbst ist ihr Vertrag bei der Hamburg Port Authority entfristet worden. Muzainis Karriere in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte, aber bei weitem kein repräsentatives Beispiel. Geflüchtete Frauen hätten es bei der Jobsuche oft doppelt schwer, erklärt Ramona López, die als Jobcoach für Migranten in Kiel arbeitet. Zum einen stünden sie häufig vor klassischen Flüchtlings- Problemen wie mangelnden Sprachkenntnissen und Beschränkungen beim Arbeitsmarktzugang. „Und dann eben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – so wie es halt hier für die Frauen auch ist.“ Frauen bräuchten deshalb häufig auch Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Hier müsse von staatlicher Seite noch mehr angeboten werden. In Hamburg wurden im Mai 345 Fälle registriert, in denen Geflüchteten der Sprung aus der Arbeitslosigkeit in den ersten Arbeitsmarkt gelang – davon waren nur rd. 11,6 % Frauen, wie aus einer Berechnung auf Grundlagen von Zahlen der Arbeitsagentur für Arbeit hervorgeht. In Schleswig-Holstein und in Mecklenburg- Vorpommern war der Frauen-Anteil mit 9 und 9,3 % noch geringer. Auch in den Vergleichsmonaten der beiden Vorjahre war er in keinem der Länder wesentlich höher gewesen. In dieser Statistik werden allerdings nur Menschen erfasst, die zuvor arbeitslos gemeldet waren. Der Aufenthaltsstatus eines Mitarbeiters muss dem Arbeitgeber nicht gemeldet werden. Deshalb kann nicht erfasst werden, wie viele Geflüchtete tatsächlich einen Job haben – und in welchem Verhältnis dieser Wert zur Anzahl der erwerbsfähigen Frauen und Männer steht. In dieser Hinsicht aussagekräftiger ist eine Umfrage, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) durchführt, deren Ergebnisse allerdings erst mit zeitlicher Verzögerung und nicht nach Bundesländern aufgeschlüsselt präsentiert werden. Demnach waren im zweiten Halbjahr 2017 deutschlandweit 27 % der geflüchteten Männer und nur 6 % der geflüchteten Frauen erwerbstätig. Das IAB begründet diesen Unterschied u. a. damit, dass geflüchtete Frauen häufiger als Männer in einem Haushalt mit Kleinkindern leben, um die sie sich kümmern müssen. „Anders als häufig angenommen, finden wir eine starke Erwerbsneigung von Frauen. Konservative Werte finden wir zwar im Familienkontext, nicht aber in Hinblick auf die Arbeitsmarktintegration“, erklärt Herbert Brücker, der den Bericht mitverfasst hat. Auch das Bildungsgefälle zwischen Frauen und Männern sei nicht drastisch. Für Lena Muzaini war ihre Rolle als alleinerziehende Mutter laut eigener Aussage aber nicht die größte Herausforderung bei der Jobsuche. Vielmehr habe es ihr zu schaffen gemacht, dass sie sich mitunter doppelt unterschätzt fühlte – als Frau und als Flüchtling. Mit einem Job, für den sie überqualifiziert gewesen sei, habe sie sich etwa nicht abspeisen lassen wollen, erklärt sie. „Ich habe viele Klinken geputzt. Ich war beharrlich und habe gekämpft.“ All das habe sie gerne in Kauf genommen, um eine Arbeit zu finden, mit der sie ihre Kinder versorgen und ihnen eine Zukunft fernab der krisengeschüttelten Heimat bieten könne. Seit sie im Hamburger Hafen arbeite, habe sie aber auch viele positive Erfahrungen gemacht, berichtet sie. In Palästina sei sie etwa als Frau in einem männerdominierten Arbeitsumfeld immer wieder belästigt worden: „Männer hielten extra mit ihrem Auto an, um mich anzuschauen. Ich fühlte mich wie ein Affe im Zoo.“ Auf der deutschen Baustelle sei das anders: „Ich kann draußen zu einem Typen hingehen und sagen: „Du machst das falsch“ und er wird mit mir wie mit einem normalen Menschen sprechen und sich nicht angegriffen fühlen.“ Ob und wie lange Muzaini in Deutschland bleiben darf, ist unklar; ihr Asylverfahren läuft noch. Doch die 40-Jährige ist zuversichtlich, dass sie auch diese Hürde noch nehmen wird. Sie habe schließlich schon so viele Situation gemeistert, in denen sie am liebsten aufgegeben hatte, sagt sie. Auf ihrem rechten Unterarm trägt sie seit kurzem ein Tattoo: „Never give up“ steht da in schnörkeliger schwarzer Schrift – „Gib niemals auf“.

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