Bahnhof Liége-Guillemins

Rhythmen aus Stahl, Glas und hellem Beton erstellt

Bahnhofsbau Architektur
Ankunft auf dem Gare Liége-Guillemins: Die fast 200 m überspannende Dachkonstruktion wirkt trotz ihres Gewichts äußerst filigran. Ein Thalys- oder ICE-Zug findet darunter in voller Länge Platz.

LÜTTICH/BELGIEN (ABZ). - Die Möglichkeit, mit wenig unterschiedlichen Rohr- und Profilquerschnitten homogene, schlanke Tragwerke zu erstellen, nutzen progressive Architekten und Ingenieure mit Vorliebe bei spektakulären Tragkonstruktionen für Hallen, Stadiendächer und Brücken.

Ein weiteres Exempel konstruktiver Baukunst unter Einsatz von MSH-Profilen lieferte Stararchitekt Santiago Calatrava mit dem jüngst eingeweihten Gare Liége-Guillemins – ein Verkehrsprojekt mit übergeordneter symbolischer Ausstrahlung für den urbanen Neuanfang in Lüttich/Belgien. In elegantem Bogen wölbt sich eine monumentale Welle aus Stahl, Glas und Beton parallel zu den Fahrtrichtungen über die Gleise des neuen Gare Liége-Guillemins. Die parallele Anordnung war notwendig, um das Haupttragwerk nach und nach vom Vorplatz aus mittels einer stützenden Hilfskonstruktion über die Gleise schieben zu können. Denn während der Erstellung des Gebäudes sollte der Bahnbetrieb nahezu uneingeschränkt aufrecht erhalten bleiben. Um die neun Gleise samt der beiden Eingangsbereiche großzügig aufzunehmen, benötigt die gigantische Dachkonstruktion eine Breite von 160 m und 196 m Länge – ausreichend, um einfahrende TGV/ Thalys- oder ICE-Züge in voller Länge zu überdecken. Dass die gewaltige Halle mit einer Dachfläche von 33.000 m² trotz ihres Gewichts dennoch äußerst filigran wirkt, verdankt sie der mit 2 m Abstand verhältnismäßig engen Reihung der Bögen, wodurch die Hauptträger – ausgesteift mit dünnen Querriegeln – extrem schlank gehalten werden konnten.

Aus den Rhythmen von Glas, Stahl und hellem Beton entwickeln sich fast unmerklich die seitlichen Vordächer, die über dem Eingang zur Bahnhofspassage bis auf 45 m über den Vorplatz auskragen. Wie der Schirm einer Mütze sind sie nahtlos an das Hauptdach angesetzt und werden von den weit geschwungenen, eleganten Bögen aus MSH-Profilen von V & M Tubes begrenzt. Auf den Kopf gestellte Pyramiden verankern die aus 39 Stahlbögen bestehende, bis fast 40 m über die Gleise ansteigende Gewölbekonstruktion auf dem Boden, während sich die über die gesamte Hallenlänge gespannten vier Bogenträger im Bereich der auskragenden Dachwölbungen auf spektakulär verzweigte Betonwiderlager stützen. Dies erweckt den Eindruck einer nur vorübergehend hier gelandeten Raumstation, was die Dynamik, die Flexibilität und das Tempo dieser Zeit zusätzlich unterstreicht. Durch den Verzicht auf eine Fassade im herkömmlichen Sinne wirkt das Bahnhofsgewölbe optisch zu allen Seiten hin geöffnet. Überall in der Station trifft man auf kantenlos geschwungene, organische Formen, die als Markenzeichen des Skulpteurs und Ingenieurs Calatrava gelten. Auch die 71 Fahrleitungsmasten an den Gleisen wurden von Calatrava speziell für den Gare Liège-Guillemins entworfen. Wie die übrigen technischen Elemente sind sie in unauffälligem Grau gehalten, um sie von den architektonischen Elementen optisch zu trennen.

Teile der Böden auf dem Vorplatz und den fünf Bahnsteigen werden durch große Glasbausteinflächen gebildet, die die darunter liegende Passage mit Tageslicht versorgen. Neben Fußgängern nutzen die Passage auch Radfahrer, und sie soll demnächst sogar Raum für Konzerte und Kunstausstellungen bieten. Neben großzügigen Rolltreppen befördern von dort die rohrförmigen, hydraulisch betriebenen Panoramaaufzüge den Personentransfer zwischen den drei Ebenen. Die Plattformen, Wege und Bahnsteige sind mit kristallzuckerblauem Stein aus Belgien (Hennegau) bedeckt, während die Böden der Außenflächen in glimmerhaltigem Condroz-Sandstein mit weißen Granit-Inlays die Form des Bahnhofs betonen. Überall herrschen Helligkeit und Übersichtlichkeit, die laut Calatrava neben ihrer ästhetischen Wirkung auch Orientierung und Sicherheit bieten sollen. Zwar wurden auch Überwachungskameras installiert, doch das Sicherheitsgefühl basiert vor allem auf Überschaubarkeit und Klarheit auf dem gesamten Bahnhof. Das Objekt gibt sich insgesamt so transparent, dass es am Tage kaum einer zusätzlichen Beleuchtung bedarf. Selbst in der Passage wurden durch die geschickte Tageslichtführung und eine helle Farbgestaltung dunkle Ecken und tote Winkel vermieden. Es entstand ein von Mauern und optischen Hindernissen ungetrübtes Ambiente, das von rhythmischen Strukturen, Transparenz und Kommunikation geprägt ist – laut Calatrava, der in Lissabon, Zürich und Lyon ähnlich imposante Großbahnhöfe schuf, zählen diese Faktoren bei jeder Bahnhofsgestaltung zu den elementaren Voraussetzungen.

Bereits zwischen Oktober 2002 und Mit-te 2006 wurden für das Großprojekt Gare Liége-Guillemins im Rahmen von sieben Lieferaufträgen rund 2500 t kreisförmige MSH-Profile in den Güten S 355 J2H, S 355 J2H und S460 NLH geliefert. In Durchmessern zwischen 120 und 660 mm kamen die Stahlbau-Hohlprofile mit Wanddicken zwischen 4 und 80 mm vornehmlich als konstruktive Elemente der äußeren Bögen der Wetterschutz-Vordächer jeweils auf der Stadt- und der Hügelseite zu Einsatz. Produziert wurden die MSH-Profile in der Stopfen- und Pilgerstraße am V&M-Tubes-Standort Düsseldorf-Rath sowie in der Rohrkontistraße in Mülheim an der Ruhr. Die Lieferung erfolgte über ThyssenKrupp Mannex in Madrid.

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