Bahnstrecke Wendlingen–Ulm

Flüssigboden hilft enge Arbeitsräume auf wirtschaftliche Weise zu verfüllen

Wendlingen/Ulm (ABZ). – Mit dem Neubau der Bahnstrecke Wendlingen–Ulm, die für Tempo 250 ausgelegt ist, schafft die Bahn die Basis für attraktivere Reisezeiten in ganz Baden-Württemberg, Deutschland und Europa.
Tunnelbau
Aus der Vogelperspektive sind die schmalen Arbeitsräume am Ostportal des Albvorlandtunnels besonders gut zu erkennen. Fotos: Fischer Weilheim

So wird die Fahrtzeit zwischen Stuttgart und Ulm im Fernverkehr auf eine halbe Stunde nahezu halbiert. Die Trasse folgt der parallel verlaufenden A 8, wobei die Hälfte der rund 60 km langen Strecke durch elf Tunnel führen wird. Einer davon ist der Albvorlandtunnel, der mit einer Länge von 8176 m einmal zu den zehn längsten Eisenbahntunneln Deutschlands zählen wird. Er unterfährt in Kirchheim unter Teck den Stadtteil Lindorf und die Anschlussstelle Kirchheim-Ost der A 8. Nach Abschluss der etwa zwei Jahre dauernden Tunnelvortriebsarbeiten, begannen 2021 die Rückbauarbeiten. Bei der Verfüllung des Ostendes des Tunnels, setzten die Verantwortlichen Planer auf den Einsatz von Flüssigboden.

Aus Mangel an einer senkrechten Anschlagwand, die für eine exakte Ausrichtung der Tunnelbohrmaschine erforderlich gewesen wäre, konnten die letzten 75 m am Ostportal des Tunnels nicht bergmännisch vorangetrieben, sondern mussten in offener Bauweise erstellt werden. Als Nachunternehmer der Implenia Construction GmbH war die Bauunternehmung Fischer Weilheim GmbH aus Weilheim an der Teck neben der Entsorgung und Verwertung des Tunnelausbruchsmaterials auch für sämtliche Erdarbeiten und somit auch für die Verfüllung der Arbeitsräume, die sich durch die offene Bauweise am Ostportal des Tunnels ergeben hatten, verantwortlich.

Während im Tunnelabschnitt der Grundwasserwanne aufgrund der großzügigen Platzverhältnisse die Arbeitsräume größtenteils konventionell lagenweise mit Großgeräten mit zwischengelagertem Aushubmaterial verdichtet werden konnten, entschied man sich am unmittelbaren Portalausgang für eine andere Lösung:

Im Bereich des Sonic-Boom-Bauwerks und der offenen Bauweise wurden die Arbeitsräume bis 1,3 m unter der Gebäudeoberkante mit Flüssigboden aufgefüllt. Die Restverfüllung der Arbeitsräume erfolgte konventionell in Sandwichbauweise. Christoph Schmidberger von der Bauunternehmung Fischer Weilheim GmbH aus Weilheim an der Teck beschreibt die Maßnahme: "Ein wesentlicher Grund für den Einsatz von Flüssigboden lag darin, dass wir es insbesondere im Bereich des Sonic-Boom-Tunnelabschnitts entlang der Bohrpfahlwand im Bereich der Brücke über die A 8 und im Bereich des Treppenhauses an der Südseite des Tunnels mit einem nur 90 Zentimeter breiten und etwa 12 Meter Tiefen Arbeitsraum zu tun hatten. Eine konventionelle Verfüllung der Arbeitsräume wäre hier zwar theoretisch machbar gewesen, hätte jedoch einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand bedeutet. Im Gegensatz dazu ist der Einsatz von Flüssigboden setzungsfrei, denn er verdichtet sehr kompakt. Deshalb kann ich mir beim Einsatz von Flüssigböden eine Nachverdichtung sparen", erklärt Bauleiter Schmidberger.

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Tunnelbau
Im Bereich des Sonic-Boom-Bauwerks wurden die teilweise sehr engen Arbeitsräume bis 1,3 m unter der Gebäudeoberkante mit Flüssigboden aufgefüllt.

Unter Flüssigboden versteht man zeitweise fließfähige, selbstverdichtende Verfüllbaustoffe (ZFSV) auf Basis von aufbereitetem Erdaushub, geprüften Recyclingbaustoffen oder natürlichen beziehungsweise aufbereiteten Sand-Kies-Gemischen unter Zugabe definierter Additive und Wasser. Durchgeführt hat die Arbeiten das Unternehmen Erdbau Kuhn aus Kirchardt. Zum Einsatz kam dabei eine mobile Dosieranlage, die den Aushub vor Ort als Flüssigboden aufbereitet.

Uwe Kuhn: "Hierfür bot die Baustelle zum Glück ausreichend Platz. Weil der Flüssigboden unmittelbar auf der Baustelle produziert wurde, waren daher die Transportwege der Materialien sehr kurz und eine einfache und direkte Kommunikation aller Beteiligten möglich – ein echter Vorteil, der sicher den Bauablauf positiv beeinflusst hat", so Kuhn. Bei dem Ausgangsboden, der hier für den Flüssigboden zum Einsatz kam, handelt es sich zu großen Teilen um Boden, der direkt Vorort wieder verwendet werden konnte und nicht aufwändig entsorgt werden musste. Dies sparte wertvolle Ressourcen und Deponieraum. Der restliche Ausgangsboden war ein vor Ort aufbereiteter Lösslehm von einer Baumaßnahme aus Stuttgart-Plieningen.

Uwe Kuhn erläutert den Einbau des Flüssigbodens: "Der Einbau von Flüssigboden erfolgt aufgrund der Abbindezeiten des Bodens immer schrittweise: Verpressanker, welche die Bohrpfähle im dahinter anstehenden Boden rückverankern, müssen in Abhängigkeit vom Stand der Verfüllung gelöst werden. Ebenso sind auch die Trägerbohlwände schrittweise rückzubauen. Das Holz des Verbaus darf nicht im Boden verbleiben, sondern sollte im Zuge des Einbaus des Flüssigbodens ausgebaut werden. Deshalb haben wir den Ablauf in einem Zwei-Wochen-Rhythmus getaktet: Während einer Woche wurde der Flüssigboden eingebaut. Nachdem sich dieser über das Wochenende verfestigen konnte, war dieser ab montags begehbar, so dass die Verbaue demontiert und die Verpressanker gelöst werden konnten", erläutert Kuhn.

Um den bisher noch nicht genormten Baustoff Flüssigboden mit einer transparenten und zielgerichteten Qualitäts-sicherung am Markt zu platzieren, hat sich seit dem Jahre 2010 die Bundesqualitätsgemeinschaft Flüssigböden e. V. (BQF) das Ziel gesetzt, Richtlinien für diese Qualitätssicherung zu definieren und deren Umsetzung in der Praxis sicherzustellen. Hierzu erklärt Kuhn: "Seit 2018 ist das Unternehmen Erdbau Kuhn Mitglied bei der BQF. Für eine erfolgreiche Vermarktung dieses noch recht neuen Produktes war es für uns wichtig, einen Produktstandard zu definieren. Diesen versprechen wir uns durch das BQF-Qualitätszeichen, das wir im September 2019 verliehen bekommen haben."

Eingebaut wurde der Flüssigboden im Frühjahr 2021 an 27 Tagen jeweils mit bis zu vier Fahrmischern und einer Betonpumpe. Das Gesamtvolumen an Flüssigboden betrug 4500 m³ bei einer maximalen Tagesleistung von bis zu 300 m³. Die Länge der Arbeitsräume betrug insgesamt 185 m je Seite. (Offene Bauweise = 75 m, Sonic-Boom-Bauwerk = 50 m, Grundwasserwanne = 60 m) Die Bahn plant die Fertigstellung der Bahnstrecke Wendlingen–Ulm bis Ende 2022. Christoph Schmidberger zeigt sich zufrieden: "Mit der Flüssigbodenlösung haben wir auch für künftige ähnliche Projekte eine gute Lösung gefunden, um enge Arbeitsräume auf wirtschaftliche Weise zu verfüllen."

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