Bau der Erdgastraße Opal in Sachsen

Untergrund birgt für Pipelinebauer so manche Überraschung

von:

Sönke PETERSEN

Pipelinebau Rohr- und Leitungsbau
Die 36 Meter breite Trasse verläuft – meist gut erkennbar als "braunes Band" – über Felder und Wiesen. Außerdem quert sie Straßen, Wege und Wasserläufe. Außerdem führt die Pipeline noch durch bebautes Gebiet – ungewohnt beengte Verhältnisse für Planer und Arbeiter.
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Bohrung im Fels: Wegen des steinigen Grunds auf diesem Los-14-Abschnitt können nicht überall Gräben ausgehoben werden. Um wie hier bei Lichtenberg in der Nähe eines geschützten Natura-2000-Gebiets arbeiten zu können, musste eine temporäre Brücke über das Flüsschen Freiberger Mulde errichtet werden. Fotos: Petersen
Pipelinebau Rohr- und Leitungsbau
Verantworten ein aufwändiges Großprojekt (v. li.): Projektleiter Thomas Garçon vom Bauunternehmen Max Streicher aus Deggendorf, Markus Neumer, Mitglied der Bauleitung des Bauherren Wingas, sowie Marco Breiding, Hauptreferent Trassenengineering bei Wingas.
Pipelinebau Rohr- und Leitungsbau
Blick hinunter nach Olbernhau: Durch diesen Ort führt die Trasse und dann weiter in die Tschechische Republik.

OLBERNHAU - "Das Los 14 von Lichtenberg nach Olbernhau hat es in sich" – Thomas Garçon, Projektleiter vom Bauunternehmen Max Streicher aus Deggendorf, und seine Mitarbeiter müssen am knapp 31 Kilometer langen Abschnitt der "Ostsee-Pipeline-Anbindungs-Leitung" (Opal) im südlichen Sachsen so einige Herausforderungen meistern.

. – Zu denen gehört neben dem sehr felsigen Grund das bergige Geländeprofil. Daher fordert er immer mal wieder den Bohrtrupp an: "Bei bindigen Böden bohren wir bis zu 20 Meter am Tag, bei felsigen zwei bis drei."

Nicht nur bezüglich der Bodenbeschaffenheit muss sich die Mannschaft um Garçon immer wieder auf Überraschungen einstellen. So hatten sich die Pipelineplaner vor Baustart bei den Leitungsbetreibern eingehend über den Verlauf von Kabel- und Rohrleitungen auf der künftigen Trasse informiert und Pläne erstellt, um Schäden im Zuge der Arbeiten zu vermeiden. Doch viele Fremdleitungen lagen entweder nicht dort, wo sie laut den Plänen eigentlich liegen sollten, oder sie waren nirgends vermerkt. "Dass man auf Leitungen trifft, die in keiner Karte verzeichnet sind, ist eher die Regel als die Ausnahme", erklärt der Bauingenieur. Wie praktisch alle Arbeitsschritte lässt er auch die tatsächlichen Leitungsverläufe dokumentieren: "Unsere Daten sind absolut verlässlich."

Auch sonst ist der Aufwand immens. Beispielsweise wird Wiederverwertung auf der Baustelle großgeschrieben: Mit Kleemann und Sandvik hat das Bauunternehmen Streicher eigens für diese Baustelle einen raupenmobilen Zwei-Walzen-Brecher entwickelt, der auch bindiges Material verarbeiten kann. Der Prototyp, eine 365 Kilowatt starke 60-Tonnen-Anlage, ist bereits seit Januar im Einsatz, ein zweites, leicht modifiziertes Modell soll folgen. Dabei gewinnt nicht nur die Bodenqualität, sondern auch die Umwelt: "Dank des Brechers sparen wir etliche Lkw-Fahrten. Wir bereiten den anfallenden steinigen Grund zu 100 Prozent auf und benötigen nahezu kein Fremdmaterial."

Der derartig aufbereitete Aushub dient zum Verfüllen des Grabens, denn die Röhre beziehungsweise deren Ummantelung dürfen nicht beschädigt werden, etwa durch allzu grobkörniges Material. Lob gab es bereits von dritter Seite: "Die Landwirte sind mit der neuen Bodenqualität sehr zufrieden." Unter landwirtschaftlich genutzten Flächen wird das Rohr mindestens einen Meter über Scheitel verfüllt. Bei Gewässern, Wegen und Straßen wiederum liegt der Wert bei 1,50 Metern, meist mehr – je nach Rohrstatik, Bodenklasse etc. "Auf jeden Fall kalkulieren wir immer Sicherheitsreserven ein", unterstreicht der Projektleiter.

Neben dem Spezialbrecher fallen im Maschinenpark besonders die neun 90-Tonnen-Seitenbaumraupen ins Auge, die die bis zu 1500 Meter langen Rohrstränge in den Graben senken. Sie müssen Einiges an Gewicht bewegen: Die circa 18 Meter messenden Rohrstücke mit einem durchgehenden Durchmesser von 1,4 Metern wiegen 15,5 Tonnen. 7300 Rohrstücke sind auf beiden Doppellosabschnitten zu verschweißen. Alle Rohre – sie kommen übrigens aus deutscher Produktion – sind dank angebrachter Kodierungen jederzeit lokalisierbar und eindeutig identifizierbar.

Auf den zwölf Lagerplätzen für das Rohrmaterial stehen auch die Biegemaschinen, die bis zu 15,5 Tonnen schwere Segmente kalt exakt nach Erfordernis in den richtigen Winkel biegen können – Voraussetzung dafür, dass die Trasse auch anspruchsvollen Geländeprofilen wie hier folgen kann.

Technische Meisterwerke

Nicht nur die Maschinen, auch die Röhren gelten als technische Meisterwerke. Sie bestehen aus Feinkornstahl und besitzen eine Mindestdicke von 22,3 Millimetern. Eine Epoxidharzauskleidung innen minimiert die Rauigkeit. "Je glatter die Innenfläche, desto geringer ist der Energieaufwand, um das Erdgas zu transportieren", erläutert Marco Breiding, Hauptreferent Trassenengineering bei Wingas aus Kassel. "Mit solchen Maßnahmen kann die Energieeffizienz deutlich verbessert werden." Die Wingas, ein Gemeinschaftsunternehmen der Wintershall Holding und der russischen Gazprom, ist Bauherr der Leitung. Die Wingas-Tochter Opal NEL Transport (ONTG) wiederum wird die Erdgastrasse betreiben. Die Abkürzung NEL steht für "Nordeuropäische Erdgasleitung", die von Lubmin aus – wenn alles klappt – ab 2012 in Richtung Westen führt.

Neben einer Innenverkleidung erhält jede Röhre eine schützende, drei Millimeter dicke PE-Außenumhüllung als passiven Korrosionsschutz. Des Weiteren werden Einrichtungen des kathodischen Korrosionsschutzes installiert. Entlang der Trasse sind zudem gelbe Messpfähle aufgestellt, und der Verlauf der Trasse wird genau vermessen und dokumentiert. Für die Überwachung ist eine rund um die Uhr besetzte Leitzentrale in Kassel verantwortlich.

Das Großprojekt hinterlässt während der Bauphase deutliche Spuren in der südsächsischen Landschaft: Schon von weitem gut erkennbar als "braunes Band", verläuft die 36 Meter breite Schneise über Felder und Wiesen. Sie quert Straßen, Wege sowie Wasserläufe. In den Wäldern wird der Arbeitsstreifen auf 30 Meter verringert. Kurz vorm "Finale" geht es in Olbernhau auch noch durch bebautes Gebiet – ungewohnt beengte Platzverhältnisse für Planer und Arbeiter.

Die mehr als 470 Kilometer lange Opal-Erdgastrasse gilt als größtes Bauprojekt Europas. Von Lubmin, wo die Ostseepipeline "Nord Stream" aus Russland kommend die deutsche Küste erreicht, führt sie bis Olbernhau an der tschechischen Grenze. Die Riesenröhre soll ab Ende 2011 ca. 36 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr transportieren – das entspricht etwa einem Drittel des gesamten deutschen Erdgasbedarfs.

Streicher hatte den Zuschlag für die beiden Doppellose 11/12 und 13/14 erhalten. Diese umfassen von Norden aus gesehen neben Los 14 die Abschnitte Münchhausen – Oelsnitz mit einer Länge von knapp 41,1 Kilometern (Los 11), Oelsnitz – Coswig (Elbe) mit rund 32,5 (Los 12) sowie Coswig – Lichtenberg mit rund 35,3 Kilometern (Los 13). Auf allen vier Abschnitten sind etwa 700 Menschen beschäftigt, davon ungefähr 300 Mitarbeiter des Deggendorfer Bauspezialisten. Den Rest stellen die ArGe-Partner wie die italienische Sicim beziehungsweise Nachunternehmen.

Projekt im Plan

Das Projekt befindet sich Garçons Angaben zufolge im Plan. Die Bauarbeiter seien trotz des langen Winters und schwieriger Bodenverhältnisse gut vorangekommen: "Wir haben die witterungsbedingten Verzögerungen aufgeholt." Ein großer Teil der Gasröhren liegt bereits unter der Erde. Seine Mitarbeiter schaffen pro Doppellos rund 40 Schweißnähte täglich: "Das ist eine beachtliche Leistung."

Nicht weit entfernt von Olbernhau, im tschechischen Brandov, wird die Pipeline an das tschechische Ferngasnetz angeschlossen. Der Projektleiter geht davon aus, die Röhre fristgerecht auch bis ins Nachbarland verlegen zu können: "Die Endgenehmigung dort läuft, ich erwarte sie für August oder September." Die Opal soll im Herbst 2011 fertig gestellt sein. Vor der Inbetriebnahme wird bei der Stressdruckprobe Wasser mit ca. 180 bar in die Röhren gepresst.

Planung und Bau einer Erdgastrasse sind aufwändig. "Man hat mit Grundeigentümern, Behörden, Instituten, Naturschützern, Archäologen etc. zu tun", zählt Garçon auf. In Sachsen etwa spielte bei den Vorbereitungen der Landestalsperrenverband eine große Rolle. Es gelte, innerhalb des Planfeststellungsverfahrens diverse, teilweise gegensätzliche Interessen unter einen Hut zu bekommen. "Unser Ziel ist es, Einwände und Anregungen aufzugreifen und Streitpunkte vor Baubeginn auszuräumen", ergänzt Breiding. Denn spätere Verzögerungen verursachten hohe Kosten. Eine wichtige Rolle spielt außerdem die anschließende Rekultivierung: Da geht es dann nicht nur um die Qualität des Verfüllmaterials, sondern oft auch um die Neuverlegung von Dränagerohren oder um die Anpflanzung von Bäumen. Gelegentlich werden mehrere Maßnahmen gebündelt: Im östlichen Mecklenburg-Vorpommern lässt Wingas als Ausgleichsmaßnahme ein Moor wiedervernässen. "Wir nehmen die Rekultivierung sehr ernst, damit die Bauern auf dem Trassenabschnitt die Bodenqualität zurück erhalten, die sie vor dem Bau hatten", erläutert Breiding. Insbesondere auf dem aktuellen Abschnitt zwischen Lichtenberg und Olbernhau sei es in dieser Hinsicht sehr gut gelaufen.

Das bestätigt auch Garçon. Für ihn ist es nicht das erste Projekt dieser Art: Seit 1996 befasst er sich mit dem Pipelinebau. Von 2007 an – damals lief die Angebotsphase – begleitet er das Opal-Projekt. Seit Juni vergangenen Jahres arbeitet er dauerhaft auf dieser Baustelle. Dabei leitet er eigentlich die Streicher-Niederlassung Geeste. Doch noch ist auf Los 14 jede Menge zu tun: Thomas Garçon: "Bis 2012 werde ich vollauf mit der Opal beschäftigt sein."

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