Bauaussichten 2015

Wachstum setzt sich auf niedrigerem Niveau fort

von: Prof. Thomas Bauer, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Berlin
Baupolitik

Die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland ist auch zu Anfang des neuen Jahres von Unsicherheiten geprägt. Nach wie vor schwelt die Eurokrise und auch der Konflikt in der Ukraine wirft Schatten auf die deutsche Wirtschaft. Hinzu kommt der Verfall des Ölpreises, der zwar auf den ersten Blick wie ein großes Konjunkturprogramm wirkt, die Märkte dennoch weltweit gewaltig verunsichert, weil die mittelfristigen Folgen für Staaten, deren Wirtschaft am Öl- und Gaspreis hängt - wie zum Beispiel Russland oder auch die Länder des Nahen Ostens - schwer zu kalkulieren sind. Hinzu kommen „hausgemachte“ Hürden wie der Mindestlohn, die Rentenbeschlüsse oder die Mietpreisbremse, deren Wirkungen auf die Gesamtwirtschaft zumindest als nicht förderlich einzustufen sind. Von diesem Umfeld gehen auch für die Bauwirtschaft zwiespältige Signale aus. Sicher scheint zu sein, dass der Wohnungsbau 2015 einmal mehr Wachstumsmotor sein wird. Die positiven Rahmenbedingungen bleiben uns auch im neuen Jahr erhalten: Eine anhaltend hohe Zuwanderung nach Deutschland, ein stabiler Arbeitsmarkt verbunden mit steigenden Einkommenserwartungen der privaten Haushalte, ein historisch niedriges Zinsniveau für Hypothekarkredite und fehlende Anlagealternativen halten den Wohnungsneubau auf der Erfolgsspur.Die Zeiten der zweistelligen Wachstumsraten scheinen aber erst einmal vorbei zu sein. Aufgrund des schwächelnden Eigenheimbaus legte von Januar bis Oktober die Zahl der genehmigten Wohnungen im Neubau "nur noch" um 4,4 % zu. Zumindest der Geschoßwohnungsbau entwickelt sich noch dynamisch, in diesem Segment betrug das Genehmigungsplus 10 %.Der gewerbliche Bau konnte sich 2014 von der im Jahresverlauf schwächer werdenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung positiv abkoppeln. In den ersten drei Quartalen wurde in dieser Sparte ein Umsatzplus im Bauhauptgewerbe von 6 % erzielt. Für 2015 werden wir unsere Wachstumserwartungen allerdings zurücknehmen müssen. Die Neubaugenehmigungen (veranschlagte Baukosten) für gewerbliche Investoren legten in den ersten zehn Monaten nur um 1,4 % zu. Zwar stieg auch der Auftragseingang in den ersten drei Quartalen um 2,1 %, dies signalisiert aber keine große Aufbruchsstimmung unter den Investoren. Einen Hoffnungsschimmer bieten allerdings die neuesten Konjunkturprognosen. Würde das Wirtschaftswachstum – wie vorhergesagt – 2015 im Jahresverlauf wieder anspringen, dürften auch einige Investoren wieder "auf den fahrenden Zug aufspringen".Der Öffentliche Bau profitierte 2014 von den zu Jahresbeginn exzellenten Witterungsbedingungen. Viele Tiefbaumaßnahmen, die üblicherweise erst ab dem zweiten Quartal realisiert werden, konnten sehr viel früher angegangen werden. Zwangsläufig musste sich – aufgrund der unzureichend ausgestatteten Investitionsbudgets von Bund, Ländern und Gemeinden – die öffentliche Baunachfrage im weiteren Jahresverlauf abschwächen. Inzwischen sind insbesondere im Straßenbau die Auftragsbücher weitgehend leer.Auch im neuen Jahr sieht es nicht so aus als würde der inzwischen aufgelaufene öffentliche Investitionsstau energisch angegangen. Wegen des exzellenten Baubeginns im Vorjahr kann im Folgejahr der Jahresanfang nur deutlich schlechter verlaufen. Enttäuschend ist vor allem die Investitionslinie Verkehr des Bundes. Zwar kommt es hier gegenüber dem laufenden Jahr zu einer Aufstockung um330 Mio. Euro auf 10,8 Mrd. Euro, von einer bedarfsgerechten Finanzausstattung von 14 Mrd. Euro bleiben wir damit aber nach wie vor weit entfernt. Stiefkind bleibt der Straßenbau: Für die Bundesfernstraßen stehen im laufenden Jahr sogar weniger Mittel zur Verfügung als im Vorjahr, das dringend notwendige Sanierungsprogramm an den Brücken der Bundesfernstraßen lässt sich damit jedenfalls nicht adäquat finanzieren.Vor diesem Hintergrund wird die deutsche Bauwirtschaft 2015 nur wenig zur Belebung der gesamtwirtschaftlichen Konjunktur beitragen können. Mehr als ein moderates Umsatzplus im Bauhauptgewerbe von nominal 2 % ist für 2015 aus heutiger Sicht nicht zu erwarten. Damit bleibt der Bau deutlich hinter dem Jahresergebnis 2014 zurück.Um dem Bau neuen Schwung zu verleihen, muss sich sowohl bei den Nachfrage- als auch bei den Angebotsbedingungen einiges tun. Unsere Wünsche für das Baujahr 2015 lauten:Seit 2003 liegen die Investitionen von Bund, Ländern und Gemeinden unter den Abschreibungen auf den öffentlichen Kapitalstock, und das, obwohl seit Jahren Rekordsteuereinnahmen verbucht werden. Die Folgen werden jetzt deutlich spürbar. Brückensperrungen, über 100 Jahre alte marode Schleusen, kaputte Schienenwege kennzeichnen den schleichenden Verfall.Erfahrungen aus 60 Jahren Verkehrswegefinanzierung in Deutschland haben gezeigt, dass der Ausbau und die Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur des Bundes nicht den Zufälligkeiten und Zwängen der jährlichen Haushaltsaufstellung überlassen werden dürfen.Wir unterstützen deshalb die Bundesregierung in ihrer neuen Strategie:– die Finanzierung der Bundesfernstraßen komplett auf Nutzergebühren umzustellen,– das Gebührenaufkommen im Rahmen eines Finanzierungskreislaufes Straße zweckzubinden und– diesen Finanzierungskreislauf längerfristig im Rahmen von Bundesautobahn-gesellschaften außerhalb des Bundeshaushalts zu verselbstständigen.Um den immensen kommunalen Investitionsbedarf – allein die Städte und Gemeinden schieben einen Investitionsstau von 120 Mrd. Euro vor sich her – zu schultern, brauchen wir einen Infrastrukturpakt für Deutschland. Wir schlagen vor, die demnächst frei werdenden Mittel aus dem Solidaritätszuschlag für den Abbau des kommunalen Investitionsstaus zu nutzen. 8 Mrd. Euro jährlich für 15 Jahre aus den für 2019 zu erwartenden Soli-Einnahmen von 14 Mrd. Euro würden genügen, um den Infrastrukturstau abzubauen.Der Investitionsstau kann aber nicht allein aus öffentlichen Mitteln beseitigt werden. Wir müssen darüber hinaus privates Kapital für öffentliche Infrastrukturvorhaben mobilisieren. Sowohl im Hochbau als auch im Verkehrswegebau müssen wir die Voraussetzungen schaffen, dass Investitionen in die öffentliche Infrastruktur auch für institutionelle Anleger attraktiv sind. Mit dem ÖPP-Projekt auf der A 7 zwischen Bordesholm und Hamburg ist in dieser Hinsicht ein Anfang gemacht worden. Erstmals konnten sich Anleger über eine Projektanleihe an der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur beteiligen.Gleichzeitig muss es uns aber auch gelingen, die Angebotsbedingungen, unter denen Bauunternehmen heute ihre Leistungen erbringen, zu verbessern. Wir setzen dabei insbesondere auf die Reformkommission "Bau von Großprojekten", die voraussichtlich im ersten Halbjahr 2015 ihre Ergebnisse vorlegen wird. Einigkeit besteht bereits jetzt darin, dass Großprojekte künftig auf öffentlicher Seite besser vorbereitet werden müssen. Dazu ist erforderlich:– die Stärkung der Bauherrenkompetenz,– die verbindliche Einführung eines systematischen Risikomanagements von der Identifikation, Analyse und Bewertung der einzelnen Risiken, über deren Fortschreibung im Bauprozess bis hin zur abschließenden Dokumentation,– die Selbstverpflichtung der öffentlichen Auftraggeber, ohne ein projektspezifisches Risikomanagement keine Haushaltsmittel mehr zur Verfügung zu stellen,– die verpflichtende Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen,– die Veranschlagung von Projektbudgets im Haushalt, in denen auch die Risikokosten erfasst werden, sowie– die Einführung einer Infrastruktur-Controlling-Einheit (ICE).Gleichzeitig muss es gelingen, die längst überfällige Digitalisierung der Wertschöpfungskette Bau voranzutreiben. Das BMVI hat sich in der Reformkommission bereit erklärt, die Anwendung von Building Information Modeling (BIM) in Pilotprojekten im Ingenieurbau- und Schienenwegebau zu erproben. Mit der bevorstehenden Gründung der Plattform "Digitales Bauen, Planen und Betreiben" werden die Verbände der Wertschöpfungskette Bau ihren Beitrag, insbesondere im Bereich der Standardisierung leisten.Parallel hat die Reformkommission "Bau von Großprojekten" die Chance, neue Formen der partnerschaftlichen Projektzusammenarbeit in Deutschland durchzusetzen, wie sie in anderen Ländern längst gang und gebe sind. Dazu zählen:– die frühe Einbindung von Baukompetenz in den Planungsprozess (early contractor involvement),– die gemeinsame Weiterentwicklung von Projekten nach Zuschlagserteilung (value engineering),– die Entwicklung von Anreizsystemen zur Hebung von Effizienzreserven (pain/gain share) sowie– Entwicklung von internen und externen Streitschlichtungsverfahren bis hin zur verpflichtenden Adjudikation auf Verlangen eines Projektpartners nach britischem Vorbild.

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