Bauaussichten 2018

Deutschland nie zu Ende gebaut!

von:

Dr. Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Berlin

ZDB Zentralverband Deutsches Baugewerbe

Deutschland ist zu Ende gebaut! – Dieser Satz kennzeichnete das Verhältnis der öffentlichen Meinung zur Baupolitik Ende des letzten Jahrtausends. Derzeit werden wir eines Besseren belehrt. Hunderttausende Wohnungen fehlen vor allem in den Ballungsgebieten. Darüber hinaus bedarf der Gebäudebestand sowohl der energetischen als auch der altengerechten Aufwertung. Die öffentliche Infrastruktur – egal ob auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene wurde über Jahrzehnte auf Verschleiß gefahren. Allein die Kommunen schieben einen Investitionsbedarf von 130 Mrd. Euro vor sich her. Und auch die boomende Wirtschaft hat begonnen, den Investitionsrückstand bei ihren Fabrikgebäuden, Lagerhallen und Büros aufzuholen. Paradiesische Zeiten also für die Bauwirtschaft? Ja – und nein zugleich.Nach den langen Jahren der Rezession zwischen 1996 und 2006, die einher ging mit einer Halbierung der Arbeitsplätze, bauen die Unternehmen ihre Kapazitäten langsam wieder auf. Denn die Renditen der Bauunternehmen halten mit den erhöhten Umsätzen nicht Schritt; zumal noch zu viele illegale und scheinlegale Kapazitäten auf den Baustellen unterwegs sind, die den sich an Recht und Gesetz haltenden Unternehmen das Leben schwer machen und ihre Bauherren mit zunehmenden Baumängeln konfrontieren. Dennoch geben die aktuellen Zahlen insgesamt Anlass zu Optimismus.Zwar liegen die Baugenehmigungen in 2017 im Zeitraum von Januar bis Oktober 2017 7,3% oder um 22 400 Wohnungen unter den Zahlen des Vorjahreszeitraums, aber immer noch deutlich über den Zahlen in 2015 (ca. +14 %). Insgesamt setzt sich die Nachfrage also auf hohem Niveau fort.Baugenehmigungen sind aber noch keine Wohnungen. In 2016 wurden trotz des hohen Genehmigungsvolumens nur knapp 278.000 Wohnungen fertiggestellt. Getragen wird die Entwicklung vor allem vom Geschosswohnungsbau, der vom anhaltenden Zuzug in die Großstädte profitiert. Für 2017 erwarten wir ca. 310.000 neue Wohnungen insgesamt.So positiv diese Zahlen auch sind, sie bleiben weiterhin deutlich hinter dem prognostizierten Bedarf von mindestens 350.000 Wohnungen jährlich zurück. Um tatsächlich mehr Wohnungen, vor allem für Bezieher mittlerer und niedriger Einkommen auf den Markt zu bringen, müssen sich die Rahmenbedingungen langfristig verbessern. Dabei ist für uns eine Anpassung der gegenwärtig gültigen linearen Abschreibung von 2 % für Mietwohnbauten auf 4 % vordringlich. Die Senkung der Grund- und Grunderwerbsteuern wäre ein weiterer wichtiger Beitrag. Im Bereich des sozialen Wohnungsbaus müssten jährlich 80000 neue Wohnungen gebaut werden. Hier sind aber die Bundesländer und die Kommunen in der Pflicht. Denn die Bundesregierung hat seit der Föderalismusreform Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau für die Länder bereitgestellt und wird bis 2019 Mittel in Höhe von jährlich 1,5 Mrd. Euro zur Verfügung stellen, die endlich vollständig in eine entsprechende Neubautätigkeit fließen müssen. Um auch die energetische Gebäudesanierung voran zu bringen, muss eine steuerliche Förderung auf den Weg gebracht werden. Nur so können Investitionsanreize über die KfW-Förderung hinaus gesetzt werden. Die energetischen Anforderungen dürfen nicht weiter verschärft werden. Aber auch die Impulse, die der Bund mit dem sukzessiven Hochlauf der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur des Bundes von 10,5 Mrd. Euro in 2013 auf knapp 14 Mrd. Euro ab 2018 wie auch mit den Investitionsförderprogrammen im kommunalen Bereich von über 7 Mrd. Euro setzt, sorgen für eine gute Auftragslage. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Beschlüsse über die Einrichtung einer Bundesfernstraßengesellschaft mittel- und langfristig auf die Marktentwicklung auswirken werden. Wir bleiben bei unserem Nein zu mehr ÖPP-Projekten zum Erhalt und zum Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur. Denn marktwirtschaftliche Strukturen werden dadurch zerstört, unsere mittelständische Bauwirtschaft aus diesem Marktsegment verdrängt und die Kompetenz öffentlicher Bauverwaltungen weiter unterminiert.Eine nachhaltig gute Auftragslage im Baugewerbe führt zu einer erhöhten Nachfrage nach Arbeitskräften. Der Fachkräftemangel blickt schon jetzt um die Ecke. Stellen und Ausbildungsplätze in Bauunternehmen können nicht mehr vollständig besetzt werden. Zur Personalgewinnung und Personalbindung sind wir zunächst selbst gefordert. Aber auch Lehrer und Berufsberater haben die Bauwirtschaft als attraktiven Arbeitgeber ins Auge zu fassen. Die Integration von Geflüchteten wird aus vielerlei Gründen den Fachkräftemangel am Bau nicht lösen. Aber wir bieten diesen Menschen wie auch Facharbeitern anderer Branchen, deren Betriebe geschlossen werden, gute Arbeitsplätze mit besten Perspektiven.Ein Thema, das uns nicht nur heute, sondern auch zukünftig belastet, sind die Arbeitskosten. Denn trotz aller verbalen Bekenntnisse hat sich in den vergangenen Jahren an der Kostenbelastung des Faktors Arbeit nichts geändert. Dabei könnten die Sozialversicherungsbeiträge allein aufgrund der demografischen Entwicklung, weniger Werktätige und mehr Rentner, zügig auf 50 % steigen. Daher ist eine neue Bundesregierung gefordert, alles Notwendige dafür tun, die Sozialbeiträge dauerhaft auf 40 % zu begrenzen.Bei den Sozialversicherungen liegen derzeit Rücklagen in Höhe von 60 Mrd. Euro. Dieses Geld muss an die Beitragszahler zurückgegeben werden, indem die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung gesenkt und die Vorfälligkeit der Rentenbeiträge wieder abgeschafft werden.Weitere Stichworte für verbesserte Rahmenbedingungen sind die saisonale und konjunkturelle Verstetigung der Baunachfrage, die Zurückdrängung des zweiten Arbeitsmarktes, die Abschaffung von Wettbewerbsverzerrungen durch kommunale Unternehmen sowie eine immer raumgreifendere Umweltpolitik.Es bleibt dabei: Deutschland ist nie zu Ende gebaut. Die anstehenden Bauaufgaben werden die deutsche Bauwirtschaft auf Jahre hinaus auslasten. Sie könnte allerdings die Handbremse lösen, wenn die Rahmenbedingungen endlich auf "Bauen" gestellt würden.

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