Bauen in der Cloud

Autodesk will BIM auf nächste Evolutionsstufe heben

Architektur
Wissen und Technologie teilen, um von einander zu lernen und gegenseitig zu profitieren. Im Build Space in Boston hat Autodesk dieses Konzept in die Realität umgesetzt. Foto: Autodesk

Boston/USA. – Während Building Information Modeling (BIM) hierzulande noch in den Kinderschuhen steckt, wird in anderen Teilen der Welt längst schon digital geplant und gebaut. Für den US-amerikanischen Softwarehersteller Autodesk bietet jedoch auch die aktuelle Evolutionsstufe von BIM noch viel Luft nach oben. Während eines Medien-Events in Boston ließ das Unternehmen die internationale Fachpresse den Kopf in die Wolken stecken.

Wenn es um digitales Design geht, führt an Autodesk so schnell kein Weg vorbei. Als maßgeblicher Platzhirsch in der CAD-Branche entwickeln die IT-Experten aus San Francisco so ziemlich alles, was das Designer-, Ingenieurs- und Planerherz begehrt. Mit der Übernahme von Revit Anfang der 2000er-Jahre in das eigene Produktportfolio hat sich der Konzern bereits früh auch in das BIM-Geschäft begeben.

Seit nunmehr 14 Jahren beschäftige man sich bei Autodesk mit BIM, stellte Nicholas Mangon, Vizepräsident des Bereichs AEC (Konstruktionssoftware) bei Autodesk, in Boston fest und hob dabei einmal mehr die Bedeutung der Digitalisierung für die Baubranche hervor: Immer mehr Menschen würden zukünftig in Städten leben. Wohnungsbau und Infrastruktur würden zur großen Herausforderung für die Baubranche. Dem gegenüber stehe eine riesige Industrie, die nach wie vor stark fragmentiert sei, wenig in neue Technologien investiere, bei hohen Risiken nur kleine Margen erziele und damit höchst ineffizient arbeite. Die Argumente sind bekannt. Bleibt die Frage, warum die Einführung von BIM vielerorts noch immer ein Problem darstellt.

Wer sich mit BIM befasst, weiß: Das Problem ist häufig nicht die Bereitschaft, die Methode anzuwenden. Vielmehr wird noch immer darüber diskutiert, was BIM am Ende eigentlich ist, was es alles umfasst und welche Werkzeuge hierfür tatsächlich benötigt werden. So könne man zwar in vielen Ländern bereits beobachten, dass zahlreiche Projekte mit BIM-Werkzeugen wie Revit realisiert werden, so Mangon, am eigentlichen Kern von BIM sei man damit jedoch noch nicht angekommen. Software-Tools wie Revit seien eben nur Werkzeuge auf dem Weg zu BIM. Das wirkliche Potenzial dieser Arbeitsmethode liege aber in der Vernetzung und Zusammenarbeit von Projektpartnern.

Connected BIM

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Architektur
Nicholas Mangon ist Vizepräsident des Geschäftsbereichs Konstruktionssoftware bei Autodesk. Vor Ort erklärte er, warum sich Planung, Konstruktion und Bau für ein vernetztes Arbeiten in der Cloud öffnen sollten. Fotos: Bachmann

Wie bringt man BIM nun also auf die nächste Evolutionsstufe, bei Autodesk "Connected BIM" genannt (zu Deutsch: vernetztes BIM)? Die Voraussetzung hierfür seien Informationen, so Mangon. Im Informationszeitalter im Grunde kein Problem mehr. Nahezu alle Technologietrends – Big Data, leistungsfähige Simulationstechnik, Drohnenscanning, das Internet der Dinge, VR, AR etc. – befassten sich mit der Sammlung von Daten. Die Herausforderung bestehe darin, die vielfältigen Akteure und ihre vielfältigen Werkzeuge bzw. Datensammlungen an einem Ort zusammenzubringen.

Der nächste logische Schritt führt für die Experten damit direkt in die Cloud. In einer gemeinschaftlich genutzten Datenumgebung sollen alle Informationen zusammenkommen, die für die verschiedenen Projektpartner relevant sind. Die "Zukunft der Projektabwicklung" hört bei Autodesk auf den Namen BIM 360, so Vikram Dutt, Leitender Direktor für den Bereich Building Business Line (Produkte für das Baugeschäft) bei Autodesk. Dahinter verbirgt sich eine cloudbasierte Umgebung für teamübergreifendes Arbeiten. Alle Projektinformationen liegen in einem zentralen Arbeitsbereich und können im kompatiblen Browser oder auf den mobilen Endgeräten abgerufen werden. Dadurch soll das Anzeigen, Austauschen und Auffinden von 2D- und 3D-Konstruktions- und Projektdateien von jedem Arbeitsort ermöglicht werden.

Keine Einbahnstraße

Wie der Softwaretitel bereits andeutet, ist BIM ein Thema, dass von allen Seiten her – 360° – gedacht und gelebt werden muss. Auch für Autodesk ist klar, dass man bei der Entwicklung entsprechender Lösungen keine Einbahnstraßen befahren kann. Bereits 2015 hat das Unternehmen bspw. die Entwicklerplattform Forge ins Leben gerufen. Mit der ebenfalls cloudbasierten Software bietet das Unternehmen auf Grundlage verschiedener Programmschnittstellen und Entwicklertools die Möglichkeit, eigene, bedarfsgerechte Zusatzanwendungen für die eigenen Produkte zu entwickeln. Dahinter steht der Ansatz, die vorhandenen Softwarelösungen für alle an einem Projekt Beteiligten anschlussfähig und ausbaubar zu machen.

Sehr eindrucksvoll wird dieses Geben-und-Nehmen-Prinzip, welches man sich bei Autodesk auf die Fahnen geschrieben hat, am Beispiel des Autodesk Build Space deutlich. In direkter Nachbarschaft zu seinen Bostoner Büroräumen hat der Softwarehersteller eine Art Startup-Campus geschaffen, der mit modernsten Werkzeugen und Industrierobotern ausgestattet ist. Jungen Unternehmern und Akademikern wird hier die Möglichkeit gegeben, ihre Design-Projekte zu verwirklichen. Eine Win-Win-Situation: Während die Teams vor Ort auf die hochwertige Ausstattung des Build Space sowie die Autodesk-Produkte zurückgreifen können, kann der Softwarehersteller seinen Anwendern direkt auf die Finger schauen und lernen, wie diese mit den eigenen Produkten umgehen.

BIM in der Praxis
Architektur
Im Hafenareal von Boston baut das schwedische Unternehmen Skanska aktuell ein 17 Stockwerke hohes Bürogebäude. Sämtliche Prozesse – von der Planung des Gebäudes und der Baustellenlogistik bis zur eigentlichen Bauausführung – werden dabei digital umgesetzt bzw. unterstützt.

An verschiedenen Best-Practice-Beispielen zeigte Autodesk während des Medien-Events auch, auf welchen Wegen mittels Revit und Co. BIM bereits angewendet wird. So stand u. a. ein Besuch des New Yorker Startups WeWork auf dem Programm. Mit der Idee, Büroflächen anzumieten, diese zu modernen Coworking-Bereichen (gemischte Büroräume) umzubauen, um diese dann weiter zu vermieten, hat Gründer Adam Neumann in den in den vergangenen sieben Jahren ein 16-Mrd.-Dollar-Unternehmen aus dem Boden gestampft. Mehr als 80 Büroflächen in 23 Städten zählen bereits zum Immobilienbestand von WeWork. Grundlage jeder Umbaumaßnahme ist immer ein umfassender Scan des gesamten Areals. Anschließend wird der digital erfasste Bestand mittels Revit in ein modernes Büroareal verwandelt, dass alle Anforderungen an ein produktives Arbeiten und Zusammenarbeiten erfüllt. Auf Grundlage des Modells finden dann die eigentlichen Arbeiten statt. Cloud-Lösungen wie BIM 360 haben dabei die Kommunikation und Koordination der verschiedenen Subunternehmer deutlich vereinfacht, wie das Unternehmen vor Ort erklärte. Zusätzlich soll eine weitere Lösung, die in Zusammenarbeit zwischen Autodesk und dem Kamera-Hersteller Leica entstanden ist, die Arbeit künftig deutlich beschleunigen. Mit der Software Autodesk ReCap und einer speziellen 360°-Kamera von Leica, die zusätzlich mit einem 360°-Laserscanner ausgestattet ist, sollen die aufwendigen Gebäudescans zukünftig in deutlich kürzerer Zeit und mit geringerem technischen Aufwand erstellt werden. Rund 100 m² soll das Gerät in etwa 1,5 Stunden aufnehmen können, wobei alle Scans gleichzeitig fotorealistisch visualisiert vorliegen.

Architektur
Mit dieser neuen 360°-Kamera mit Laserscanner und der entsprechenden Software von Autodesk lassen sich bequem und schnell Räume digital erfassen und in ein Modell überführen. Eine erhebliche Arbeitserleichterung bspw. für Unternehmen we WeWork.

Zu den eher traditionellen Akteuren der Baubranche zählt Skanska. Das international tätige Bauunternehmen aus Schweden realisiert zusammen mit dem Architekturbüro CBT im Hafen von Boston aktuell ein 17 Stockwerke hohes Bürogebäude. Informationen und Vernetzung seien heute das A und O, wie die Verantwortlichen vor Ort erklärten. Auf den Baustellen des Unternehmens herrsche schon heute ein hohes Maß an Vernetzung. Nahezu alle Arbeiter auf dem Gelände würden bspw. mittels GPS erfasst. Das erleichtere maßgeblich die Informationsverbreitung und Koordination oder ermögliche u. a. Mitarbeiter mittels Alarmton zu warnen, wenn diese unwissend einen Gefahrenbereich betreten. Im Design des zu bauenden Objekts komme darüber hinaus schon lange moderne Modellierungssoftware zu Einsatz. Im Gegensatz zum Entwurf am Zeichenbrett könne auf diesem Wege viel Geld gespart werden. Im Falle des Bostoner Bürogebäudes habe man mittels Revit und den darin enthaltenen Simulationsmöglichkeiten eine elliptische Gebäudeform erstellen können, die nicht nur Material spare, sondern auch die geringstmögliche Sonnen- und Windeinwirkung aufweise. Auch bei der eigentlichen Baustellenplanung, werde die aufwendige Logistik bei laufendem Stadtverkehr vorab digital geplant.

Am Beispiel von Cannistraro demonstrierte Autodesk schließlich auch, wie sich mittels BIM auch die Bereiche Bau und Fabrikation einander annähern. Cannistraro ist ein US-amerikanischer Hersteller von Rohrleitungen, Heizungs-, Kühlungs- und Brandschutzanlagen. Aktuell revitalisiert das Unternehmen eine alte Industriehalle im Hafen Bostons, um diese zukünftig als Produktions- und Lagerhaus nutzen zu können. Die Besonderheit: BIM findet bei Cannistraro nicht nur bei anstehenden Bau-Projekten wie dem in Boston statt, sondern kommt auch in der industriellen Fertigung der eigenen Produkte zum Tragen. Alle Produkte bei Cannistraro sind BIM-fähig. Veranschaulicht wurde dies anhand der Augmented-Reality-Brille Hololens von Microsoft. Diese erlaubt, digital modellierte Produkte wie Rohrleitungen oder ganze Anlagen in die reale Umgebung zu projezieren. Auf diesem Wege können im Vorfeld der Installation Reibungspunkte identifiziert und direkt vor Ort umgeplant werden.

Grenzen einreißen
Architektur
Sowohl bei der Revitalisierung dieser historischen Fabrikhalle als auch in der eigenen Produktion kommt bei dem Rohrleitungs- und Anlagenhersteller Cannistraro BIM zum Einsatz.

Am Ende der Reise durch die Welt von Autodesk steht fest: Die Möglichkeiten sind prinzipiell unbegrenzt, das Potenzial groß. Einer der wesentlichen Gründe dafür, dass sich BIM längst nicht überall und im gewünschten Maße etabliert hat, besteht jedoch weiterhin in fehlenden Standards. Die Produktvielfalt ist groß, das Feld entsprechend unübersichtlich und die zahlreichen Datenformate nicht immer kompatibel. Zwar entsprechen sämtliche Daten von Autodesk bereits dem gängigen Open-BIM-Standard (offenes BIM) IFC, mit ihrem aktuellen Entwicklungsprojekt "Quantum" will das Unternehmen jedoch noch einen Schritt weiter gehen. Hinter "Projekt Quantum" verbirgt sich eine weitere Cloud-Anwendung, welche die bestehenden Grenzen zwischen unterschiedlichen BIM-Werkzeugen einreißen soll, in dem sie Informationen aus verschiedenen Quellen – auch von Fremdanbietern – aufnimmt und zielgerichtet weiterleitet. Dabei sollen die betroffenen Teilnehmer nur jene Informationen zugespielt bekommen, die für ihre Beteiligung am Projekt relevant sind.

Im Grunde handelt es sich dabei um eine Art nächste Evolutionsstufe des eigenen BIM 360-Konzepts. Der Weg führt dabei weg von einzelnen, großen BIM-Software-Tools, hin zu einer wirklich offenen Datenumgebung, die für alle vorhandenen Anwendungen offen ist und die eingehenden Informationen für die beteiligten Gewerke sinnvoll aufarbeitet und weiterleitet. Damit sollen auch die letzten Grenzen für ein offenes BIM am Bau fallen.

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