Baurecht

Auch Arbeiten ohne "Baucharakter" können das Vorliegen eines Bauvertrages ergeben

von: RA Sophia Noll
Darum geht's: Kann der Auftraggeber einseitig die Ausführung geänderter oder zusätzlicher Leistungen verlangen, hat der Auftragnehmer Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek und auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung, ist die Stellung einer prüfbaren Schlussrechnung Fälligkeitsvoraussetzung und bedarf die Kündigung der Schriftform?

Ob diese Rechte und Pflichten bestehen, hängt maßgeblich von der Beantwortung der Frage ab, ob ein Bauvertrag gem. § 650a BGB zwischen den Vertragsparteien geschlossen wurde. Nicht jede (Bau-)Leistung an einem Bauwerk unterfällt dem Bauvertragsrecht. Grundgedanke des Gesetzgebers bei der Schaffung des "Bauvertrages" war, dass hierunter vertragliche und wesentliche Bauleistungen fallen sollen, die üblicherweise nach Vertragsdauer und -umfang auf längerfristige Zusammenarbeit angelegt sind. Spezifische bauvertragliche Regelungen sollen eine interessengerechte und ökonomisch sinnvolle Gestaltung und Abwicklung ermöglichen. Das Bayerische Oberste Landesgericht sieht den mit einem Elektriker geschlossenen Vertrag über den Einbau einer Blitzschutz-, Brandmelde-, Notlicht- und Lautsprecheranlage als Bauvertrag an (Beschluss vom 21.03.2022 – 102 AR 196/21).

Nach § 650a Abs. 1 BGB ist ein Bauvertrag ein Vertrag über die Herstellung, Wiederherstellung, Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerkes, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Darüber hinaus ist gemäß § 650a Abs. 2 BGB auch ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung ist.

Im vorliegenden Fall fand die (teilweise) Elektrobeauftragung im Rahmen der Grundsanierung zur Anpassung an den aktuellen Stand der Technik einer Turnhalle mit verschiedenen dazu beauftragten Unternehmen statt, sodass dieser Einzelvertrag eine substanzielle Mitwirkung an dem Gesamtvorhaben hatte und für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Turnhalle von wesentlicher Bedeutung war. Die Turnhalle ist auf die gleichzeitige Benutzung durch eine erhebliche Anzahl an Personen ausgerichtet, deren Sicherheit gewährleistet sein muss und für die Nutzung für größere (Sport-)Veranstaltungen ist eine Lautsprecheranlage wesentlich.

Praxishinweis

Ob ein Vertrag über Leistungen, die keinen "Baucharakter" haben, als Bauvertrag zu qualifizieren ist, weil die Leistungen funktional ein Teil eines Gesamtvorhabens sind oder weil sie von wesentlicher Bedeutung sind, ist im Einzelfall durch wertende Betrachtung zu ermitteln. Nicht entscheidend ist dabei die konkrete Dauer der Leistungserbringung. Je kleinteiliger Leistungen allerdings sind, desto mehr muss geprüft werden, ob die Voraussetzungen, unter denen ein Bauvertrag vorliegt, noch gegeben sind. Für viele kleine Leistungen ist es ausreichend, wenn ein Werkvertrag nach den allgemeinen Regeln geschlossen wird.

Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden

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Autorin

RA Sophia Noll

RJ Anwälte, Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB

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