Bauaussichten 2025
Bauwirtschaft zwischen Krise und Aufbruch
von: Wolfgang Schubert-Raab, Präsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB)Das ambitionierte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ist weiter entfernt denn je. 2024 rechnen wir nur noch mit maximal 255.000 Fertigstellungen, ein deutlicher Rückgang gegenüber 294 400 im Jahr 2023. Bau- und Finanzierungskosten steigen, die Förderpolitik ist unstet und komplexe Bauvorschriften hemmen Projekte.
Besonders der Ein- und Zweifamilienhausbau leidet, wo wir mit circa 50.000 genehmigten Einheiten in diesem Jahr auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung angekommen sind. Die Politik muss die Rahmenbedingungen so gestalten, dass Investitionen sich wieder lohnen und Projekte wirtschaftlich bleiben.
Im Tiefbau zeigt sich dagegen ein Lichtblick. Der Ausbau des Schienennetzes, der Breitbandausbau oder Investitionen in Stromtrassen sorgen für nachhaltige Nachfrage. Im Wirtschaftstiefbau erwarten wir ein reales Umsatzplus von 9 Prozent, 2025 noch 4,5 Prozent. Man sieht, was möglich ist, wenn politische Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Bedarfe aufeinandertreffen. Es liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung, die positiven Impulse auf andere Branchenbereiche zu übertragen.
Der öffentliche Bau steht exemplarisch für die Versäumnisse der vergangenen Jahre. Allein in den Kommunen ist der Investitionsstau bis 2023 auf 186 Milliarden Euro angewachsen. Hinzu kommt die vorläufige Haushaltsführung ab 2025, was Projekte verzögert und Kapazitäten im Bauwesen gefährdet. Für 2024 rechnen wir zwar mit einem Umsatzwachstum von 3 Prozent im öffentlichen Bau, doch ohne höhere Bauetats und strukturelle Reformen droht ab 2025 Stagnation.
Die aktuelle Lage hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. 2024 rechnen wir mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahl im Bauhauptgewerbe um 15.000 auf 912.000. Für das Jahr 2025 erwarten wir einen weiteren Rückgang um rund 7000 auf 905.000 Beschäftigte. Der Branche gelingt es nicht mehr, die demografisch bedingten Personalabgänge zu kompensieren. Fünf Jahre realer Umsatzrückgang machen sich hier bemerkbar. Zugleich suchen viele Unternehmen nach wie vor Arbeitskräfte.
Die Nachfrageschwäche schlägt sich auch in steigenden Insolvenzzahlen nieder. Mit voraussichtlich rund 1600 Insolvenzen 2024 sind wir aber weit entfernt von den wirklich dramatischen Werten um die Jahrtausendwende, als wir rund 5000 Insolvenzen pro Jahr hatten. Und wir sind auch weit davon entfernt, diese Werte wieder zu erreichen, denn der Bedarf ist da. Vor diesem Hintergrund muss die Branche an der Fachkräftegewinnung festhalten.
Infrastruktur, Energiewende, Klimaschutz – die Bauwirtschaft ist unverzichtbar für die Zukunft Deutschlands. Vor allem aber beim Wohnungsbau führt kein Weg an uns vorbei. Die Wohnungsbaubranche hat 2023 eine Bruttowertschöpfung von 536,8 Milliarden Euro ausgelöst. Jeder siebte Euro der Bruttowertschöpfung steht in Beziehung zur Wohnungsbaubranche.
Es entstehen Beschäftigungseffekte in Höhe von knapp 6,6 Millionen Erwerbstätigen und rund jeder siebte Arbeitsplatz ist mit der Wohnungsbaubranche verbunden, die für 140,8 Milliarden Euro Steuereffekte sorgt. Das sind rund 17 Prozent der jährlichen Steuereinnahmen. Die Zahlen verdeutlichen, dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um jeden Preis halten müssen und durch engagierte Nachwuchskräfte ergänzen müssen.
Damit wir unsere Verantwortung wahrnehmen können, braucht es tiefgreifende Reformen. Worauf es für die nächste Bundesregierung ankommt und welche die drängendsten Aufgaben für einen Neustart in der Baupolitik sind, haben wir in einem Wahlcheck zusammengetragen.
- ? Vereinfachung der Bauvorschriften: Ein einfacheres und rechtssicheres Bauen ist unerlässlich.
- ? Planbare Förderpolitik: Verlässliche und ausreichend ausgestattete Förderprogramme sind notwendig, um Investitionen anzukurbeln.
- ? Etablierung eines eigenständigen Bauministeriums: Eine zentrale Anlaufstelle für Bau-, Sanierungs- und Förderpolitik könnte Prozesse vereinheitlichen und beschleunigen.
- ? Steuerliche Anreize: Degressive und Sonderabschreibungen müssen beibehalten werden, um Investitionen im Mietwohnungsbau zu fördern.
Das Baugewerbe ist bereit, seinen Beitrag zur Modernisierung unseres Landes zu leisten. Der Tiefbau zeigt, dass gezielte politische Maßnahmen wirken können. Doch ohne verlässliche Investitionen und strukturelle Reformen werden wir die drängenden Herausforderungen nicht bewältigen. Die nächsten Jahre sind entscheidend. Als Branche wollen wir nicht nur reagieren, sondern mitgestalten – für eine zukunftsfähige Bauwirtschaft und einen starken Standort Deutschland.