Bei Unfällen mit umstürzenden Baumaschinen

Sicherheitsgurt dient als Lebensretter

von: Klaus-Michael Krell
Berlin. – Trotz schwerer und sogar tödlicher Umsturzunfälle ist das Sicherheitsgefühl in Baumaschinen hoch. Sicherheitsgurte werden kaum angelegt. Es herrscht der Irrglaube, dass allein die massive Konstruktion der Fahrzeuge Insassen bei einem Unfall ausreichend schützt.
Arbeitssicherheit
Das Rückhaltesystem kann bei aktuellen Maschinentypen nachgerüstet werden. Foto: bitmapboogie/J. Coppenhagen/BG BAU

Das geht aus einer Unfallanalyse der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) aus dem Jahr 2021 hervor. Kontrollen auf Baustellen bestätigen das Bild: Während die technischen Sicherheitseinrichtungen in Baumaschinen überwiegend vorhanden und funktionsfähig sind, benutzen vier von fünf Maschinenführende das Rückhaltesystem nicht.

Stürzen Erdbaumaschinen um, entscheidet jedoch nicht selten der Sicherheitsgurt darüber, wie der Unfall ausgeht. Werden Sicherheitsgurte nicht genutzt, sind Maschineninsassen bei Kipp- oder Umsturzunfällen nicht ausreichend gesichert. Sie können aus der Kabine geschleudert werden oder springen reflexhaft ab – mit fatalen Folgen, wenn sie unter Baumaschine begraben werden.

Die Unfallzahlen machen die Brisanz deutlich: In den Jahren 2016 bis 2021 hat die BG BAU insgesamt 113 Umsturzunfälle mit Erdbaumaschinen erfasst, zehn davon mit tödlichem Ausgang. Allein 2021 verzeichnete die BG BAU fünf Todesfälle durch umstürzende Baumaschinen und im vergangenen Jahr starben zwei Baumaschinenführer (Stand September 2022). Keiner der tödlich Verunglückten hatte das Rückhaltesystem genutzt.

Die Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen sowie die spezifischen Bestimmungen für das Schutzniveau der unterschiedlichen Maschinengattungen sind in der Richtlinie 2006/42/EG geregelt. Die harmonisierte Normenreihe EN 474 konkretisiert die Anforderungen und zeigt praxisnahe technische Lösungen. Im Wesentlichen müssen Maschinen, wie Radlader oder Minibagger, mit Überrollschutzaufbauten (Roll Over Protective Structure, ROPS) und einem Personenrückhaltesystem (Anschnallgurt) ausgerüstet sein. Der Überrollschutz besteht aus zusätzlichen Rahmenelementen in der Kabine und stellt bei einem Umsturz oder Überschlag den Überlebensraum für den Baugeräteführer oder die Baugeräteführerin sicher.

Der Anschnallgurt sorgt dafür, dass er oder sie bei einem Unfall in diesem Überlebensraum bleibt und vor schweren und tödlichen Verletzungen geschützt ist. Das notwendige Schutzniveau für das Maschinenpersonal wird nur durch die Kombination von ROPS und Anschnallgurt erreicht. Deshalb gilt in Baumaschinen eine Gurtpflicht.

Die Gründe, warum vorhandene Rückhaltesysteme nicht genutzt werden, sind vielfältig. Im Rahmen einer Befragung hat die BG BAU ermittelt, dass die Umsturzgefährdung oft unterschätzt wird oder die Gefährdung und mögliche Folgen nicht hinreichend bekannt oder bewusst sind. Außerdem wird das Anlegen der Sicherheitsgurte von Vielen als zu umständlich und nicht praktikabel angesehen, insbesondere mit Blick auf das häufige Ein- und Aussteigen bei der täglichen Arbeit.

Auch Ergonomie-Defizite und die allgemeine Bequemlichkeit führen zu einer geringen Akzeptanz bei den Maschinenführenden. Doch wenn sie die Gurtpflicht ignorieren, riskieren sie ihr Leben. Deshalb hat die BG BAU eine Aufklärungskampagne, die auf die Problematik umstürzender Baumaschinen aufmerksam macht, gestartet. Die Aktion heißt "Wann schnallst Du's? – Anschnallen rettet Leben!". Ziel ist, dass Beschäftigte ihr Verhalten ändern und sich anschnallen – und zwar immer.

Mit einer neuen Arbeitsschutzprämie fördert die BG BAU ein alternatives Rückhaltesystem für Erd- und Straßenbaumaschinen. Das System entspricht den Wünschen des Bedienpersonals: Es kann mit einer Hand bedient werden, ist ergonomisch und hat eine hohe Manipulationssicherheit.

Die Maschinenführerin oder der Maschinenführer muss vor Fahrtantritt den Sicherheitsgurt anlegen, da andernfalls die Funktion der Maschine eingeschränkt ist. Diese "Zwangsbenutzung" sorgt dafür, dass sie bei einem Unfall in der Kabine bleiben und vom ROPS geschützt werden. Das Rückhaltesystem kann bei aktuellen Maschinentypen nachgerüstet werden. Mitgliedsunternehmen der BG BAU erhalten pro Maßnahme 50 % der Anschaffungskosten.

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Der Autor ist Diplom-Ingenieur und bei der BG BAU in der Hauptabteilung Präventionim Referat Tiefbau tätig.

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