Bell sieht große Chancen in Osteuropa

Auf geschrumpftem deutschen Muldenkippermarkt Anteil gehalten

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Sönke PETERSEN

ALSFELD/EISENACH - Auch wenn der Muldenkipperhersteller Bell Equipment wie alle anderen maßgeblichen Anbieter in diesem Segment einen sinkenden Absatz zu beklagen hat: "Wir konnten uns in Deutschland auf einem insgesamt stark geschrumpften Markt mit einem Anteil von rund 20 Prozent behaupten", unterstreicht André Krings.

Er ist seit 2006 Produktionsleiter und Geschäftsführer des Bell-Muldenkipperwerks in Eisenach und seit Mitte vergangenen Jahres neben Marc Schürmann Geschäftsführer von Bell Equipment (Deutschland) mit derzeit 75 Beschäftigten.

In diesem Jahr feiert die deutsche Niederlassung des südafrikanischen Herstellers einen runden Geburtstag: Vor zehn Jahren wurde sie als dritter eigener europäischer Standort in Alsfeld gegründet. Seit 2003 läuft zudem die ISO-zertifizierte Montage in Eisenach. Das Werk ist zuständig für die gesamte Produktion für Europa sowie Teile Asiens. Außerdem verantwortet die deutsche Dependance den Vertrieb in 20 Ländern Mittel-, Südost- und Osteuropas, wo großteils nationale Händler die Modelle verkaufen.

Der Vertrieb auf dem deutschen Markt erfolgte in den vergangenen Jahren über große unabhängige Regionalpartner, über Vertriebs- und Servicezentren der Liebherr-Organisation, sowie in einigen wenigen Regionen direkt durch den Hersteller. "Den Kundenservice erledigen im Regelfall die Vertriebspartner, ebenso stellen sie Bell-Mietmaschinen aller Leistungsklassen zur Verfügung." Diese Strategie habe sich in vergangenen Jahren in allen großen europäischen Märkten bewährt, lediglich in Großbritannien betreue die dortige Niederlassung große Teile des Marktes selbst. "Die Kollegen dort generieren etwa 60 Prozent des Umsatzes über den Direktvertrieb." Die Erfahrungen aus beiden Vertriebsmodellen fließen freilich in die Akzentuierung der europaweiten Bell-Aktivitäten: "Im Moment forcieren wir unter dem Stichwort 'Bell Finance' mit erfahrenen Finanzierungspartnern den Schwerpunkt Finanzierung samt Mietkauf auf europäischer Ebene: Das ist in der Regel besser als eine kurzfristige Projektvermietung." Zwar sei die Inzahlungnahme von Gebrauchten noch "Beiwerk" im Gesamtgeschäft, wie es der Geschäftsführer ausdrückt. "In diesem Bereich stehen wir noch am Anfang. Aber wir wollen auch dieses Thema in Europa offensiv angehen."

Die derzeitige Situation beurteilt André Krings eher skeptisch: "Eine Erholung des Marktes ist nicht absehbar. Konkrete Prognosen allerdings sind erst ab Jahresmitte möglich." Eventuell erlebe die Branche einen leichten bauma-Effekt. Doch von Osteuropa abgesehen, sieht Krings keine Hoffnungsträger für ein anziehendes Geschäft.

Insgesamt leide der Markt unter mehreren nachteiligen Entwicklungen. Dazu zählen seiner Ansicht nach die Investitionszurückhaltung, mit bedingt durch die konservative Bankenpolitik bei der Kreditvergabe, verzögert anlaufende Infrastrukturprogramme, ein Überangebot auf dem Gebrauchtmarkt und ein nachlassender Modernisierungsdruck durch über längere Zeit wieder gesunkene Energiepreise.

"Anfangs wurden wir als südafrikanische Marke unterschätzt", erinnert sich der Geschäftsführer. "Nicht zuletzt mit unserem Engagement in Eisenach haben wir uns allerdings mittlerweile etabliert und Respekt erworben." Bell werde jetzt als deutscher beziehungsweise europäischer Anbieter akzeptiert: "Streng genommen sind wir tatsächlich bis heute der einzige deutsche Hersteller von knickgelenkten Muldenkippern ab 25 Tonnen." Wie die Mitbewerber beziehe Bell natürlich Komponenten von Zulieferern aus aller Welt, so Krings. Aber: "Mit 70 Prozent kommt ein Großteil unseres Komponentenwerts aus Europa." Zudem sichert das Werk in Eisenach auch die Existenz von Zulieferern auch in der unmittelbaren Umgebung: "Für uns ist die Beschaffung von Teilen in der Region ein wichtiger Trend." So kommen die Mulden schon seit einigen Jahren aus Gotha. Auch die Motorhauben und andere Kunststoffbauteile sollen demnächst in Deutschland produziert werden.

Die deutsche Fertigung gelte vielen Kunden als ein entscheidender Kaufgrund: "Das spüren wir ganz deutlich in osteuropäischen Märkten: Dort ist sie sozusagen ein Muss. Der ,Deutschland-Faktor' zieht nach wie vor: Das merken wir auch an den vielen Besuchern in unserem Eisenacher Werk gerade aus Osteuropa." Jeder, der es besichtigt habe, sei beeindruckt. Und wie das Leben so spielt: Als Teststrecke dient die alte russische Panzerstraße direkt auf dem Bell Werksgelände.

Nachdem gerade russische Kunden über lange Zeit auf einheimische Fabrikate gesetzt hätten und sogar Protektionismus zu beobachten gewesen sei, habe es eine Art Generationenwechsel gegeben: "Viele Unternehmenslenker wollen jetzt westliche Technik. Produktivität und Effizienz werden immer wichtiger." Das komme Bell natürlich entgegen: "Die Knicklenkertechnik ist dort noch neu. Wir sehen daher Russland als einen der Zukunftsmärkte mit großem Potenzial." Das Unternehmen verzeichne von dort eine erstaunliche Zahl an Anfragen.

Und so hat Bell insbesondere das vergangene Jahr genutzt, sich intensiv um den Zugang zu den osteuropäischen Märkten zu kümmern. Mit der Firma USM wurde ein Vertriebspartner in Russland gefunden. "Bei knickgelenkten Muldenkippern handelt es sich um ein Nischenprodukt. Es muss mit Herzblut verkauft werden", meint der Geschäftsführer. Und das sei bei USM der Fall. Als ersten großen Erfolg nennt er zehn 40-Tonner aus Eisenach für einen Magnesit-Steinbruch, betrieben von einer russischen Tochtergesellschaft eines westeuropäischen Konsortiums.

Zudem unterhält der Hersteller ein Büro in Moskau. In absehbarer Zeit werde das Unternehmen in Russland eine eigenständige Organisation gründen, was das Geschäft in Osteuropa weiter ankurbeln soll.

Auch in Polen hat der Hersteller einen erfahrenen Händler an sich binden können. Zu dessen Standbeinen gehört die Rundumerneuerung von Gebrauchtmaschinen mit zwölfmonatiger Garantie. "Der erste modernisierte Bell-Kipper ist bereits an einen polnischen Kunden ausgeliefert worden", berichtet der Geschäftsführer.

Mit seiner auf der kommenden bauma vorgestellten neuen Generation der D-Serie präsentiere sich Bell einmal mehr als "Spezialist in der Breite", so Krings. "Mit insgesamt sechs echten Leistungsklassen bieten wir von allen das größte Programm." Als ein weiteres Plus nennt er das neue kostenlose Basispaket der "Fleetm@tic"-Maschinendokumentation: "Für viele kleinere Betriebe ist das ein Kaufargument." Überdies fördere die Berufsgenossenschaft viele der neuen Ausstattungsmerkmale, beispielsweise die Berganfahrhilfe. Dabei sieht sich Bell als Vorreiter in der Fahrzeugsensorik, mit deren Hilfe man unter anderem erfährt, wie schräg man mit dem Fahrzeug steht und ob das Kippen noch sicher ist. "Weiterhin sind wir die einzigen in diesem Segment mit Mercedes-Benz-Motoren." Diese seien überaus genügsam: "Wir haben Minderverbräuche von 20 Prozent gegenüber vergleichbaren Wettbewerbsmaschinen gemessen."

Um bei Käufern zu punkten, setzt der Hersteller jedoch auch auf die kundenorientierte Anpassung von Serienfahrzeugen auf spezifische Anforderungen, etwa für Untertageeinsätze in Thüringen. Ein weiteres Feld sind Sonderfahrzeuge, beispielsweise mit schmaler Baubreite für enge Durchfahrten, so im Gewinnungsbereich und auf Erdbaustellen.

Außerdem verweist Krings auf neue Systemlösungen ab Werk wie den neuen Hakenabrollkipper für die Modelle B25D und B30D. Die hat Bell insbesondere für Recyclingbetriebe und Umschlaganwendungen konzipiert.

"Wir sind im Moment der einzige OEM-Anbieter für Knicklenker mit Hakenlift", betont der Geschäftsführer. Es handele sich um ein komplett neues, um einen Meter verlängertes Chassis mit Palfinger-Aufbau, abgestimmt insbesondere auf die Normen und Bedürfnisse in den großen europäischen Märkten: "Einige Kunden zeigten bereits bei den Vorpräsentationen großes Interesse, und wir werden uns insbesondere auch in den für uns neuen Recyclingbranchen wie Schrott und Holz oder auch im allgemeinen Güterumschlag stärker positionieren." Als Beispiel nennt Krings die "offizielle Logistikpartnerschaft", die Bell für seinen 6x6-Hakenabrollkipper mit der im kommenden Jahr stattfindenden Recycling-Demomesse "Recyling-Aktiv 2011" vereinbart hat.

Doch auch eine Abrundung des Programms nach unten hin bleibt denkbar, etwa durch den Import von 18- oder 20-Tonnern aus dem südafrikanischen Stammwerk. "Diese Modelle sind bereits seit langem Bestandteil des dortigen Programms und entsprechen durchweg den technischen Standards der großen Bell-Muldenkipper." Es müsste lediglich noch die CE-Zulassung geregelt werden. "Skandinavien wäre sicherlich ein starker Markt für die kleinen Modelle. Aber alles in allem dürften auch diese Varianten Nischenprodukte bleiben", schätzt der Geschäftsführer.

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