Branchentreff zur digitalen Standardisierung für Baumaschinen und Baugeräte
VDBUM soll neutrale Schnittstelle vorantreiben
von: Sonja WeißeStockstadt. – Alle wollen digitale Standardisierung - so war es in Workshops, Diskussionen und Vorträgen beim VDBUM-Branchentreff im Coreum in Stockstadt immer wieder zu hören. Der Verband der Baubranche, Umwelt- und Maschinentechnik nutzte den Treff außerdem für eine Umfrage unter den rund 150 Teilnehmern. Die Auswertung erbrachte eindeutige Ergebnisse. Der Verband der Baubranche, Umwelt- und Maschinentechnik (VDBUM) erhielt kürzlich auf einem Branchentreff in Stockstadt zum Thema "Digitale Standardisierung für Baumaschinen und Baugeräte im BIM-Prozess" das Mandat, die Entwicklung einer neutralen Web- oder FMS-Schnittstelle voranzutreiben. Rund 150 Teilnehmer waren zu der zweitägigen Veranstaltung gekommen, mit der der Verband Entwicklungen im Bereich der Digitalen Standardisierung für Baumaschinen und Geräte im BIM-Prozess vorantreiben wollte. Ein Großteil von ihnen wollte sich ein Bild machen, wo die Digitalisierungsmaßnahmen des eigenen Unternehmens einzuordnen sind und sich mit anderen Verbandsunternehmen vernetzen. "Wir wollen den Status quo und das Stimmungsbild der Branche erfassen", sagte VDBUM-Präsident Peter Guttenberger und forderte zudem: "Wir müssen Begeisterung wecken!". In Podiumsgesprächen vertieften anschließend rund 40 Experten das Thema Digitalisierung aus den Blickwinkeln von Anwendern, Anbietern, Vermietern und Serviceanbietern. Die geforderte Begeisterung und Motivation war dabei durchaus zu spüren. Den Aussagen von Referenten der Vorträge und Teilnehmern der moderierten Gesprächen zufolge wollen offenbar alle die Standardisierung. Doch, diese Frage tauchte immer wieder auf: "Wenn alle mitmachen wollen, warum sind wir denn dann eigentlich noch nicht weiter?" "Jeder sagt, wir brauchen einen Standard, aber jeder meint seinen eigenen", brachte ein Teilnehmer das Problem auf den Punkt.Dr. Rainer Bareiß von der Wolff & Müller Holding GmbH & Co. KG bezeichnete es jedoch als unabdingbar, eine Plattform für alle Maschinen zu schaffen. "Wenn jeder Hersteller seinen eigenen Standard etabliert, dann werden wir nicht zusammenarbeiten können", warnte Bareiß.
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Bei den Diskussionen zeigte sich auch, dass es unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen bei dem Thema Digitalisierung gibt. So sagte Steffen Kujajewski von der ZK Holding (Hochbau) bei einer Diskussion unter Vertretern aus Bauindustrie und Mittelstand zu Chancen und Herausforderungen digitaler Effizienz in der Bauwirtschaft, BIM werde am Markt zunehmend gefordert. Patrick Schnathmann von der Firma Pusch-Bau dagegen sagte: "Unsere Auftraggeber fragen das nicht nach, eher im Gegenteil." Auch Christian Paulus, Bachenfeld und Krauchbach, beschrieb, dass im Straßenbau BIM nur sehr wenig angefragt werde. Es seien eher große Auftraggeber im Hochbau und Infrastrukturbau, die das fordern, berichtete Alexander Kropp, Leiter der BIM-Abteilung bei Max Bögl, von seinen Erfahrungen. Auch von Vorbehalten bei den Mitarbeitern berichteten einige Unternehmer. "Digitale Geländeerfassung machen bei uns die Azubis, ältere wollen sich damit nicht befassen", hieß es.Vertreter der Bauindustrie mit einem gemischten Maschinen- und Anbaugerätebestand sowie Anbieter von Steuerungstechnik äußerten in einer Diskussionsrunde den Wunsch, alle relevanten Maschinendaten in einer Cloud vorzufinden. Dafür müssten die Maschinenhersteller ihre Schnittstellen öffnen und perfekt beschreiben. Klärungsbedarf zeigte sich hinsichtlich der Frage, wer als Eigentümer der Daten zu betrachten ist. Markus Lange von der Zeppelin Baumaschinen GmbH nannte die ISO Norm 15143-3 eine Arbeitsgrundlage auf dem Weg zu einer herstellerübergreifenden Standardisierung. Am Beispiel Leerlauf beschrieb er, dass die Definitionen der einzelnen Unternehmen derzeit weit auseinander liegen.Die Vertreter der Hersteller von Anbaugeräteherstellern würden eine Bedienung über die Hauptsteuerung bevorzugen. Um ihren Kunden aktuell einen Mehrwert zu bieten, befinden sich mehrere Unternehmen im Austausch, erarbeiten Schnittstellen und einheitliche Standards. Auch auf dem Mietmarkt spielt die Digitalisierung eine zunehmend wichtige Rolle, etwa bei Fragen zum Standort, den Einsatzzeiten oder dem Wartungsbedarf.
Auf die Frage nach konkreten KI-Einsatzbereichen für künstliche Intelligenz (KI) nannte Prof. Frank Will von der TU Dresden die Bodenerkennung, Prof. Manfred Helmus von der Bergischen Universität Wuppertal sah bei Verträgen und der Bauausführung Möglichkeiten zur Erhöhung der Sicherheit, Florian Wenzler von der TU München ergänzte dies um die Personen- und Warenerkennung. Dass viele Entwicklungen nicht schneller gelängen, liege auch an veralteten Lehrinhalten und der schlechten Ausstattung mancher Hochschule, kritisierte Prof. Helmus. Er forderte eine Aufstockung der Geldmittel für Forschung und Lehre.Juristisch scheint es Unsicherheiten beim Thema Digitalisierung zu geben. "Das Ding ist im Fluss", fasste es der Jurist Phillip Fischer von der scope & focus Service-Gesellschaft GmbH zusammen, der zum Thema Datenrechte sprach. Anonymisierte Daten dürften vom Grundsatz her erhoben werden, personenbezogenen Daten nur auf Grundlage eines Erlaubnistatbestandes. Eine Betriebsvereinbarung wäre als eine Lösung denkbar, so Fischer. Die Einwilligung direkt von Mitarbeitern einzuholen, empfehle er dagegen nicht, da die Mitarbeiter diese auch wieder widerufen könnten. Er gab der Branche auf, einen gemeinsamen Verhaltenskodex zu entwickeln, bevor der Gesetzgeber unerwünschte Regelungen treffe.Neben Podiumsdiskussionen und Vorträgen waren sechs Workshops ein zentraler Bestandteil der Veranstaltung. Nach jedem dieser Workshops waren die Teilnehmer aufgefordert, einige Fragen einer Umfrage zu beantworten. Diese Erhebung erbrachte nach der Auswertung des VDBUM zum Teil sehr deutliche Ergebnisse:
So bejahten fast 90 Prozent der Umfrageteilnehmer voll oder überwiegend, dass der VDBUM ein Mandat erhalten solle, hauptamtlich die Entwicklung einer neutralen Web- oder FMS-Schnittstelle, die den Anforderungen der Bauwirtschaft Genüge leiste, im Detail technisch voranzutreiben. Diese solle auch Anforderungen an neue Datenarten berücksichtigen.Knapp 60 Prozent gaben zudem mit der höchsten Note auf einer Skala von 1 bis 6 an, die Erarbeitung eines einheitlichen Plattformformats sei ihnen sehr wichtig. Etwa ebenso viele Umfrageteilnehmer erteilten die Höchstnote 1 bei den Fragen "Wie groß schätzen Sie den Nutzen von digitalisierten Schnittstellen zu Partnerfirmen und Nachunternehmern?" und "Wie wichtig ist Ihnen das "Tracking and Tracing" von Geräten, Maschinen, Werkzeugen und Baustoffen?". Den Herstellern wird dabei aufgegeben, robuste Tracker mit langer Batterielaufzeit zu produzieren, deren Preise auch in Relation zum Wert günstiger Anbaugeräte stehen. Eine deutliche Mehrheit von mehr als 75 Prozent wünscht die Übertragung von Daten des Anbaugeräts in das Trägergerät, gut die Hälfte spricht sich für die Übertragung dieser Daten in die Cloud aus.Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer gab zudem mit der Höchstnote an, die Ausweitung der ISO auf alle Baugerätearten sei ihnen sehr wichtig. Die Frage "Wie bewerten Sie die Notwendigkeit, zu jeder Baumaschine auch einen digitalen Zwilling zu führen?" erhielt eine ähnlich hohe Zustimmung. VDBUM-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Jan Scholten erklärte zum Abschluss des Branchentreffs, dass der Verband die Ergebnisse nun analysieren werde. Eine Fortführung der Veranstaltung erwarte er in kleineren Expertenkreisen.Teilnehmer äußerten sich im Nachgang positiv über die Veranstaltung. Dr. Hans Regler von fielddata.io zum Beispiel war zu dem Branchentreff gekommen, um den aktuellen Stand der Standardisierung in diesem Umfeld zu erfahren und mehr Hintergrundinformationen diesbezüglich zu erhalten. Diese Erwartungen seien erfüllt worden, so Dr. Regler. Er sehe es sehr positiv, dass der VDBUM den Auftrag erhielt, die Entwicklung einer neutralen Web- oder FMS-Schnittstelle voranzutreiben. "Bisher wurde eigentlich nur davon gesprochen und kaum in die aktive Umsetzung gegangen. Vielleicht gelingt dies ja mit einem weiteren Anlauf", so Dr. Regler.
Hilmar Troitzsch, Leiter Forschung und Geschäftsfeldentwicklung bei der Zeppelin Rental GmbH, sieht das Branchentreffen als einen vollen Erfolg. In Richtung Bauherrn und Baubetrieb sei ein klares Signal zur Bereitschaft zum Datenaustausch gesendet worden. "Hinsichtlich einheitlicher Standards und Schnittstellen ist es uns als Zeppelin Rental wichtig, dass wir uns als Branche positionieren, um einen herstellerneutralen Austausch zwischen Baubetrieb und Maschinenhersteller zu definieren", so Troitzsch. Er glaube allerdings, dass Maßstäbe, Standards und Schnittstellen für diese Prozesse weniger vom VDBUM alleine gesetzt werden könnten, als vielmehr mit der baubetrieblichen Planung gemeinsam entwickelt werden müssten.
Einzelne Teilnehmer hatten auf dem Branchentreff auch dazu aufgerufen, sich an dem auf der bauma gegründeten Arbeitskreis "Machines in Construction" MIC 4.0 zu beteiligen. Der Arbeitskreis ist unabhängig vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), findet aber in dessen Räumen statt. Verschiedene Hersteller beteiligen sich daran. Ziel ist es, Maschinen mehr und mehr miteinander zu vernetzen. Unter anderem geht es um Maschinendaten, M2M-Kommunikation, ISO 15143-3, Standardisierung und Datenrechte.