Brenner-Basistunnel als Leuchtturmprojekt

Tunnelbauten sollen CO2-neutrale Energielieferanten werden

Graz/Innsbruck/Österreich (ABZ). – Ein Forschungsverbund unter Leitung der TU Graz möchte die im abgeleiteten Tunnelwasser steckende Wärme für die Energieversorgung ganzer Stadtteile nutzen. Im Rahmen des FFG-Programms "Stadt der Zukunft" wird ein nachhaltiges Konzept für die Stadt Innsbruck erarbeitet.
Tunnelbau
Das Drainagewasser des Brenner-Basistunnels könnte Innsbrucker Stadtviertel zukünftig mit Energie versorgen. Ein Forschungsverbund unter der Leitung der TU Graz lotet die Möglichkeiten aus. Foto: BBT SE

Der Brenner-Basistunnel soll nach seiner Fertigstellung in ungefähr zehn Jahren für Entlastung im Transitverkehr zwischen Italien und Österreich sorgen. Die Brenner-Basistunnel Gesellschaft (BBT SE) und die Innsbrucker Kommunalbetriebe wollen nun gemeinsam mit dem Institut für Felsmechanik und Tunnelbau der TU Graz einen weiteren Nutzen generieren und das geothermische Potenzial des Tunnels ermitteln, wie Institutsleiter Thomas Marcher erklärt: "Wir untersuchen, ob und wie das Drainagewasser aus dem Brenner-Basistunnel zum klimafreundlichen Heizen und Kühlen von Häusern oder sogar ganzen Stadtvierteln in Innsbruck genutzt werden kann."

Innerhalb eines Jahres wollen die Forschenden mithilfe von Simulationsmodellen für den Brenner-Basistunnel eine erste Abschätzung treffen, welche infrastrukturellen Maßnahmen es braucht, um die höchste Energieausbeute zu erzielen. Projektkoordinator Thomas Geisler vom Institut für Felsmechanik und Tunnelbau nennt Beispiele: "Wir testen etwa Möglichkeiten, ob und wie wir die Temperatur des Drainagewassers auf ein höheres Niveau bringen können. Eine denkbare Variante sind sogenannte Absorber-Techniken (Energie-Anker oder Energie-Sohlen, Anm.), die an der Tunnelinnenwand verbaut werden und die Gebirgswärme aufnehmen. Darüber hinaus wollen wir klären, wie eine sinnvolle ökonomische Verteilung des Wassers hinein in die Haushalte erfolgen kann und wie die Wärmepumpen und die Wärmeübertrager geplant oder adaptiert werden müssen." Die Ergebnisse dienen der BBT SE und den Innsbrucker Kommunalbetrieben schlussendlich als Entscheidungslage für die weitere wirtschaftliche und technische Umsetzung.

Bei ihren Planungen kommen den Forschenden die Alleinstellungsmerkmale des mit 64 km dann längsten Eisenbahntunnels der Welt zugute: Durch seine Länge und seine Neigung zu Innsbruck hin fließt das Tunnelwasser im Brenner-Basistunnel automatisch und ohne zusätzlichen Pumpenaufwand auf die Stadt zu. Außerdem befindet sich unter den Hauptröhren ein Erkundungsstollen, der schon fast fertiggestellt ist und über den auch das Drainagewasser der Haupt-tunnel zukünftig abgeleitet wird. Im Erkundungsstollen können somit Konzepte zur Energiegewinnung entwickelt werden, die den Bahnbetrieb nicht behindern. Die Umsetzung ist also mit weniger Aufwand und mit geringeren Kosten verbunden, als dies bei vergleichbaren Projekten der Fall war – in Stuttgart (Fasanenhof-Tunnel), der Schweiz (Gotthard-Basistunnel) und in Jenbach (Unterinntaltrasse, Tirol) wird eine ähnliche Form der geothermischen Energiegewinnung bereits umgesetzt. Die Herausforderung bleibt trotzdem groß. Um das effizienteste System identifizieren zu können, müssen die Forschenden die Menge des Wassers, die nach Fertigstellung des Brenner-Basistunnels zur Verfügung steht, sowie dessen Temperatur kennen. Fachlich unterstützt werden sie hierbei von Teams des AIT und der Geologischen Bundesanstalt sowie von BOKU-Forschenden des Instituts für Angewandte Geologie und des Instituts für Energie und Verfahrenstechnik. "Wir haben das Projekt sehr interdisziplinär angelegt, zumal das für das beste Ergebnis die Expertise aus den Fachgebieten Hydrogeologie, Tunnelbau, Verfahrenstechnik und Hydrochemie braucht", so Geisler. Die notwendigen Daten für die Untersuchungen kommen von der BBT SE und den Innsbrucker Kommunalbetrieben.

Ein weiterer wichtiger Kernaspekt der Arbeit zielt auf die Übertragbarkeit des Konzepts auf andere, auch bestehende Tunnelbauten ab. Die Forschungsgruppe wird im Zuge des Projekts untersuchen, mit welchen Technologien aktuelle Tunnelbauprojekte ergänzt und bereits aktive Tunnelanlagen nachgerüstet werden können, um ihr energetisches Potenzial voll auszuschöpfen. "Das oberirdische Platzangebot wird immer knapper und der Energiebedarf immer größer. Untertagebauwerke sind natürliche Energie- und Wärmequellen. Nicht nur aus ökologischer Sicht, auch aus Platzgründen ist es also nur gut und sinnvoll, diese Infrastruktur zukünftig verstärkt für die Energieversorgung zu nutzen", hofft Thomas Marcher auf Vorbildwirkung für Tunnel-planer und -betreiber auf der ganzen Welt. Bei aller Zuversicht für eine nachhaltige Wärmenutzung mahnt der Felsmechaniker zu einem besonnenen Vor-gehen: "Wir müssen intensiv überprüfen, wie sich der Wärmeentzug langfristig auf die thermophysikalischen Eigenschaften des Gebirges auswirkt. Denn was wir alle nicht wollen: Eine Abkühlung in einer solchen Dimension, die die Energiegewinnung langfristig schmälert."

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