Bürgerbeteiligung bei Großprojekten

Dialogkultur hat solides Fundament

STUTTGART (ABZ). - Wie wird in Zukunft die Bürgerbeteiligung bei großen Bau- und Infrastrukturprojekten gestaltet? Mit dieser Frage befassten sich der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Staatsrätin Gisela Erler sowie Experten aus den Ingenieurwissenschaften und der Bauwirtschaft beim "Forum Bürgerbeteiligung" des VDI Landesverbands Baden-Württemberg in Stuttgart. Die Verwaltungsvorschrift Öffentlichkeitsbeteiligung und der neue Planungsleitfaden sowie die Richtlinien VDI 7000 und VDI 7001 schaffen einen neuen Rahmen für Bürgerbeteiligung."Es geht heute um die Verknüpfung von zwei zentralen Anliegen der Landesregierung: Die Wirtschaft soll sich zukunftsfähig fortentwickeln und die Bürgerschaft soll sich mit ihren Anliegen einbringen können", unterstrich Kretschmann. In enger Abstimmung mit Vertretern der Bauwirtschaft sei es der Landesregierung gelungen, erstmals in Deutschland einen verbindlichen Rahmen für eine stärkere Bürgerbeteiligung bei öffentlichen Bauprojekten zu schaffen. Parallel dazu habe der VDI einen eigenen Leitfaden für private Bauprojekte entwickelt. Kretschmann: "Dies hebt die Kooperation von Wirtschaft und Verwaltung auf eine neue Stufe und ist ein Meilenstein in der stärkeren Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger im Land."Staatsrätin Gisela Erler ergänzte: "Bürgerinnen und Bürger sollen mitsprechen und mitgestalten und ihre Vorschläge müssen von der Behörde tatsächlich gewürdigt und abgewogen werden. Bei allen Beteiligten müssen die Spielregeln klar sein. Das ist ein großes kulturelles Lernvorhaben für Bürgerschaft und Behörden, aber auch für die Vorhabenträger und Ingenieure. Eine auf das jeweilige Projekt abgestimmte Bürgerbeteiligung kann unserer Erfahrung nach Behördenentscheidungen qualitativ besser und auch schneller machen.""Die Folgen mangelnder Akzeptanz, das heißt die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Folgeschäden sind zu hoch, um sich als Ingenieure nicht aktiv mit neuen Konzepten zur Bürgerbeteiligung zu befassen", erklärte VDI-Direktor Ralph Appel. Die Bauindustrie hat im Juni vergangenen Jahres ausgerechnet, dass derzeit in Deutschland 81 Infrastrukturprojekte mit einem Investitionsvolumen von 51 Mrd. Euro, vornehmlich aus den Bereichen Verkehr und Energieversorgung, nicht umgesetzt werden. Eine der Hauptursachen hierfür ist fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung.Um insbesondere den Dialog mit der Bevölkerung zu fördern, hat der VDI die Richtlinien VDI 7000 und VDI 7001 erarbeitet. Die VDI-Richtlinie 7000 ist als Management-Leitfaden konzipiert, der einem Vorhabenträger zeigt, wie er sich vor dem förmlichen Genehmigungsverfahren mit den Beteiligten auf eine Antragsvariante einigt. Die VDI-Richtlinie 7001 definiert neben zehn allgemeinen Grundregeln für jede einzelne Leistungsphase der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) Standards für gute Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung. Dabei wird unter anderem dargelegt, welche Instrumente der Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung in der jeweiligen Leistungsphase wie miteinander zu kombinieren sind und wer zu beteiligen ist.Die VDI-Richtlinien sind nicht verpflichtend, aber sie geben den Verantwortlichen bei Bauprojekten wichtige Informationen und Handlungsoptionen an die Hand. Damit ergänzen sie den Planungsleitfaden und die Verwaltungsvorschrift des Landes auf Seite der ausführenden Architekten, Planungs- und Bauingenieure aus der Bauwirtschaft.Klaus Pöllath, Vorstandsmitglied der Züblin AG und Vizepräsident Technik des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie verwies auf häufig auftretende Probleme bei Großprojekten: Auf Grund von Einsprüchen, zum Beispiel im Planfeststellungsverfahren oder auf Grund von Ver-fahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, kommt es in der Planungsphase zu erheblichen Verzögerungen. Der Terminplan für die Realisierung des Projekts kann nicht eingehalten werden. Es entstehen zusätzliche, hohe Kosten, die im Budget nicht vorgesehen ist.Pöllath betonte, dass die Bauwirtschaft mit partnerschaftlichem Bauen gute Erfahrungen gemacht habe. Partnerschaftliches Bauen heißt: Bereits frühzeitig den Sinn und Zweck des Bauwerks klar definieren, die Interaktion mit den Interessensgruppen fördern, bei Versammlungen mit Hilfe von Simulationen oder Visualisierungen das geplante Projekt griffig und dadurch begreifbar machen, während der Projektplanung und Projektausführung über den Fortgang des Bauwerks informieren.Das Forum "Infrastruktur- und Industrieprojekte im Konsens realisieren – neue Dialogkultur in Baden-Württemberg" zeigte, dass das Thema Bürgerbeteiligung bei Großprojekten von Politik und Wirtschaft gemeinsam getragen wird. Die angestrebte neue Dialogkultur hat mit den bereits ergriffenen Maßnahmen von Land und VDI ein solides Fundament erhalten.

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