Büro- und Geschäftshaus nach Auflagen des Denkmalschutzes gestaltet

Seilunterstütze Arbeitsmethodik ermöglicht Nutzbarmachung eines Dachgeschosses

Das Schienensystem ist dafür ausgelegt, dass der Höhenarbeiter entsprechend der vorgegebenen Dachneigung problemlos in der Lage ist, die vorgegebene Fläche sicher zu begehen und dadurch seine Aufgaben zügig zu erledigen. Foto: St Quadrat Fall Protection

Berlin (ABZ). – Das Berliner Büro- und Geschäftshaus am Kurfürstendamm 188 (in Berlin kurz K 188 genannt) stammt aus der Gründerzeit um 1908 und hat den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet überstanden. Von Anfang an war das Walmdach mit dem Ecktürmchen und seinen Ziergiebeln das Erkennungsmerkmal dieses markanten Gebäudes. Entsprechend sensibel war der Umgang mit dem heute denkmalgeschützten Relikt, dessen Dachlandschaft nie für eine Nutzung ausgelegt war. Im Zuge der Sanierung des Gebäudes suchten die Architekten vom Berliner Architekturbüro Axthelm und Rolvien nach einem befriedigenden, über alle Geschosse reichenden Nutzungskonzept. Alle Ideen scheiterten an der Zugangsmöglichkeit der schwer zugänglichen Dachflächen für die Reinigung und spätere Instandhaltung des Dachgeschosses. Die Denkmalschutzbehörde duldete hier keine fest installierten Befahranlagen am Objekt, keine Robotertechnik an der Fassade und auch keinen Maschineneinsatz vom Kurfürstendamm aus. Der stark frequentierte Straßenbereich machte zudem den Einsatz eines Hubsteigers vom Straßenraum aus unmöglich. Alle Möglichkeiten schienen ausgereizt und nicht realisierbar.

Arbeiten auf dem Dach gehören zu den anspruchsvollsten und umfangreichsten Gewerken an der Gebäudehülle. Diese Gewerke sind dem Fachhandwerk vorbehalten. Wer hier arbeitet, der ist sich auch über das Absturzrisiko bewusst und beugt der Gefahr vor. Bauherren sind verpflichtet, hierfür die erforderlichen Sicherheitseinrichtungen vorzuhalten, während der Entstehung eines Hochbaus, ebenso wie für die Zeit des Betriebes. Der Hersteller der nach eigenen Angaben bewährten LUX-top Absturzsicherungssysteme ist seit über 25 Jahren Experte auf dem Gebiet der Entwicklung, Planung und Fachmontage verschiedenster Absturzsicherungssysteme. Mit einer interessanten und dazu sicheren seilunterstützten Zugangstechnik lieferten die Techniker von St Quadrat Fall Protection den Architekten schließlich die zündende Idee für die Nutzbarmachung des Dachgeschosses im K 188. Die damit verbundene Arbeitsmethode ist relativ neu. Sie wurde im Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken e. V. (Fisat) zusammen mit den Herstellern der Absturzsicherungssysteme erarbeitet und eröffnet den Architekten und Planern neue Geschäftsfelder, diese bisher brachliegenden Gebäudebereiche ins Wartungs- und Instandhaltungskonzept zu integrieren und dadurch den Mehrwert einer Immobilie zu erhöhen. Die Seilzugangstechnik, auch Seilzugangs- und Positionierungstechniken (SZP), international Rope Access genannt, eignet sich nach eigenen Angaben als Zugangsverfahren für Arbeiten an hoch gelegenen und schwer zugänglichen Arbeitsplätzen und sei eine schnelle, flexible und kostengünstige Alternative zu Gerüst oder Arbeitsbühne, um den jeweiligen temporären Arbeitsort zu erreichen. Das Arbeiten am Seil ist sowohl in Europa als auch in Deutschland gesetzlich geregelt. Für Europa gibt es die Richtlinie 2009/104/EG, die in Deutschland in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) umgesetzt wurde. Hierbei positionieren sich die Höhenarbeiter, auch Industriekletterer oder Seilarbeiter genannt, für Arbeiten an hoch gelegenen Orten immer mit Hilfe von Trag – und Sicherungsseilen, steigen auf oder seilen sich ab, um sich an der jeweiligen Arbeitsstelle sicher zu positionieren. Diese Arbeitsmethode wird mittlerweile sowohl im Denkmalschutz als auch im modernen Industrie- und Objektbau, aber auch im Wohnungsbau eingesetzt. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um einen Neubau, eine Sanierung, Revitalisierung oder Gebäudeerweiterung handelt. Die seilunterstützte Zugangstechnik bietet ein breites Betätigungsfeld für unterschiedliche Baustile und Gebäudeformen.

Das objektbezogene Zugangskonzept für das Büro- und Geschäftshaus am K 188 ist methodisch aufgebaut und beinhaltet neben der vorangegangenen Gefährdungsbeurteilung, Aufgangs- und Zuwegelösungen, Vorgaben für die persönliche Schutzausrüstung (PSAgA), zulässige Lastabtragungen, Anzahl von Personen, Hinweise zu Witterungseinflüssen, Systeme und Komponenten der Absturzsicherung, inkl. Dokumentation der eingesetzten Systeme, bis hin zu Empfehlungen für die Rettung verunfallter Personen.

Diese schlüssige Arbeitsmethodik hat einen Umdenkprozess in den Köpfen der Projektverantwortlichen bewirkt. Auch die Denkmalschutzbehörde war laut St Quadrat von der Machbarkeit überzeugt. Folglich konnte der Dachausbau gemäß EnEV 2014 als wärmegedämmtes, belüftetes aufgedoppeltes Schieferdach ausgeführt werden. Es galt, die Dachfläche als solche zu erhalten. Allerdings sah man ein, dass für eine hochwertige Nutzung die Räume natürlich zu belichten sind. Problematisch waren für die Denkmalbehörde vor allem die hochspringenden Kanten und die Reflexionen des Glases, beides sollte von der Straße aus möglichst nicht wahrnehmbar sein. Diese Bauaufgabe lösten die Architekten mit einer Festverglasung, bei der die Scheiben mit einem grauen vertikal verlaufenden Muster bedruckt und flächenbündig in die Dachflächenebene integriert wurden. Dieses etwa 3 m breite Scheibenband verläuft nun entlang der beiden Straßenfronten etwas oberhalb der Traufe. Das Tageslicht, das nun ins Gebäudeinnere von oben hereinfällt, schafft eine freundliche Raumatmosphäre und gute Aufenthaltsqualität.

Um das Dach überhaupt ausbauen zu können, insbesondere um neu auftretende Deckenlasten sicher in das tragende Mauerwerk einzuleiten, musste auch der Dachboden ertüchtigt werden. Zudem waren Dachgauben genauso wenig genehmigungsfähig wie reguläre Dachflächenfenster, weil sie nach Auffassung der Denkmalpflege das historische Erscheinungsbild dieses denkmalgeschützten Objektes zu stark verändert hätten. Alle eingesetzten Komponenten sind im Vorfeld bemustert, coloriert und von der Denkmalschutzbehörde genehmigt worden. Während der Phase der Dachneugestaltung wurde das Dach mit einem temporären Schutzdach überspannt. Auf diese Weise konnte nicht nur witterungsunabhängig zügig weitergearbeitet werden; die Behördenvertreter konnten die Dachumgestaltung live in jeder Abwicklungsphase vor Ort begleiten und aktuell anstehende Entscheidungsprozesse sofort beeinflussen.

Den Zugang für die spätere Reinigung der großformatigen Festverglasung löste man mit dem Schienensystem LUX-top FSA 2010-H, bestehend aus einer horizontalen Anschlageinrichtung mit fester Führung gemäß DIN EN 795 Typ D, die zum sicheren Anschlagen der persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) bei Arbeiten in absturzgefährdeten Bereichen dient. Das Schienensystem ist dafür ausgelegt, dass der Höhenarbeiter entsprechend der vorgegebenen Dachneigung problemlos in der Lage ist, die vorgegebene Fläche sicher zu begehen und dadurch seine Aufgaben zügig zu erledigen.

Um möglichen Verformungen der Schiene entgegenzuwirken, wurde der max. Abstand der für das Schieferdach erforderlichen Halter von standardmäßig 3m auf 0,9 m reduziert. Die zum System gehörenden Unterkonstruktionen integrierte der beauftragte Dachdeckerbetrieb verdeckt in die Schieferdeckung. Zwei unterschiedlich konzipierte Gleiter machen nach Herstellerangaben die Benutzung des LUX-top Schienensystems perfekt: Während der erste Gleiter als standardmäßiger Anschlagpunkt fungiert, unterstützt der zweite Gleiter mit einer Lasche in Bewegungsrichtung das optimale Gleiten. Entsprechende Einstiegs- und Ausstiegsterminals in der Nähe der Schiene erleichtern die Benutzung. Insgesamt drei Dachflächen sind mit dieser Zugangstechnik ausgerüstet worden, zwei davon liegen neben der zwiebelturmartigen Rotunde und dem Schmuckgiebel zum Kurfürstendamm hin. Eine weitere Schiene wurde im rückwärtigen Bereich zur kreuzenden Schlüterstraße hin in die Dachfläche integriert. Die Schienen fügen sich konstruktiv wie farblich harmonisch in die Dachfelder ein.

Die Immobilie ist im Bestand eines Frankfurter Immobilienunternehmens. Die zusätzlich geschaffenen Büroflächen im Dachgeschoss haben schnell einen Mieter gefunden. Dieses Beispiel zeigt anschaulich, dass mit rechtzeitiger Planung und seilunterstützter Arbeitsmethodik die Reinigung und Instandhaltung an schwer erreichbaren Gebäudeteilen durchaus möglich ist. Die Investition in seilunterstützte Zugangstechnik, z. B. mit dem horizontalen Schienensystem LUX-top FSA 2010-H, ist laut Hersteller auf Dauer nicht nur sicher, nachhaltig und wirtschaftlich; es sei darüber hinaus eine interessante und wesentlich kostengünstigere Alternative zu gängigen gebäudetechnischen Festinstallationen. Ein weiterer Vorteil bestehe in der Nutzbarmachung von Räumen und damit im Mehrwert durch Raumgewinn.

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