Construction Equipment Forum 2019

"Insellösungen bringen uns nicht weiter"

von: Robert Bachmann
Diskutierten gemeinsam über die künftige Entwicklung von Baumaschinen (v. l.): Falk Bösche (Swecon), Frank Dahlhoff (Sitech Deutschland), Dr. Anton Demarmels (Ammann), Prof. Dr. Matthias Tomenendal (Moderator), Roberto Ferrari (TTControl), Andrew Allen (Bosch) und Martin Lehner (Wacker Neuson). Fotos: Bachmann

Mannheim. – Wann wird die Baustelle smart? Mit dieser Frage beschäftigten sich Ende November rund 450 Vertreter aus der Baumaschinen- und Bauindustrie auf dem diesjährigen Construction Equipment Forum in Mannheim. Zwei Tage lang wurde dort intensiv über die Digitalisierung des Bauens, vernetzte Baumaschinen und alternative Antriebsformen diskutiert. Dabei wurde vor allem deutlich, dass sich die Branche vom klassischen Inseldenken verabschieden muss. Die Bauindustrie befindet sich inmitten eines digitalen und ökologischen Wandels. Das bringt nicht nur Herausforderungen mit sich, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten der Wertschöpfung. Wo die Branche heute steht und wo die Reise hingeht, war auch in diesem Jahr Thema des Construction Equipment Forums (CEF). Nach der erfolgreichen Premiere im vergangenen Jahr hatte der Veranstalter, die IPM AG, die Veranstaltung für die diesjährige Ausgabe von Hannover nach Mannheim verlegt. Rund 450 Teilnehmer und etwa 50 Referenten waren der Einladung zum Austausch gefolgt.

Alternative Antriebe
Zeitgemäß zu bauen, bedeutet auch umweltschonend zu bauen. Neben der Digitalisierung, Vernetzung und Automatisierung von Baumaschinen standen auch in diesem Jahr wieder alternative Antriebsformen im Fokus der Veranstaltung. Eingeleitet wurde die Diskussion mit einem kritischen Statement der Umweltaktivistin Clara Mayer von der "Fridays for Future"-Bewegung. "Ich bin nicht hier, um euer Gewissen zu erleichtern", sagte Mayer. "Ich bin hier, um Sie zu kritisieren." Die Baustelle sei ein Klimakiller. Es könne nicht darum gehen, sie nur etwas umweltschonender zu machen. Vielmehr müsse die bauindustrielle Produktion grundsätzlich eingeschränkt werden, forderte sie.

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Sorgte für einen kritischen Einstieg in die Diskussion: Umweltaktivistin Clara Mayer von "Fridays for Future".

Eine Antwort darauf lieferte Martin Lehner, CEO der Wacker Neuson Gruppe. Die Industrie in der Klimafrage an den Pranger zu stellen, helfe niemanden, sagte er. Lösungen könnten nur gemeinsam gefunden werden. Dazu gehören auch die vollelektrischen Baumaschinen und -geräte, auf deren Entwicklung sich Wacker Neuson seit einigen Jahren fokussiert. In Verbindung mit regenerativen Energien sei der Elektroantrieb im Bereich kompakter Maschinen eine gute Lösung, erklärte Lehner. Bei schwereren Anwendungen werde der Dieselantrieb jedoch weiterhin benötigt.Auch Rudolf Ellensohn, Leiter der Geschäftseinheit Verbrennungsmotoren bei der Liebherr Components Biberach GmbH, ist davon überzeugt, dass der Dieselmotor noch Potenzial besitzt. Die aktuelle Motorengeneration gemäß Abgasstufe 5 weise bereits einen sehr geringen CO2-Ausstoß auf und könne noch weiter verbessert werden. Andere Antriebsformen wie die Brennstoffzelle hätten wiederum ihre ganz eigenen Herausforderungen. Etwa die enorm hohe Kühlleistung, wie sie ein Wasserstoffantrieb benötige, oder das große Volumen, das für die Stromspeicherung beim Elektroantrieb erforderlich sei. Felix von Borck, Mitbegründer des Batterieherstellers Akasol, räumte ebenfalls ein, dass die Akku-Technologie sowohl Vorteile als auch Hürden mit sich bringe. Dazu gehöre aktuell vor allem der vergleichsweise hohe Preis. Ohne entsprechende regulatorische Rahmenbedingungen sei derzeit noch nicht abzusehen, wie sich die Marktdurchdringung des Elektroantriebs entwickeln werde. Dennoch sei es seiner Einschätzung nach ratsam, frühzeitig Erfahrungen mit dieser Technik zu sammeln.Welche Antriebsform beziehungsweise welcher Energieträger die Baumaschine von Morgen bewegen wird, ist auch für Dr. Markus Schwaderlapp, Senior Vice President der Deutz AG, eine Frage, die noch nicht abschließend geklärt ist. Verschiedene Anwendungen werden ihm zufolge auch auf lange Sicht einen Mix unterschiedlicher Antriebsarten erforderlich machen. Neben dem Dieselmotor, dem Elektroantrieb, Gas-Motoren, der Brennstoffzelle und verschiedenen Hybridformen räumten die Referenten in Mannheim vor allem synthetischen, also strombasierten Kraftstoffen große Bedeutung für die Zukunft ein. Wann diese allerdings für die Bauindustrie verfügbar sein werden, stehe aktuell noch in den Sternen. Fraglich sei auch, ob diese eine erneute Zertifizierung der Motorentechnik erforderlich machen würde.

Automatisierung
Neben der Antriebsfrage gehört vor allem die Automatisierung zu den großen Zukunftsaufgaben der Baumaschinenindustrie. Während sie einerseits verspricht, Bauabläufe effizienter zu gestalten, könnte sie andererseits dabei helfen, personelle Engpässe auf der Baustelle abzufedern.Wie so eine "Baustelle der Zukunft" aussehen könnte, beschrieb Carsten Elles von Komatsu, der das "Smart Construction"-Konzept des japanischen Baumaschinenherstellers vorstellte. Komatsu arbeitet seit einigen Jahren an der schrittweisen Digitalisierung des kompletten Bauablaufs – angefangen bei der Planung bis hin zur autonom arbeitenden Baumaschine, die aus der Ferne überwacht und gesteuert werden kann. Der Baumaschinenhersteller werde dabei mehr und mehr zum Technologiedienstleister und Berater, womit sich wiederum neue Formen der Wertschöpfung ergeben.
Die begleitende Ausstellung bot den Teilnehmern in den Pausen Raum, um sich auszutauschen und zu vernetzen.

Eine wichtige Voraussetzung, um derartige Zukunftsvisionen in die Realität umzusetzen, ist die Vernetzung von Baumaschinen. Ein reibungsloser Datenaustausch gilt als Schlüssel dafür, das Arbeitsgerät auf der Baustelle nicht nur effizienter steuern zu können, sondern auch seinen Betrieb zu optimieren, indem Maschinendaten gesammelt und über entsprechende Software ausgewertet werden.Gerade, was den Datenaustausch betrifft, zeigt sich die Branche jedoch wenig offen, wie die Referenten und Teilnehmer in Mannheim immer wieder feststellten. Die Baubranche sei noch immer eine "analoge Wissensgesellschaft", brachte es Alois Buchstab, Vizepräsident Advanced Robotic Applications bei Kuka Deutschland, auf den Punkt. Christian Hülsewig, Mitbegründer des Online-Schüttgut-Handels Schüttflix, attestierte der Branche einen Hang dazu, Daten zu zentralisieren, statt sie gewinnbringend für alle verfügbar zu machen.Gerade im Bereich der Telematik sind Bauunternehmen auf einheitliche Datenstandards und offene Schnittstellen angewiesen, da ihre Flotten in der Regel gemischt sind. Zwar tendieren immer mehr Baumaschinenhersteller und -händler dazu, ihre Flottenmanagement-Systeme auch für Maschinen anderer Hersteller zu öffnen. Ein uneingeschränkt offener Datenverkehr ist in den meisten Fällen jedoch nach wie vor nicht gegeben. "Insellösungen bringen uns nicht weiter", sagte Hans Jörg Klingelhöfer, Head of Digitalization bei der Strabag. Das Mit-einander müsse sich ändern, sonst kön-ne es keine erfolgreiche Digitalisierung geben.In diesem Punkt könne die Baubranche von der Landwirtschaft lernen, waren sich Markus Niedermayer, Geschäftsführer von Atlas Weyhausen, und Andrew Allen, verantwortlich für den Bereich Commercial Vehicle und Off-Road bei Bosch, einig. "Die Landwirtschaft macht es vor", betonte Niedermayer: Dort gebe es einheitlich definierte Schnittstellen und Datenstandards (ISOBUS) sowie herstellerübergreifende Kooperationen, wie jüngst zwischen John Deere und Claas. Nur so könnten digitale Anwendungen und Plattformlösungen greifen, mit denen sich der Maschineneinsatz optimieren lässt, ergänzte Allen. Offen zu sein, bedeute dabei nicht, etwas zu verschenken. Sein Appell an die Bauwirtschaft: Offenheit als Geschäftsmöglichkeit begreifen.

Menschen nicht vergessen
Bei aller Digitalisierung dürfe am Ende der Mensch nicht vergessen werden, warnte Margit Dietz, Geschäftsführerin von Jean-Bratengeier Bau und Sprecherin der Bauunternehmerinnen im Zentralverband Deutsches Baugewerbe, schon zu Beginn des Forums in ihrem Grußwort. Die Technik allein sei kein Allheilmittel. Damit sie ihre Vorteile ausspielen kann, brauche es die Akzeptanz der Anwender in den Unternehmen.Ähnlich argumentierte Jürgen Faupel, stellvertretender Präsident der Bundesvereinigung mittelständischer Bauunternehmen. Als Geschäftsführer des Bauunternehmens Strassing sehe er sich heute mit sehr unterschiedlichen Mitarbeitern konfrontiert. Menschen mit verschiedenen Migrationshintergründen und mit unterschiedlichen Bildungsniveaus träfen dabei auf zunehmend komplexere Technologien in modernen Baumaschinen. Solche Technologien könnten aus Faupels Sicht zwar durchaus die Attraktivität der Baubranche für Bewerber erhöhen. Es sei aber wichtig, alle Mitarbeiter mitzunehmen, unabhängig von Alter, Bildungsgrad oder Technik-Affinität. Er appellierte daher an die Baumaschinenhersteller, ihre Produkte so intuitiv wie möglich zu gestalten.Wann kommt nun also die smarte Baustelle? Nach mehrheitlicher Meinung der Diskussionsteilnehmer in Mannheim erst dann, wenn sich die Branche auf offene Schnittstellen und einheitlich Datenstandards verständigt. "Wir diskutieren in die richtige Richtung", erklärte Frank Dahlhoff, Geschäftsführer Sitech, in der abschließenden Gesprächsrunde. "Der Wille ist da, jetzt muss gehandelt werden", ergänzte Martin Lehner. Ob die Öffnung gelingt, wird schon im nächsten Jahr erneut auf den Prüfstand gestellt. Das Construction Equipment Forum 2020 findet vom 30. November bis 1. Dezember 2020 in Berlin statt.

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