Digitalisierung

Unternehmen werden offener für BIM

Düsselorf/Berlin (ABZ). – Die Bau- und Immobilienwirtschaft ist keineswegs ein Vorreiter, wenn es um das Thema Digitalisierung geht. Aber die Bereitschaft ist zunehmend vorhanden, und die Unternehmen wie auch die Universitäten sind im Wandel. So sagt bspw. Florian Schilcher: "Meines Erachtens muss auch im eher konservativen Bauwesen die Digitalisierung voranschreiten." Schilcher hat sich nach seinem Bachelor in Bauwirtschaft und Bauplanung im Master auf das Baumanagement spezialisiert. Seit vier Jahren arbeitet er bei APOprojekt in Düsseldorf und Berlin. Das Unternehmen plant und baut Büroinnenräume für neue Mieter aus. Schilcher hat dabei die Erwartungshaltung, "dass wir nicht mit Stift und Papier durch eine 30.000-m²-Fläche laufen und aufschreiben, welche Sockelleisten am Ende noch fehlen oder mangelhaft sind." Statt Papier und Stift setze man bei APOprojekt auf Tablets und entsprechende Online-Tools, die für die Baustellendokumentation sowie zur Abrechnung und Kommunikation mit den Nachunternehmern dienen, also Handwerkern etc. "Das Tool haben wir extern eingekauft, aber intern verfeinert." Zu Beginn sei der Aufwand natürlich erst einmal groß und es gebe auch Rückschläge. "Ich nenne das ein positives Zurückwerfen. Wenn dann nämlich alles feinjustiert ist, ist die langfristige Zeitersparnis enorm."

Nicht nur für die Mängelüberprüfung und die Kommunikation bietet die Digitalisierung bietet weitere Chancen: "Der komplette Plansatz, sämtliche Vertragsdetails – Du hast alles auf einem millimeterdünnen Display dabei, was du früher in drei Aktenordnern mit auf die Baustelle geschleppt oder dich geärgert hast, weil der vierte Ordner im Büro der wichtigere gewesen wäre." Auch die Planung wird zunehmend digital. Schilcher hält Building Information Modeling (BIM) für einen Hoffnungsträger. Dabei erhalten alle Projektbeteiligte transparent und in Echtzeit Zugriff auf den Planungsstand. Und anders als bei üblichen CAD-Zeichnungen sind alle Bauteile mit Informationen bspw. über Materialeigenschaften, Kosten und prozessuale Abhängigkeiten verknüpft. Je nach Lösung lassen sich Planungskonflikte auf Knopfdruck anzeigen. "Bei der Lüftungsplanung z. B. ist BIM ja fast schon Standard, und wir werden eine ähnliche Durchdringung hoffentlich bald in allen Planerdisziplinen und auch bei den Bauherren sehen." Grundsätzlich würden die Prozesse und die Abstimmung schlanker. "Weil man über BIM gezwungen ist, früher ins Detail zu gehen."

Die Offenheit für BIM hat auch viele Hochschulen erfasst. Laut Bundesarchitektenkammer heißt es immerhin bei schon fast 40 % der Universitäten, die ein Architekturstudium anbieten: Entweder ist eine BIM-Ausbildungsmöglichkeit bereits vorhanden oder aber die jeweiligen Einrichtungen forschen zumindest rund um das Thema. "Wir haben ein eigenes BIM-Labor für die Aus- und Weiterbildung", sagt Anica Meins-Becker. Sie ist Akademische Rätin und Leiterin der Arbeitsgruppe "BIM, Digitalisierung und Prozessmanagement" an der Bergischen Universität Wuppertal. Dort wird die BIM-Methode für die unterschiedlichen Stufen des Immobilienlebenszyklus und die Bedürfnisse der Beteiligten wie Bauherren, Architekten, Bauunternehmen und Betreiber diskutiert und praktisch angewendet.

"Die Studierenden der Architektur und des Bauingenieurwesens bearbeiten bei uns gemeinsam in Teams BIM-basierte Projekte von der architektonischen Planung über die Mengenermittlung, Bemusterung, BIM-basierten Kalkulation und Terminplanung bis zur Visualisierung über VR und die Erstellung von As-Built-Modellen mittels Laserscanner." Die Aufgabenstellung der Projektarbeit werde dabei stetig angepasst – entsprechend der aktuellen Entwicklungen zum Thema BIM. Neben der entsprechenden Software geht es also auch hier – ähnlich wie bei Schilcher – um Hardware: Verschiedene digitale Werkzeuge wie Laserscanner oder Drohnen, VR- und AR-Brillen werden laut Meins-Becker im Labor vorgestellt und der Umgang geübt.

Anica Meins-Becker plädiert auch in einer weiteren Hinsicht dafür, sich neuen Herausforderungen anzupassen: "Der Lebenszyklusgedanke bedeutet nicht nur, vernetzt zu denken, sondern auch Transparenz über die Zeit zu schaffen." So müssten alle tatsächlich verbauten Bauteile auf unterschiedlichen Kennzeichnungsebenen – Lieferschein, Versandeinheitsebene, Verpackungsebene, Produktebene – einer Immobilie idealerweise mit Auto-ID-Techniken gekennzeichnet sein. "Das kann ein Barcode oder auch ein RFID-Chip sein. Die Kennzeichnung ab Werk erlaubt es, das Produkt von der Lieferung über den Einbau und Betrieb bis hin zum Rückbau zu verfolgen." In Zusammenhang mit BIM könnten Prozesse so durchgängig erfasst, kontrolliert, gesteuert und dokumentiert werden.

Zurück von der Hochschule in die bau- und immobilienwirtschaftliche Praxis. Holger Matheis differenziert bei Fragen der Digitalisierung zwischen den eben angeklungenen Prozessen und dem Produkt – also der Immobilie selbst. Matheis ist verantwortlich für Personal, Organisation, Recht, Marketing und Bau im Vorstand der Beos AG. Diese ist spezialisiert auf Unternehmensimmobilien, also gemischt genutzte Areale für meist mittelständische Dienstleistungs-, Service-, Logistik und Produktionsunternehmen. "Wie einfach, flexibel und reversibel, erweiterbar und reparierbar ist einerseits ein Prozess und andererseits ein Produkt, wenn wir einmal auf digitale und einmal auf analoge Lösungen setzen? Ist ein Baustein in der Prozesskette oder im Produkt selbst dabei mehr als nur Spielerei? Wird er entsprechend häufig benötigt oder abgerufen? Bietet er der Zielgruppe – im Prozess den Mitarbeitern und Geschäftskunden, im Produkt den Endkunden – wirklich einen echten Mehrwert?"

Überall da, wo eine analoge oder teilanaloge Lösung diese Fragen bejahen könne, sollten wir Matheis zufolge dinglich bleiben und die Komplettdigitalisierung verweigern. "Achten wir auf die Langlebigkeit! Ist etwas technologisch möglich, in wenigen Jahren aber überholt? Dann lassen wir es analog. Das gilt auch für Immobilien bzw. Gebäudetechnik. Wichtig ist vor allem, so einfach, robust und flexibel wie möglich zu bauen – beim Thema Technische Gebäudeausrüstung (TGA) ist weniger also oft mehr. Überall, wo sich jedoch Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung ergeben – also u. a. bei der Art und Weise, wie wir Immobilien planen, sollten wir digitale Lösungen als Lebens- und Arbeitshilfe prüfen und die Vorteile nutzen."

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