Ehemaliger HDB-Hauptgeschäftsführer Michael Knipper

Bauen muss partnerschaftlicher werden

HDB Hauptverband der Deutschen Bauindustrie
Michael Knipper, ehemaliger HDB-Hauptgeschäftsführer. Foto: HDB

Mehr als 21 Jahre lang prägte Michael Knipper die Arbeit des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie entscheidend mit. Vor Kurzem übergab er den Staffelstab an den neuen Hauptgeschäftsführer Dieter Babiel. Im Gespräch mit ABZ-Chefredakteur Robert Bachmann zog er ein persönliches Fazit und erklärte zugleich, welche dringlichen Aufgaben nun auf seinen Nachfolger warten.ABZ: Herr Knipper, Sie haben die deutsche Bauindustrie mehr als 21 Jahre lang durch Höhen und Tiefen begleitet. Wie würden Sie diese Zeit rückblickend zusammenfassen?Knipper: Es gibt wenige Branchen mit derart extremen Zyklen. Als ich Mitte der 90er-Jahre als Hauptgeschäftsführer zum Hauptverband kam, steckten wir in den letzten Zügen des Wiedervereinigungsbooms. Es war jedoch bereits erkennbar, dass wir uns auf eine Krise zu bewegen. Wie tief diese dann werden sollte und wie lange sie anhalten sollte, konnte sich zunächst keiner von uns vorstellen. Zwischen 1995 und 2007 haben wir fast 50 % unserer Beschäftigten sowie gut 70 % unserer Mitgliedsunternehmen verloren. Ich habe diese Zeit miterlebt, man kann sagen mit durchlitten, und schließlich auch durchgestanden. Das Gleiche gilt für alles, was folgte: die Finanzkrise und die entsprechenden Gegenmaßnahmen in Form von Konjunkturprogrammen, die Rückbesinnung von einer Art Zockermentalität auf echte Werte sowie die Zeit der Stabilisierung und des Aufschwungs. Vor diesem Hintergrund ist sicherlich die prägendste Erkenntnis meiner Amtszeit eine gesteigerte Vorsicht vor Übertreibungen. Eines meiner vorrangigen Ziele war es daher, für mehr Planungssicherheit am Bau zu sorgen. Das permanente Hoch- und Runterfahren der Kapazitäten macht die Branche nicht attraktiver. Sie bleibt zyklisch, wir sollten deshalb nicht aufhören, daran zu arbeiten, gemeinsam mit der Politik Prozesse und Investitionen zu verstetigen.ABZ: Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen: Haben Sie manchmal Sorgen, dass wir einen ähnlichen Absturz erleben könnten, wie es ihn nach der Wiedervereinigung gab?Knipper: Ich sage ja immer, ein Optimist ist in der Regel ein Mensch, der ungenügend informiert ist. Auch bei den Unternehmen herrscht aufgrund der gesammelten Erfahrungen ein gewisses Grundmisstrauen. Sorgen mache ich mir jedoch nicht. Ich denke, dass wir, wenn wir es richtig anstellen, zum ersten Mal die Chance haben, aus dem genannten Zyklus auszubrechen. Die Perspektiven sind günstig. Unsere Branche wird mehr denn je als Problemlöser gebraucht. Zugleich haben wir aktuell gut ausgestattete Investitionsprogramme, um die bestehenden Probleme zu lösen. Was die Politik jetzt noch verstehen muss, ist, dass Geld allein nicht reicht. Es fehlt an baureifen Projekten im Straßenbau, Bauland wird nur unzureichend bereitgestellt und über all dem schwebt das große Problem des massiven Personalabbaus der Vergangenheit sowie die Schwierigkeit, Fach- und Nachwuchskräfte zu gewinnen. Der Investitionshochlauf hat all diese Probleme in ihrer Dringlichkeit erst offengelegt. Diese gilt es jetzt anzugehen, damit wir langfristig vom Aufschwung profitieren können.ABZ: Wo sehen Sie die Meilensteine ihrer eigenen Verbandsarbeit?Knipper: Im Hauptverband habe ich viele Entwicklungen mitgestalten dürfen. Das beginnt bei der Integration der Verbände der neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung in das bauindustrielle Verbandswesen. Ich bin heute noch stolz darauf, dass wir die verbandliche Einheit schon zwei Tage vor der deutschen Einheit im Oktober 1990 herstellen konnten. Meine erste große Bewährungsprobe nach meiner Bestellung zum Hauptgeschäftsführer war 1996 die Einführung der Mindestlöhne am Bau. Wir haben den Mindestlohn damals als erste Branche überhaupt eingeführt. Das war ein komplizierter Meinungsfindungsprozess. Schließlich haben wir den äußerst schwierigen Anpassungsprozess in den zehn Jahren der Baukrise begleitet. Das war auch für den Verband keine einfache Zeit: sinkende Einnahmen, zahlreiche Insolvenzen etc. Inzwischen ist die Baukrise überwunden. Jetzt gilt es, eine neue Bau-Kultur zu entwickeln. Der im neuen Bauvertragsrecht verankerte Einigungsgrundsatz kann dazu ein erster Schritt sein.ABZ: Wie sieht diese aus?Knipper: Wir müssen weg von den konfrontativen, konfliktären Prozessen zwischen Bauherr und Bauunternehmer hin zu mehr partnerschaftlichen Modellen. Der Hauptverband ist Vorreiter darin, solche innovativen Partnerschaftsmodelle zu entwickeln. Ich sage bewusst nicht nur ÖPP! Das wäre viel zu eng gegriffen. Wir haben heute eine Vielzahl von neuen Geschäftsmodellen, wo die Baufirmen früher in die Planung eingebunden werden. Dafür haben wir neue Vertragsmodelle entwickelt etc. Auch die Digitalisierung bestätigt uns darin, diesen Weg weiterzugehen, die verschiedenen Beteiligten am Bau viel enger zu verzahnen. Wir, also Bauherr und Bauunternehmen, müssen gemeinsam Konzepte entwickeln, mit denen wir die Ressourcen, die wir haben, wertschöpfend und projektorientiert einsetzen können und nicht für Bürokratie und Konflikte. Wenn es der Bauwirtschaft gelingt, sich aus der juristischen Umklammerung zu befreien, dann könnte viel mehr Energie in die Lösung der eigentlichen Bauprobleme gelenkt werden.ABZ: Nach dem aktuellen BIM-Fahrplan müsste u.a. dieser Kulturwandel bis 2021 abgeschlossen sein. Wie realistisch ist das?Knipper: Ich bin da sehr zuversichtlich. Wir sehen vielerorts das gegenseitige Bestreben, vorhandene Energien sinnvoll zu nutzen. Eines ist jedoch klar: Partnerschaftliches Bauen kann nur dann funktionieren, wenn nicht weiterhin an den Billigsten vergeben wird und alle Risiken bei den Bauunternehmen liegen. Partnerschaft muss von Anfang an gelebt werden. Auch preislich: Wenn wir sehen, welche Risiken Bauunternehmer z. T. aufnehmen und dies mit anderen Branchen vergleichen, dann tun sich Abgründe auf, speziell wenn es um das Thema Umsatzrenditen geht. Wir liegen hier nach wie vor unter 5 %. Das steht in keinem Verhältnis zu den Risiken im Wertschöpfungsprozess, der am Bau auf die Beine gestellt wird. Die Baubranche braucht adäquate Umsatzrenditen, die auch risikoadäquat sind.ABZ: Die Staffelübergabe fällt mit ei-nem historischen Ereignis zusammen: Deutschland scheitert trotz Konjunkturhochlauf nachhaltig an einer Regierungsbildung. Sind Sie zum richtigen oder zum falschen Zeitpunkt gegangen?Knipper: Wenn man zu einem Zeitpunkt gehen darf, in dem es der Branche so gut geht, dann ist das ein glücklicher Zeitpunkt. Die Attraktivität der Branche steigt wieder und man begreift überall, dass man den Bau als Problemlöser braucht. Was die Regierungsbildung angeht, warne ich davor, zu sagen, wir befänden uns in einer Staatskrise. Sicherlich ist das eine ungewohnte Situation für uns, wir haben jedoch ein funktionierendes System, damit umzugehen. Eine Große Koalition wäre trotz aller Unkenrufe sicherlich die vernünftigere Option, zumal eine Minderheitenregierung in der Regel eine teure Angelegenheit ist. Ich bin optimistisch, dass wir im Frühjahr eine stabile Regierung bekommen, auch ohne neu zu wählen.ABZ: Sehen Sie die Verstetigung des Investitionshochlaufs unter den gegebenen Verhältnissen gefährdet?Knipper: Ohne Haushalt keine Neubauinvestitionen. Das wäre natürlich extrem schlecht. Wir brauchen in der Zeit der Haushaltsbewirtschaftung im Bundestag einen sehr pragmatischen Hauptausschuss, der sich seiner Verantwortung bewusst ist und wichtige Neubauinvestitionen sofort freigibt. Ich bin wie gesagt jedoch zuversichtlich, dass wir zeitnah eine stabile Regierung bekommen, die sich dann auch unserer Themen – Planungsbeschleunigung, Schaffung baureifer Projekte etc. – annehmen wird.ABZ: Speziell im Wohnungsbau klafft nach wie vor eine große Lücke zwischen Bedarf und Fertigstellung. Geld allein, sagten Sie schon, löst die zu Tage getretenen Probleme nicht. Was wünschen Sie sich hier von der künftigen Regierung?Knipper: Die Regierung muss die Rahmenbedingungen schaffen, unter denen wir seriell und industriell bauen können. Wenn die Bauunternehmen beginnen, einen Produktisierungsweg zu gehen, dann darf das nicht daran scheitern, dass wir weiterhin Planung und Bauausführung trennen. Mit der Ausschreibung des Rahmenvertrages "Serieller und modularer Wohnungsbau" haben wir jetzt einen ersten positiven Schritt getan. Was wir nun tun müssen, ist, die Förderrichtlinien, die Bauordnungen, das Vergabe- und Haushaltsrecht etc. in den Ländern anzupassen. Es kann einfach nicht sein, dass wir hier von Land zu Land unterschiedliche Bedingungen und Vorschriften haben. Zugleich müssen wir uns noch einmal die verschiedenen Kostentreiber im Prozess anschauen, z. B. in den Bereichen Stellplatzverordnung, Lärmschutz und Barrierefreiheit. Nur so können wir den gewaltigen Berg an Baugenehmigungen abarbeiten, den wir derzeit vor uns herschieben.ABZ: Was haben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg gegeben?Knipper: Neben all diesen spannenden Herausforderungen ist ein ganz zentrales Thema aktuell der Fachkräftemangel. Das Problem ist bekannt, dass wir seit Jahren altersbedingt mehr Fachkräfte verlieren als wir neue gewinnen. Wenn Investitionen nun daran scheitern, dass schlichtweg kein Personal da ist, wäre das eine fatale Entwicklung. Dagegen muss die Bauindustrie geschlossen vorgehen. Deshalb haben wir als Verband, und maßgeblich auch der neue Hauptgeschäftsführer, eine Gesamtstrategie auf den Weg gebracht, in der wir gemeinsam ein neues Nachwuchs- und Imagekonzept entwickeln. Regionalität ist gut und in vielen Bereichen notwendig. Es gibt jedoch Themen, die man ganzheitlich betrachten muss. Ein solches ist das Nachwuchsthema.

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