Einsatzplanung und -leitung erheblich vereinfachen

Telematik sorgt für mehr Transparenz im Baustellenalltag

von:

Heinz-Herbert COHRS

Telematik
Sogar über EM-Reifen liefert Telematik Informationen; ein Reifenmanagementsystem von Goodyear gibt Aufschluss über die zu erwartende Reifenlebensdauer, vergleicht gemessenen und empfohlenen Luftdruck und nennt Reifenkosten je Betriebsstunde. Foto: Goodyear
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Anhand der jederzeit möglichen Abfrage des Standortes, hier bei Obserwando von Rösler, lässt sich auch die Route einer Maschine bequem verfolgen, die berechtigt oder unerlaubt aus einer definierten Zone entfernt wurde. Foto: Rösler
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Neue Systeme wie iCON telematics von Leica vereinen die 2D- oder 3D-Maschinensteuerung mit der einfachen und schnellen Fernüberwachung und -verwaltung des Maschinenparks vom Büro aus. Foto: Leica Geosystems

GRUBE - Bauen ist eine komplexe Angelegenheit: Viele und oft unterschiedliche Maschinen müssen an weit voneinander entfernten Einsatzstellen koordiniert, vernünftig in den Bauablauf eingeplant, gewartet, betankt, repariert und möglichst schnell zu anderen Baustellen umgesetzt werden, ohne lange unproduktive Zeiten zu verursachen.

All dies muss zumeist "blind" im ebenfalls weit entfernten Büro oder mit dem Handy im Pkw organisiert werden.

Anders ging es bislang nicht. Unzählige Zettel und Haftnotizen, tagtägliches Nachfragen und immer wieder nötige Gedächtnisauffrischungen, entnervender Telefonterror bei sich abzeichnenden Hürden und Irrtümern, gereizte Kollegen und häufige, aber zeitintensive Fahrten zu wechselnden Baustellen sind in den meisten Bauunternehmen nicht unbekannt. "Das ist ja heute zum Wahnsinnigwerden!" dürfte in so gut wie allen Büros der Baubranche schon mal verzweifelt gerufen worden sein.

Doch findige Köpfe haben ein wirksames Gegenmittel ersonnen. Es heißt Telematik. Wer sich darunter nicht viel vorstellen kann, sollte nicht in alten Lexika suchen, denn der Begriff ist noch recht neu. Das Wort Telematik setzt sich aus den Begriffen Telekommunikation und Informatik zusammen und bezeichnet eine neuartige Technologie zur Fernkontrolle und Datenübertragung bei Maschinen aller Art.

Besonders darf sich darüber das Personal im Büro freuen: Plötzlich lässt sich in Sekundenschnelle per Mausklick am Computer oder Notebook erfahren, wo welche Maschine arbeitet. Und ob sie arbeitet oder gerade steht. Und wo sie in den letzten ein, zwei, drei oder mehr Stunden war. Und ob sie im Leerlauf tatenlos Kraftstoff verbrennt oder gerade produktiv ist. Und ob das auch jede beliebige andere Maschine auf irgendeiner weiteren Baustelle ist, beispielsweise dort, wo es noch vor ein paar Tagen Probleme gab.

Manchmal tauchen in Büro, Werkstatt oder Pkw auch ganz andere Fragen auf. Ob eventuell noch genug Diesel im Tank ist oder der Tankwagen bald anrücken muss. Und wann die nächste Routinewartung eingeplant werden soll, weil ausgerechnet die betreffende Schlüsselmaschine auf der Baustelle für keine einzige Stunde verzichtbar ist. Und wie viel Tonnen bzw. Kubikmeter bereits ausgeschachtet und verladen wurden. Oder auf welcher Strecke der Asphalt bereits eingebaut wurde.

Sicherlich wäre es etwas vermessen, zu behaupten, dass sich mit zeitgemäßer Telematik jede Frage beantworten ließe. Aber immerhin fast jede, zumindest, die im tagtäglichen Betrieb mit Baumaschinen gestellt wird. So erweisen sich die Telematiksysteme, die von den großen Baumaschinenherstellern bereitgestellt werden, einerseits bei denen, die sie sinnvoll nutzen, als überaus hilfreiche Werkzeuge, als eine bislang nicht für möglich gehaltene Vereinfachung und Erleichterung.

Andererseits aber scheint der gesamte Themenkreis, der sich mit der Telematik befasst, derzeit noch etwas problematisch zu sein. Die Hersteller und Anbieter tun es zwar nicht gerne kund, doch herrscht auf Seiten der potenziellen Benutzer, also in allen Sparten der Baubranche und in der Abbruch-, Recycling-, Umschlag- und Gewinnungsindustrie, häufig noch erhebliches Informationsdefizit.

Nach wie vor wird das Thema Telematik in der Baubranche recht verhalten beurteilt. Das führt dazu, dass sich oft nur oberflächlich mit der Telematik beschäftig und dass nur wenig Interesse daran gezeigt wird. Hinzu kommen unbegründete Zweifel, falsche Meinungen und Vorurteile. So wird beispielsweise befürchtet, viel zu viel Zeit vor dem Computer verbringen zu müssen, um Telematik im Alltag effizient nutzen zu können. Ebenso wird befürchtet, der schnelle, unproblematische Einstieg in die neue, noch unbekannte Technologie sei nur durch zusätzliche Mitarbeiterschulungen, durch den Erwerb entsprechender Software und durch aufwändiges Einarbeiten möglich.

Die teilweise sogar absurden Zweifel gehen so weit, dass mit einem heftigen Abwinken vorschnell geurteilt wird: "Nein, ich stelle doch nicht extra einen weiteren Mitarbeiter ein, der sich den ganzen Tag darum kümmern muss, was dieser neue Computerfirlefanz ständig anzeigt und immer von einem will! Da kommen wir genauso gut wie früher ohne den Kram aus!"

Die gewaltigen Vorzüge der Telematik lassen sich auch auf deren zukünftige Nutzer und Anwender übertragen: Telematik "weiß" sehr viel, Menschen sollten sich ebenfalls um ausreichendes Wissen bemühen. Wer sich gut informiert, wer Fachpublikationen aufmerksam liest, wer technisch auf dem aktuellen Stand ist, kann einen immensen Wissensvorsprung zu seinem Vorteil nutzen. Und genau das bewirkt auch die Telematik: Sie bringt einen enormen Wissensschub ins Büro oder auch zu Notebook, Tablet-PC oder Smartphone, nämlich das Wissen um den Einsatz der Baumaschinen, die die Firma betreibt.

Heute würde sich jemand blamieren, der grundsätzlich die Kommunikation mittels E-Mails ablehnt und stattdessen Briefe bevorzugt. Wer meint, ein Telex sei eine gute Methode, Informationen zu versenden, wird inzwischen kaum noch einen Empfänger auftreiben können. In ein oder zwei Jahrzehnten könnte sich durchaus jemand blamieren, der Telematik-Fernüberwachung und -leitung von Baumaschinen als "unnötigen Spielkram" aburteilt.

Bei den meisten Telematiksystemen, ob von den Herstellern der Baumaschinen, von spezialisierten Elektronikherstellern oder von Telematikfirmen, sind sämtliche wichtigen Infos, beispielsweise Betriebsstunden, Leerlauf- und Arbeitszeiten, Standort, anstehender Service und Tankinhalte, jederzeit von Internetseiten abrufbar, die ganz einfach mittels Passwort gesichert sind.

Das Einloggen, Abrufen und Betrachten aller benötigten Informationen und Daten erfordert somit nur wenige Mausklicks und/oder Tastendrücke. Bedenken, mit einem für den Laien vielleicht auf den ersten Blick komplex wirkenden Telematiksystem nicht zurecht zu kommen, sind unbegründet. "Ein Telematiksystem wie VisionLink von Cat kann durchaus mit einem guten E-Mail-Programm verglichen werden", meint Bernhard Tabert, bei Zeppelin Baumaschinen Produktspezialist für Maschinensteuerung und Flottenmanagement.

"Niemand soll den ganzen Tag vor dem geöffneten Programm sitzen, auf den Bildschirm starren und sich ausschließlich mit E-Mails beschäftigen", so Tabert. "Ebenso ist es natürlich nicht nötig, ständig auf ein Telematikbild auf dem Computer zu starren, und natürlich erst recht nicht, dazu eigens einen neuen Mitarbeiter einzustellen. Vielmehr soll die Telematik ja von zeitraubender Informationsbeschaffung abhalten."

Insofern darf ein Telematiksystem mit einem wohlsortierten Regallager verglichen werden, wo es aber keine Teile, sondern Informationen gibt. Diese können jederzeit von verschiedenen Personen abgerufen, verwendet und weiter bearbeitet werden. Beim Zugriff auf dieses "virtuelle Regallager" benötigen der Chef, Bauleiter, Polier, Werkstattmitarbeiter oder die Disposition natürlich unterschiedliche Informationen und Daten. Sie alle liegen im "Informationslager" der betreffenden Telematik-Internetseite stets auf Abruf bereit.

Wer nun versteht, diese Informationen geschickt für seine Zwecke zu nutzen, ist in der Lage, den Betriebsalltag grundlegend umzugestalten. Viele Prozesse und Abläufe lassen sich dank Telematik übersicht-licher, rationeller und schneller planen und ausführen. Sowohl Zettelwirtschaft als auch Telefonterror lassen sich fast gänzlich vermeiden. Unklare Telefonauskünfte über Daten und Standorte der Maschinen gehören der Vergangenheit an und erfordern somit kein zeitraubendes Nachhaken mehr.

Die Möglichkeiten sind faszinierend: Durch Geo-Fencing (fence ist das englische Wort für Zaun) kann jede Maschine jederzeit am Bildschirm im Büro oder auf dem Notebook virtuell eingezäunt werden. Diesen beliebig großen Bereich, ob 50 m im Quadrat, 2 oder 4 km lang, darf sie nun nicht mehr oder nur zu bestimmten Zeiten verlassen. Tut sie es doch, ist zu erkennen, dass die Maschine z. B. unberechtigt abtransportiert und am Sonntag von 14 bis 17 Uhr genutzt wurde.

Vermieter können auf den ersten Blick sehen, ob die Mietzeiten der Maschinen oder sogar Anbaugeräte eingehalten wurden. Die genaue Abrechnung bei der Vermietung, die minutengenau zurück verfolgbaren Maschinenlaufzeiten sowie die exakt nachvollziehbaren Ortswechsel und Standortbestimmungen lassen von keiner Seite, weder vom Kunden noch Vermieter, weder vom Arbeitgeber noch Mitarbeiter, Bedenken und Zweifel aufkommen. So lässt sich auch überprüfen, ob und wo Miet- oder Kleinmaschinen eventuell am Wochenende "schwarz" betrieben wurden. Durch diese Transparenz werden Kunden erst gar nicht in Versuchung geführt.

Telematik kann zudem viel für einen sorgenfreieren Alltag beitragen. Beim Überschreiten etlicher Grenzwerte der Maschinen wie zu hoher Kühlmittel- oder Öltemperaturen und bei zu niedrigem Hydrauliköldruck wird automatisch ein Alarm ausgelöst, der als Textmeldung per E-Mail oder SMS verschickt wird. Die Empfänger lassen sich vorab festlegen, ob im Büro oder daheim, ob Bürocomputer, Smartphone, Tablet oder Notebook, ob ein, zwei oder acht Personen.

Auf Wunsch kann jetzt sogar automatisch ein Servicemonteur des betreffenden Herstellers oder der Niederlassung angefordert werden. Auf diese Weise wird frühzeitig vor Problemen gewarnt, die sich erst abzeichnen. Dadurch lassen sich überraschende Ausfallzeiten minimieren und kostspieligere Reparaturen vermeiden.

Anhand der Betriebsstunden können bei jeder Maschine aus der Ferne innerhalb von Sekunden anstehende Wartungs- und Servicemaßnahmen eingeleitet werden. Bei einigen Systemen kann dies ebenfalls automatisch geschehen. Die Maschine meldet sich dann selbst, kurz bevor Servicearbeiten erforderlich sind. Die Intervalle, ob 100, 50 oder nur 10 Betriebsstunden zuvor, sind ebenfalls beliebig festzulegen. Die Meldung kann, sofern gewünscht, automatisch beim Servicetechniker eintreffen, der sich – hoffentlich – in den nächsten Tagen einen diesbezüglichen Termin vormerkt.

Nichts und niemand ist vor dem "Wissenshunger" moderner Telematik sicher, nicht einmal die großen EM-Reifen von Baumaschinen. Auch ihr Zustand und Luftdruck lassen sich bei Bedarf aus der Ferne abfragen, ebenso jederzeit Soll-Ist-Ver-gleiche des Luftdruckes und – bei starken Abweichungen – die daraus resultierende Verkürzung der Reifenlebensdauer, bei vielen Einsätzen ein maßgeblicher Faktor der Betriebskosten.

Selbstverständlich "kennt" eine benutzerfreundliche Telematik auch alle Details der aktuellen Abgasvorschriften. So sind auf den gesicherten Webseiten einiger Telematiksysteme wie der neuen Komtrax-Version von Komatsu jederzeit Daten über die Betriebszustände und Anzahl der aktiven Regenerierungsprozesse der Diesel-Partikelfilter sowie deren Dauer ersichtlich. Bei SCR-Technologie zur Abgasreinigung der Motoren informieren Telematiksysteme über den Vorrat an AdBlue-Harnstofflösung und wann das Auftanken erforderlich wird.

Die faszinierenden Möglichkeiten der Telematik reichen bereits über die Grenzen der eigentlichen Baumaschinentechnik hinaus, nämlich bis hin zu Anbaugeräten aller Art und Größe. Mit winzig kleinen, robusten, wasserfesten und rüttelsicheren Ortungsboxen, die ohne Stromzufuhr autark über mehrere Monate oder gar Jahre funktionieren, lassen sich auf diversen Baustellen verstreute Anbaugeräte, ob Greifer, Hammer oder Grabenräumlöffel, innerhalb von Sekunden lokalisieren. Allein dies kann viele Telefonate und zeitraubendes Umherfragen gänzlich erübrigen.

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