Entlang der Nordseeküste

Offenporige Verklammerung von Deichdeckwerken hat sich bewährt

Deichbau Wasserbau und Wassernutzung
Mit acht Mitarbeitern, zwei Baggern und einem Radlader lassen sich an zwölf Arbeitstagen rund 900 t Elastocoast-Deckwerk einbauen, so die Erfahrung des Küstenschutzes in Niebüll. Fotos: Bauer
Deichbau Wasserbau und Wassernutzung
Theo Vonk von der Vertriebsfirma HanseGrand schätzt die Erhöhung der hydraulischen Dämpfung durch Elastocoast-Deckschichten gegenüber traditionellen Deckwerken auf rund 30 %.
Deichbau Wasserbau und Wassernutzung
Dieses Deckwerk am Deich von Dagebüll wurde mit dem zweikomponentigen Elastomer nachverklammert.
Deichbau Wasserbau und Wassernutzung
Der Clou des elastomeren Deckwerks: Die Kraft der Welle wird in den flexiblen Hohlräumen zwischen den punktuell verklammerten Schottersteinen gebrochen.

HAMBURG (ABZ). - Der Orkan "Xaver" fegte über das Land und drückte mit Windgeschwindigkeiten bis185 km/h tosend gegen die Küste. In Hamburg wurde mit 6,07 m über Normalnull der zweithöchste Wasserstand seit Beginn der Aufzeichnungen erreicht. Auf den Halligen ragten nur noch die Warften, das sind die Erdwälle mit den Häusern, aus dem Wasser. Die bereits zweite Sturmflut dieses Jahres, nach dem Orkan Christian im Oktober, ist glimpflicher abgegangen als erwartet.

Die 350 km langen Deiche an Nordsee und Elbe sowie die 70 km langen Ostseedeiche hielten den Wassermassen Stand. Doch werden die Deiche auch künftigen Sturmfluten trotzen?

Der Meeresspiegel der Nordsee ist in den letzten 100 Jahren um etwa 20 cm gestiegen und er steigt infolge der globalen Erwärmung weiter an. Der Weltklimarat geht in seiner jüngsten Prognose von bis zu 83 cm in den nächsten 90 Jahren aus. Damit steigt auch das Hochwasserrisiko. Bei einer Überflutung der Deiche wären mehr als drei Millionen Menschen bedroht. Allein jeder dritte Einwohner Schleswig-Holsteins lebt in einem überflutungsgefährdeten Gebiet. Besonders betroffen sind die auf Meereshöhe gelegenen Halligen.

Im Gegensatz zu den Inseln werden sie bei Hochwasser regelmäßig überflutet – mit Ausnahme der Gehöfte, die auf künstlich erschaffenen Hügeln, den Warften, liegen. Sie Küstenschutzexperten als weltweit einzigartige Freiluftlabore. So wundert es nicht, dass auf der Hamburger Hallig vor nunmehr fast zehn Jahren ein damals neues Verfahren vom Landesbetrieb für Küstenschutz Nationalpark und Meeresschutz getestet wurde. Der Zweikomponentenkleber Elastocoast hat sich inzwischen an zahlreichen Deichabschnitten der Nord- und Ostseeküste, auf den Nordsee-inseln und entlang der Elbe bewährt.

Das PUR-System Elastocoast der BASF Polyurethanes GmbH, vertrieben durch die Firma HanseGrand, dient der Verklammerung von Deichdeckwerken. Diese Steinschüttungen entlang der Deiche bilden die vorderste Frontlinie im Küstenschutz. Sie schützen die darunter liegenden Deichkonstruktionen, indem sie die Energie der anrollenden Wellen aufnehmen und abbremsen.

Mit dem Elastocoast-Verfahren beschreitet der Küstenschutz eine neue Philosophie. Nicht Härte und Kraft ist die Maxime, sondern Elastizität und Nachgiebigkeit – ähnlich wie in der asiatischen Kampfkunst des Tai Chi. Übertragen auf den Küstenschutz bedeutet dies, sich nicht der Gewalt des Meeres entgegen zu stemmen, sondern diese Kraft aufzunehmen und quasi ins Leere laufen zu lassen. Während früher im Küstenschutz in der Regel starre Flutbauwerke aus Beton und Asphalt dominierten, die nicht selten gerade deshalb bei Wellenschlag gesprengt wurden, punktet Elastocoast durch nachgiebige, dauerhafte Flexibiliät.

Die offenporige Verklammerung des "Orkanklebers" gibt dem Druck der Wellen jedes Mal leicht nach. Elastomere Deckwerke bauen auf die Eigenschaft von Polyurethan, das in der Lage ist, sehr dauerhafte und gleichzeitig elastische Verbindungen mit den Gesteinsoberflächen zu erzeugen. Der Clou:Die einzelnen Steine verbinden sich lediglich dort, wo sie sich berühren. So kann in den flexiblen Hohlräumen dazwischen die dynamisch vibrierende Energie der Welle eindringen und sich darin deutlich besser als bei einem geschlossenen Deckwerk abreagieren. Aufgrund ihrer hohen Porösität ist die Elastocoast-Steinschicht in der Lage, große Wassermengen beim Wellenauflauf zu absorbieren. Theodorus Vonk, Elastocoast-Vertriebsleiter bei HanseGrand geht davon aus, dass je nach Deichbauweise durchschnittlich rund 30 % der Wellenenergie durch das Verfahren ausgebremst werden kann.

"Das lässt sich deutlich anhand des unterschiedlich großen Sandschliffs hinter Deichen mit herkömmlichen und mit Elastocoast verklammerten Deckschichten beobachten. Mit Elastocoast können die Deiche entsprechend niedriger gebaut werden, bei gleicher Wirksamkeit gegen die Brandung", so der gebürtige Niederländer.

Auch die Stabilität des Deckwerks erhöht sich durch den "Orkankleber". Das ist beispielsweise wichtig, wenn Treibgut bei Sturmfluten mit großer Wucht gegen die Deichkronen geschleudert wird. Hier frisst sich das Wasser dann immer tiefer in die darunter liegende Konstruktion und kann den Deich aufweichen.

"Das Elastocoast-Deckwerk, das wir vor drei Jahren eingebaut haben, ist noch immer in einem hervorragenden Zustand. Sicherlich lösen sich einzelne Steine hin und wieder einmal heraus. Das spielt aber an dieser Stelle des Deiches keine Rolle. Wir rechnen mit einer Haltbarkeit des Elastocoast-Deckwerkes von 30 Jahren und länger. Auch etwaige Schadstellen lassen sich durch das Material, welches im Rahmen einer Nachverklammerung einfach über das vorhandene Deckwerk aufgebracht wird, beseitigen. Wichtig ist, dass kein Material darunter verloren geht und von der Kraft der Wellen herausgebrochen wird, da sonst Schäden am Damm bis hin zu Durchbrüchen entstehen können", erläutert Winfried Brochtrup vom Landesbetrieb für Küstenschutz Nationalpark und Meeresschutz in Niebüll. Die flächenmäßig größten elastomeren Deckwerke wurden bislang auf den Halligen Gröde, Nordstrandischmoor und Langeness sowie auf der Insel Amrum gebaut. Die größte seeseitige Böschungs-neigung wurde mit 1:1,5 allerdings in kleinerer Flächengröße auf der Hamburger Hallig realisiert. Die Aufwandsmenge des zweikomponentigen Elastocoast-Klebers beträgt erfahrungsgemäß rund 33 kg/m³ Naturstein, das sind rund 3 Vol.-%.

Elastocast-Deckwerke sind salzwasser- und frostresistent. Das Prüfinstitut Eurofins bescheinigte dem verwendeten Polyurethan-Kunststoff in Verbindung mit Pflanzenöl als zweite Komponente eine ökotoxikologische Unbedenklichkeit, vergleichbar mit Produkten, die in Wohnräumen verwendet werden dürfen. "Die rasche Wiederbesiedlung mit Pflanzen wie Strandhafer, bedingt durch die offenporige Deckschicht, begeistert mich immer wieder", sagte Hans Pape, Inhaber der Firma HanseGrand.

Der Einbau der Elastocoast-Deckwerks gestaltet sich einfach, wie es die Mitarbei-ter des Baubetriebes des Küstenschutzes in Dagebüll bei einer Nachverklammerung demonstrieren.

Zunächst werden die zwei flüssigen Komponenten des PUR-Kunststoffs vor Ort miteinander verrührt. Dazu dient ein elektrischer Großmixer. Die Schottersteine werden per Minibagger in Betonmischer eingefüllt, die an Radlader bzw. Traktor angebaut sind. Der zweikomponentige Kunststoff wird beigefügt. Beim Mischen legt er sich wie ein dünner Film um die Steine. Der Werkstoff-Mix wird anschließend sofort im Betonmischer an die Einbaustelle des Deiches transportiert und dort in eine Mulde abgekippt.

Von dort nimmt ein Mobilbagger das Material auf, platziert es mit seinem Ausleger in einer Stärke von ca. 15 bis 30 cm an die entsprechende Stelle des Deiches und zieht das Deckwerk mit der Schaufel gleichmäßig ab. Das Kunststoff-Stein-Gemisch lässt sich etwa eine halbe Stunde lang verarbeiten.

Das abschließende Abstreuen mit Sand verbessert nicht nur die Optik, sondern auch die Begehbarkeit des Deckwerkes. Die Mischung härtet sogar in Wasser aus und ist nach drei Tagen voll belastbar. Gegenüber traditionellen Verfahren der Deckwerksverklammerung, etwa mit Bitumen, können mit dem Zweikomponentenkleber etwa zwei Drittel der Kosten gespart werden. Dass die Deiche eine Schutzschicht gegen die schleichende Erosion brauchen, haben die jüngsten Dünenabbrüche an der Südspitze von Sylt gezeigt.

Während des Orkans "Xaver" wurden dort in wenigen Stunden hunderttausende Kubikmeter Sand ins Meer gespült, etwa so viel, wie ein ganzes Jahr zuvor dort aufgespült worden war. Die Naturgewalten nagen aber nicht nur an der Küste, sondern auch an den Ufern von Binnengewässern, zu deren Schutz offenporige und elastische Deckwerke ebenfalls geeignet sind.

ABZ-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Leitung (m/w/d) der Abteilung Tiefbau, Pullach im Isartal  ansehen
Aufsichtsperson I zur Ausbildung als Technische/r..., Niedersachsen Mitte  ansehen
Gärtner/in (m/w/d) mit Führerschein , Bad Schwartau  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

ABZ-Redaktions-Newsletter

Freitags die aktuellen Baunachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen