Erforscht

Naturdämmstoffe sind nicht unberechenbar

Braunschweig (ABZ). – Mit Naturdämmstoffen kann kalkulierbar sicher und nachhaltig gebaut werden. Das ist das Ergebnis eines interdisziplinären Forschungsprojekts mit zwölf Forschungspartnern und breiter Unterstützung durch die Industrie. Unter Leitung des Fraunhofer WKI ermittelten die Forschenden unter dem Titel "Mehr als nur Dämmung – Zusatznutzen von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen" Materialkennwerte, die aufwendige Bauteilprüfungen wie im Schall- und Brandschutz in Zukunft deutlich reduzieren können. Auf Grundlage der Vermessung von Naturdämmstoffen können Normen und baurechtliche Vorschriften angepasst und diese Dämmstoffe in Zukunft leichter eingesetzt werden.

Der Schutz von Ressourcen und die Verwendung von organischen, recyclingfähigen Rohstoffen gewinnt auch in der Baubranche eine immer größere Bedeutung. Aus diesem Grund steigt das Interesse an der Verwendung von Dämmstoffen auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen. Bisher waren und sind teils weiterhin diverse baurechtliche Vorschriften und Normen ein Hindernis für die Verwendung. Der Einsatz von Dämmstoffen auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen war dort nicht berücksichtigt. Das machte zum Beispiel umfangreiche und aufwändige Bauteilprüfungen notwendig.

Grundlegendes Ergebnis der Forschenden ist, dass Naturdämmstoffe gesicherte Eigenschaften haben, Konstruktionen verlässlich berechenbar sind und in fast allen Anwendungsgebieten eingesetzt werden können. Mit natürlichen Materialien kann kalkulierbar dauerhaft und sicher gebaut werden. Normen und baurechtliche Vorschriften können nun angepasst werden. Der Weg wird somit frei für mehr Dämmstoffe auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen im Bau, teilen die Forscher mit.

Das Forscherteam nahm erstmalig eine ganzheitliche Betrachtung des Themas vor und untersuchte Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen in sechs Arbeitsbereichen: Brandschutz und Glimmverhalten, Schallschutz, Wärmeschutz, Feuchteschutz, Nachhaltigkeitsanalysen und Emissionen.

Naturdämmstoffe werden heute neben Holz und Zellulose aus pflanzlichen Rohstoffen wie Hanf, Jute, Flachs, Stroh, Seegras, Wiesengras, Kork oder Schilf hergestellt. Auf dem Markt gibt es bereits druckfeste Platten, flexible Matten, lose Einblasdämmung sowie Stopfdämmung.

Im Arbeitsbereich Brandschutz und Glimmverhalten konnten die Forschenden feststellen, dass sich das Brandverhalten von Naturdämmstoffen im Vergleich zu erdölbasierten Hartschäumen wesentlich unterscheidet. Hartschäume verbrennen extrem schnell, mit sehr starker dunkler Rauchbildung, schmelzen und tropfen brennend ab. Die untersuchten Dämmstoffe auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen brennen zwar auch, jedoch verhältnismäßig langsam, mit geringer Rauchentwicklung und tropfen nicht brennend ab. Das Brandverhalten von Dämmstoffen auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen ist damit insbesondere in der Frühphase eines Brandes deutlich vorteilhafter als das von Hartschäumen und ist grundsätzlich kalkulierbar.

Die im Arbeitsbereich Schallschutz gewonnenen Bauteil- und Materialdaten wurden bereits in die aktuelle Überarbeitungsrunde der DIN 4109-33 eingebracht. Darüber hinaus wurden Berechnungsverfahren weiterentwickelt, welche den prüftechnischen Aufwand in Zukunft erheblich reduzieren können.

Bisher mussten Dämmstoffe vor allem vor Kälte im Winter schützen. Aufgrund des Klimawandels gewinnt der Wärmeschutz im Sommer zunehmend an Bedeutung. Bei Dämmstoffen ist neben der Wärmeleitfähigkeit auch die Wärmespeicherkapazität und die Rohdichte bedeutsam. Die Forschenden konnten feststellen, dass es auch hier grundsätzlich keine Einschränkungen für die Verwendung von Dämmstoffen auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen gibt.

Die hohe Speicherfähigkeit von Naturdämmstoffen wirkt sich nicht nur beim Wärmeschutz, sondern auch beim Feuchteschutz positiv aus, insbesondere in Holzkonstruktionen und im Dachbau. Während mineralische Faserdämmstoffe und erdölbasierte Hartschäume praktisch keine Feuchtigkeit aufnehmen können, sind Naturdämmstoffe in der Lage, kurzzeitige Feuchteschwankungen während der Bauphase oder im Gebrauch abzupuffern, ohne dass sich die Materialfeuchte merklich erhöht. Die Konstruktion wird dadurch deutlich sicherer.

Die Wissenschaftler untersuchten routinemäßig potenzielle Emissionen und konnten kein grundsätzliches Hindernis für die Verwendung finden. Außerdem ermittelten sie Datensätze zur Ökobilanz, die in die Datenbank ÖKOBAUDAT des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat eingepflegt werden können.

Am Forschungsverbund beteiligten sich neben dem Fraunhofer WKI das Institut für Holztechnologie Dresden gGmbH, die Fakultät für Angewandte Natur- und Geisteswissenschaften der Technischen Hochschule Rosenheim, das Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz und das Institut für Ökologische und Nachhaltige Chemie der Technischen Universität Braunschweig, der Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit der Hochschule Magdeburg-Stendal, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e. V., die Papiertechnische Stiftung, das Thünen-Institut für Holzforschung, die Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung des Lehrstuhls für Bauphysik der Universität Stuttgart, das Institut für Holz- und Papiertechnik der Technischen Universität Dresden und das Materialprüfungsamt Nordrhein-Westfalen.

Die Forschungsinstitute arbeiteten im Projekt mit zahlreichen Unternehmen und Verbänden zusammen.

Die Gesamtfördersumme des Verbundprojekts belief sich auf mehr als 4 Millionen Euro bei einer Laufzeit von dreieinhalb Jahren. Gefördert wurde es im Rahmen des Förderprogramms "Nachwachsende Rohstoffe" des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

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