Bauaussichten 2025
Erstmals seit vielen Jahren – Branchenumsatz sinkt
von: Marcus Nachbauer, Präsident des Bundesverbands Gerüstbau und BundesinnungsmeisterDie Bauwirtschaft hatte vor einem Jahr für 2024 stark rückläufige Umsatzzahlen vorausgesagt, weil 2023 die Anzahl der Neubaugenehmigungen und die Kreditanträge für Immobilienfinanzierungen stark zurückgegangen waren. Nun ist der Gerüstbau zwar auch für das Bauhauptgewerbe, aber ebenso für die Industrie und das Ausbaugewerbe tätig. Vor diesem Hintergrund fiel die Prognose hier etwas besser aus.
Doch wie ist der aktuelle Stand im Gerüstbau? Die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen ist ein verlässlicher Indikator für die Umsatzentwicklung im Gerüstbau ist. Die bis einschließlich August 2024 vorliegenden Zahlen erwiesen sich besser als unsere Prognose. Die Anzahl der gewerblichen Mitarbeiter ist fast konstant geblieben (–0,3 Prozent), die bis dahin gezahlte Bruttolohnsumme liegt sogar um rund 3 Prozent über dem Vorjahreswert. Angenommen, die höhere Bruttolohnsumme resultiert aus Lohnerhöhungen, läge der auf Bruttolohnsummenbasis hochgerechnete Jahresumsatz etwa auf Vorjahresniveau.
Bei der Preisentwicklung greifen wir auf unsere im Sommer 2024 durchgeführte Konjunkturumfrage zurück. Demnach hatten 54 Prozent der Unternehmen in der ersten Jahreshälfte mit sinkenden Preisen zu kämpfen. Circa 30 Prozent der Befragten konnten preislich das Vorjahresniveau halten, nur 16 Prozent erzielten höhere Preise. Daraus ergibt sich insgesamt eine rückläufige Gerüstpreisentwicklung, wodurch auch der Branchenumsatz sinkt, obwohl das gleiche Gerüstbauvolumen montiert wurde. Zumindest theoretisch, wenn auf Basis der Bruttolohnsummen hochgerechnet wird, die real, also nach Abzug der angenommenen Lohnerhöhungen, auf Vorjahresniveau liegen.
In der Konjunkturumfrage wurde auch die Materialauslastung abgefragt. In der zweiten Jahreshälfte 2023 lag sie bei circa 75 Prozent, in der ersten Jahreshälfte 2024 aber nur noch bei circa 66 Prozent. Das führt bei konstanten Materialmengen zu niedrigeren Mietumsätzen. Die bisherigen Schlussfolgerungen stützen sich auf Werte, die Mitte dieses Jahres erhoben wurden. Aus der aktuellen Beratung und den Äußerungen in den Arbeitskreissitzungen geht aber hervor, dass die Situation am Gerüstbaumarkt in der zweiten Jahreshälfte schwierig geblieben ist. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Bruttolohnsumme unter das Vorjahresniveau sinken wird. Hinzu kommen wegen der härteren Wettbewerbssituation sinkende Gerüstpreise und wegen der schlechteren Geräteauslastung niedrigere Mietumsätze.
Nach über einem Jahrzehnt kontinuierlichen Wachstums wird der Branchenumsatz also 2024 erstmalig sinken. Real rechnen wir mit einem Minus von 3 Prozent, nominal von circa 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Was das Jahr 2025 angeht, könnte die Ausgangsituation für eine Prognose kaum schwieriger sein. Die gesamte deutsche Wirtschaft erlebt eine Transformation, die aktuell eine ungeahnt hohe Geschwindigkeit erreicht hat. Hieraus ergeben sich viele Unsicherheiten. Hinzu kommt die ungewisse politische Lage. Welche Parteien werden eine neue Bundesregierung bilden? Und welche Prioritäten wird diese Regierung setzen? Wird es endlich einen konsequenten Bürokratieabbau geben? Und wie geht es weiter mit der Wohnungsbauförderung? Hiervon hängt vieles ab in der Bauwirtschaft und damit auch für den Gerüstbau.
Halten wir uns also an die Fakten: Es gibt Referenzwerte aus dem Umfeld der Bauwirtschaft, die ein wenig Hoffnung machen. Die Baupreise steigen nicht mehr so rasant wie im Zeitraum 2020 bis 2022. Auch sind die Zinsen zuletzt wieder gefallen. Betrachtet man die Statistiken im Bereich des Kreditneugeschäfts sowie der Neubaugenehmigungen könnte die Talsohle inzwischen durchschritten sein.
Wie bereits ausgeführt, ist der Neubau für den Gerüstbau wichtig, aber Gerüstbauleistungen sind auch bei Bestandsmaßnahmen meistens unverzichtbar. Die Nachfrage in diesem Bereich scheint stabil zu sein, ebenso bei der energetischen Sanierung und Installation von Photovoltaikanlagen.
Im Industriegerüstbau ist das Stimmungsbild sehr gemischt, mit einer leichten Tendenz zur Skepsis. Insbesondere die alles überschattende Frage, wie sich der Produktionsstandort Deutschland entwickelt, mag kaum jemand mit viel Zuversicht beantworten.
Alles in allem bedeutet das: Im kommenden Jahr könnte das vorhandene Marktvolumen für Gerüstbauleistungen stark umkämpft sein, was häufig zu Kampfpreisen führt. Auf der anderen Seite haben wir Fachkräftebedarf, was, rein wirtschaftlich betrachtet, eine Chance darstellen könnte.
Denn wenn sich das Angebot an Fachkräften und die Nachfrage nach Gerüstbauleistungen proportional entwickeln, sind auch bei geringerem Marktvolumen Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht und die Preise müssten zumindest theoretisch auf vernünftigem Niveau bleiben.
Die Preistheorie funktioniert aber nur unter Idealen Bedingungen, wie zum Beispiel vollkommener Markttransparenz. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Gerüstpreise 2025 wieder unter Druck geraten, und zwar um circa 1,5 Prozent, weil das Marktvolumen um circa 2 Prozent sinken wird. Real wird der Gerüstbauumsatz 2025 also um circa 3,5 Prozent geringer ausfallen als im Vorjahr.