Forschung

Beton kann sich selbst heilen

Betonbau und Stahlbetonbau
Wenn der Beton reißt, erzeugt dies Schallwellen, die mithilfe von Sensoren gemessen werden. Foto: Werner Bachmeier/TUM

München (ABZ). – Brücken, Tunnel und Straßen: Unsere Verkehrsinfrastruktur besteht zum größten Teil aus Beton. Wenn die Bauteile repariert werden müssen, kann das zu langen Staus führen. Auf der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS 2016) stellten Prof. Christian Große von der Technischen Universität München (TUM) und weitere Experten Materialien vor, die sich selbst heilen können. Die Session "Smart Materials for Sustainable Infrastructur" fand kürzlich in Washington, D.C., statt. Durch dauerhafte Belastung oder infolge von Temperaturschwankungen können im Beton kleine Risse entstehen. Zwar gefährden diese Risse die Stabilität der Bauwerke meist nicht unmittelbar, erklärt Prof. Christian Große vom Lehrstuhl für Zerstörungsfreie Prüfung an der TUM. "Aber es können Wasser und Salze in den Beton eindringen und das Bauteil schädigen."

Reparaturen an den Bauwerken sind teuer und können lange Staus verursachen. Im EU-Projekt "HealCON" forscht ein Team internationaler Wissenschaftler an einem Beton, der sich selbst heilen kann. Dabei untersuchen die Forscher drei unterschiedliche Heilungsmechanismen. Bestimmte Bakterien scheiden als Produkt ihres Stoffwechsels Calciumcarbonat aus. Die Wissenschaftler tränken Tonkugeln mit den Sporen dieser Bakterien und mischen die Kugeln in den Beton. Sobald Wasser in den Beton eindringt, werden die Mikroorganismen aktiv und scheiden Calciumcarbonat aus, eines der Hauptbestandteile von Beton. "Die Bakterien können innerhalb weniger Tage auch Risse bis zu einigen Millimetern Breite verschließen", sagt Große.

Hydrogele sind Polymere, die Feuchtigkeit aufsaugen. Sie werden unter anderem in Windeln eingesetzt. Material mit Hydrogelen kann bis zu dem zehnfachen oder sogar hundertfachen der originalen Größe anwachsen. Wenn Risse auftreten, kommt das Hydrogel mit Feuchtigkeit in Kontakt. Es dehnt sich aus und verhindert so weiteres Eindringen von Wasser, ohne den Riss zu verbreitern. Epoxidharze oder Polyurethane können in Kapseln eingeschlossen und dann unter den Beton gemischt werden. Wenn der Beton reißt, brechen die Kapseln, und das Polymer wird freigesetzt. Es bildet eine harte Masse, die den Riss schließt. Ein positiver Nebeneffekt: So wird die Stabilität der Bausubstanz gestärkt.

Zu beurteilen, wie gut diese Heilungsansätze im Einzelfall funktionieren, ist das Spezialgebiet von Große und seinen Mitarbeitern. Sie nutzen dazu zerstörungsfreie Testmethoden wie etwa die Schallemissionstechnik. Dabei wird auf einen Betonblock, der eines der Heilmittel enthält, Druck ausgeübt. Wenn der Beton reißt, erzeugt dies Schallwellen, die mithilfe von Sensoren gemessen werden.

Die Wissenschaftler können anhand der Daten nicht nur nachvollziehen, dass Risse entstanden sind, sondern auch an welcher Stelle. Nach dem Heilungsprozess führen die Forscher das Experiment erneut durch. War die Heilung nicht erfolgreich, gibt es kaum neue Schallwellen, da die Risse nach wie vor vorhanden sind. Sind die Risse geheilt, kommt es wieder zu Brüchen – allerdings an anderer Stelle. "Die Lokalisierung der Rissgeräusche zeigt uns also sehr deutlich, ob ein Heilmittel funktioniert", sagt Große. Die Schallemissionsanalyse ist gut für die Laboranwendung geeignet, für die Untersuchung von großen realen Bauteilen vor Ort setzen die Forscher eine andere Technik ein. "Hier verwenden wir kontinuierliche Ultraschall-Impulse", erklärt Große.

Die Wissenschaftler messen dabei die Zeit, die die Ultraschall-Impulse benötigen, um den Beton zu durchlaufen. Risse im Material behindern das Signal, es benötigt mehr Zeit, um das Material zu durchdringen. Sind die Risse geschlossen worden, durchlaufen die Impulse das Material wieder schneller. Auch die Signalstärke lässt bei dem beschädigten Material merklich nach. Unter Laborbedingungen zeigen die Experimente bereits vielversprechende Ergebnisse. Im nächsten Schritt werden die Wissenschaftler das selbstheilende Material bei realen Bauteilen (Brücken- oder Tunnelabschnitte) einsetzen. Im letzten Schritt müssen die Technologien dann an gängige Betonherstellungs- und Betoniermethoden angepasst werden. Das Projekt HealCON wird im 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union (FP7/2007-2013) unter der Fördernummer 309451 unterstützt. Die Projektkoordination hat die Universität Gent (Belgien) inne.

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