Freies Sichtfeld

Neue Glaslösung macht Gitter überflüssig

Ausstattung & Zubehör
Der Einsatz von Hammerglass-Scheiben macht eine Verwendung von Schutzgittern an den Baumaschinen unnötig. Foto: Hammerglass

Förslöv/Schweden (ABZ). – Auf einer Baustelle fliegen nicht selten kleinere und größere Gegenstände herum. Um die Fahrer der Maschinen vor diesen zu schützen, sind viele Maschinen mit einem Gitter ausgestattet. Dieses schützt den Fahrer gegen große Gegenstände aber das Risiko einer Zersplitterung der Scheibe durch das Eindringen kleiner Gegenstände zwischen den Gitterstäben bleibt bestehen. Abgesehen davon, dass das Waschen der Scheiben durch das Gitter erschwert wird, empfinden viele Fahrer die Arbeit mit einem Gitter im Sichtfeld als störend. Das Auge fokussiere dann wechselweise auf das Gitter und auf das, womit die Maschine arbeitet – Schwindel und Kopfschmerzen seien die Folge.

Das schwedische Unternehmen Hammerglass AB hat deshalb Glaslösungen entwickelt, die ein solches Schutzgitter erübrigen. Die Hammerglass-Scheiben seien 300 Mal stärker als Glas, allerdings sei dabei das Glasgewicht nur halb so groß, so der Hersteller. Das Produkt ist im Grunde genommen ein hochklassiges Polykarbonat und durch eine einzigartige Oberflächenbehandlung hat die Scheibe einen UV-Schutz und eine Abnutzungsbeständigkeit erfahren – unter normalen Umständen werden die Scheiben nicht von Scheibenwischern beschädigt. Hammerglass hat zwei Grundprodukte entwickelt: Die Basislösung besteht aus 8 oder 12 mm Scheiben aus Hammerglass, welche die Originalscheiben ersetzen. Diese sind für die meisten Maschinen für Materialhandhabung, Lader und Bagger erhältlich und werden auf die gleiche Art wie die Originalscheiben montiert. Die Basislösung wurde geprüft und zertifiziert. Das Ergebnis des Tests: Eine 8 mm Scheibe aus Hammerglass hat größere Widerstandskraft gegen scharfe Stöße als eine laminierte Scheibe von 27 mm.

Abgesehen von diesem speziellen Scheibenglas, hat Hammerglass auch Stahlrahmen und Befestigungssysteme entwickelt, die die Anforderungen des neuen RABS-Standards erfüllen. Das Produkt wurde ursprünglich für Massen bearbeitende Baggern entwickelt, wo Versagergefahr besteht. In Fahrernähe sitzt eine 12 mm Hammerglass-Scheibe, die in einem 5 mm Stahlrahmen festgeschraubt ist. Der Rahmen seinerseits ruht auf den A-Pfosten der Kabine. Bei einem Sprengunglück wird die Kraft der Explosion auf die Kabinenstruktur übertragen und der Fahrer bleibt unversehrt. Das System wurde mit 3 kg TNT im Abstand von 3 m und in der höchsten FOBS-Klasse geprüft. Damit die kostbare Scheibe nicht von Steinsplittern beschädigt wird, befindet sich eine 4 mm Hammerglass-Scheibe vor der RABS-Scheibe. Die dünnere Scheibe ist ein reines Verschleißprodukt und sollte ausgetauscht werden, wenn sie zu viele Schäden erlitten hat, so der Entwickler. Die Schutzscheibe kostet rund 270 Euro und hält laut Herstellerinformationen zwischen vier und 24 Monaten je nach Arbeitsverhältnissen der Maschine.

In Schweden, wo die Produkte vor sieben Jahren eingeführt wurden, werden immer mehr Maschinen mit kompletten Hammerglass-Lösungen in der Schutzklasse 3 bestellt. Die Schutzklasse 3 beinhaltet einen sprenggeprüften RABS-Rahmen mit 12 mm Hammerglass statt der Frontscheibe. Die übrigen Scheiben der Kabine sind in 12 mm Hammerglass ausgetauscht worden. Die Kosten für so ein Paket liegen bei einer neuen Maschine zwischen 9000 bis 12.000 Euro.

Früher wurden keine Anforderungen und Standards für Scheiben in Baumaschinen gestellt. Mangels anderer Alternativen wurden die Maschinen mit kugelsicherem Glas laut Standard EN 1063 in den Klassen BR4 oder BR6 oder einer anderen Art von laminiertem Glas laut Herstellerempfehlungen ausgerüstet. Nachdem in Schweden im Jahre 2010 eine Gesetzesforderung hinsichtlich sichererer Arbeitsmaschinen erschien, wurde eine Reihe von Prüfungen durchgeführt, die auf verschiedene Arten die Risiken und Gefahren repräsentierten, denen ein Maschinenfahrer ausgesetzt ist – alles von großen Steinen oder spitzen Gegenständen mit hoher Geschwindigkeit bis hin zu Explosionen. Statt mit kugelsicherem Glas zu arbeiten, ging man dazu über, sich auf einen anderen Standard zu beziehen, der den Risiken der Maschinenbranche besser entspricht. EN 356 oder die sogenannte Achsklasse gibt in ihrer Höchstklasse P8B an, dass eine Scheibe 70 Achsschlägen von einer maschinenmontierten Achse standhalten soll. Die Achsklasse stellt das "A" in der RABS-Klasse dar. Das "B" steht für "Blast", wobei der Standard EN 12124-2 verwendet wurde.

In der Sprengklasse EXR2 soll die Scheibe 26 Tonnen Druck von 3 kg TNT, detoniert 3 m von der Scheibe entfernt, standhalten. Die Kraft entspricht 100 kg Dynamit von 14 m Abstand. Das "S" steht für Stone-Test und stammt von der Eisenbahnindustrie.

Der Standard EN 15152 simuliert, dass man einen Ziegelstein von einer Brücke auf die Frontscheibe eines Hochgeschwindigkeitszugs fallenlassen kann. Beim Test wird ein 1 kg Aluminiumprojektil bei 450 km/h gegen die Scheibe geschossen. Das "R" steht für R43, wie in der Serie von Testen, dem sich gewöhnliches Fahrzeugglas laut ECE 43R unterziehen muss. Zusammen bilden diese vier Tests den neuen Standard für Baumaschine: RABS.

In Deutschland werden bei bestimmten Munitionsräumarbeiten Anforderungen an Scheiben gestellt, die laut Standard EN1063 BR6NS geprüft wurden. So eine Scheibe widersteht dem Schlag von einer Explosion aber die Scheibe wird trotzdem beschädigt wenn sie während der normalen Arbeit von Steinen getroffen wird – sogenannte Sternbrüche (spinnennetzartige Risse) entstehen im Sichtfeld des Fahrers. Stattdessen gingen immer mehr Unternehmen dazu über, RABS in der Frontscheibe und 12 mm Hammerglass in den Seitenfenstern zu verwenden, da eine Hammerglass-Scheibe beim Aufprall eines Steins Beschädigungen hinterlasse, so das Unternehmen.

Hammerglass-Produkte werden vom Hauptimporteur der Maschinenbranche vertrieben. Kiesel, Zeppelin u. a. führen Hammerglass auf Lager für unmittelbare Lieferung. Deren Vertragswerkstätten sind im Einbau der verschiedenen unzerbrechlichen Hammerglass-Glaslösungen ausgebildet. Gesundheit und Sicherheit rangieren immer höher auf der Rangliste vieler Unternehmen und die Führersicherheit wird in den verschiedenen Foren fleißig diskutiert – Anders Bergsten von Hammerglass AB sagt abschließend – in baldiger Zukunft wird der Kauf einer Baumaschine mit gewöhnlichem Glas genau so schwierig sein wie der Kauf eines Autos ohne Sicherheitsgurte.

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