Führungsteam zieht Bilanz

Gerüstbau ist keine Nebensache mehr

Bauwirtschaft
Geschäftsführerin Sabrina Luther und Präsident Marcus Nachbauer haben seit ihrem Amtsantritt vor allem die Einführung des Mindestlohns und die Nachwuchsförderung im Fokus ihrer Arbeit. Foto: Oschütz

Den Gerüstbau als Beruf bekannter zu machen ist ein Anliegen, das sich Sabrina Luther, Geschäftsführerin Bundesverband Gerüstbau/Innung und Präsident Marcus Nachbauer auf ihre Fahnen geschrieben haben. Gegenüber der Allgemeinen Bauzeitung (ABZ) zieht das junge Führungsteam Bilanz. Zu der aktuellen Verbandsarbeit gaben sie kurz vor der diesjährigen Mitgliederversammlung ABZ-Chefredakteur Rainer Oschütz ein Interview.

ABZ: Herr Nachbauer, seit einem Jahr stehen Sie an der Spitze des Verbandes und der Innung Gerüstbau. Frau Luther ist seit drei Jahren Geschäftsführerin. Es heißt so schön "neue Besen kehren gut". Gab es eine neue Ausrichtung in der Verbandsarbeit?

Luther: Lassen Sie es mich so formulieren: Jede Zeit hat ihre Herausforderungen. So waren zwei Schwerpunkte in den vergangenen drei Jahren die Durchsetzung und Einführung eines Mindestlohnes im Gerüstbauer-Handwerk sowie auch die Nachwuchsförderung vor dem Hintergrund des sich immer stärker abzeichnenden Fachkräftemangels. Letzteres wird uns mit Sicherheit noch weiter beschäftigen.

Nachbauer: Im Fokus stand und steht das Thema Arbeitssicherheit. Zusammen mit unserem Vizepräsidenten Holger Budroweit konnten wir in einem konstruktiven Dialog mit der Berufsgenossenschaft Bau die Nutzung der persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) in den Betrieben als in der Praxis lebbaren Kompromiss etablieren. Heute stellen wir fest, dass die mehrjährige Aufklärungsarbeit ankommt und unsere Betriebe im Vergleich zu anderen Handwerken hier einen deutlichen Vorsprung verzeichnen. Unsere Mitgliedsbetriebe sind handwerklich-professionelle Dienstleister ihres Faches. Diesen Vorsprung bei der Arbeitssicherheit sollten wir in unserem Image auch deutlich machen. Denn Gerüstbau ist keine Nebensache mehr. Dieses Profil müssen wir noch weiter schärfen.

Luther: Unser Grundanliegen als Innung und Verband ist es stets, den Betrieben den Rücken zu stärken, die bemüht sind, sich an die Regeln eines fairen Wettbewerbes zu halten und eine handwerklich ordentliche Leistung zu erbringen. So sind im Hinblick auf die zunehmende Regelungsdichte in allen Bereichen Bundesinnung und Verband stärker denn je gefragt, die für die Unternehmen wesentlichen Informationen herauszufiltern und aufzubereiten. Darüber hinaus ist durch die gestiegenen und weiter steigenden arbeitssicherheitsrechtlichen Anforderungen auch der Schulungsbedarf in den Gerüstbaubetrieben nach wie vor hoch. Durch ein vielfältiges Seminar- und Veranstaltungsprogramm versuchen wir als Verband und Innung unseren Beitrag dazu zu leisten. Der Anspruch an die Professionalität der Veranstaltungsorganisa-tion ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Als eine weitere wichtige Etappe während können wir verbuchen, dass Verband und Innung nach einer langen Pause wieder im Präsidium des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks mit Marcus Nachbauer vertreten sind.

ABZ: Nachdem die Tarifverhandlungen im Gerüstbauer-Handwerk mehrfach kurz vor dem Scheitern standen, wurde in der vierten Verhandlungsrunde am 05.02.2014 doch noch ein Tarifabschluss erzielt. Wie kam dieses Ergebnis bei den Unternehmen an?

Luther: Zur Höhe des Mindestlohns gibt es nach wie vor – auch im Hinblick auf den Neuabschluss – überwiegend keine Probleme in den Betrieben. Die ursprünglich großen Ängste im Hinblick auf die Zollkontrollen haben sich, nach dem eine Reihe von Überprüfungen seit Einführung des Mindestlohnes im letzten August stattgefunden haben, etwas abgebaut. Dagegen gibt es zum Tariflohnabschluss mehr Rückfragen. Eine Mindestlohnfortführung ohne Tariflohn wäre jedoch nicht möglich gewesen. Der nun im Gesetzgebungsverfahren befindliche gesetzliche Mindestlohn hätte nach jetziger Gesetzesfassung weniger Flexibilität z. B. bei den Arbeitszeitkonten ermöglicht, als dies nach unseren Tarifverträgen der Fall ist.

Nachbauer: Entscheidend ist zudem, dass wir nach über zehn Jahren erstmalig die Chance haben, das gesamte Tarifwerk zu reformieren, da das kürzlich beschlossene Gesetzespaket zum Tarifvertragsrecht zu der erhofften Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklärung führt. Diese Chance hätten wir bei einem endgültigen Scheitern der Tarifverhandlungen verspielt. Die Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit nunmehr bereits aufgenommen. Es gilt einen Ausgleich zu finden zwischen der dringend notwendigen zeitgemäßen Modernisierung der Tarifverträge, dem Erfordernis der Betriebe im Wettbewerb bestehen zu können und einer attraktiven sozialen und gewerkespezifischen Absicherung der zukünftigen Fachkräfte.

ABZ: Thema Mindestlohn. Was wurde von Ihnen nach dem "Durchbruch" erwartet bzw. erreicht?

Luther: Wir waren auf den regionalen Mitgliederversammlungen aktiv, die Betriebe bei der Umsetzung des Mindestlohnes zu unterstützen. Dazu gehörten ein Leitfaden, Formularmuster, individuelle Beratung, Vorträge und Diskussionen zum Thema einschließlich der Zollkontakte. Mit dem Mindestlohn soll verhindert werden, dass die Wettbewerbsschere in der Branche weiter auseinandergeht – schon immer eine Forderung von Verband und Innung. Die ersten Zollkontrollen haben zur Aufdeckung einiger schwarzer Schafe beigetragen.

ABZ: Ihr Verband fordert nach wie vor die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen zu beschleunigen. Wie ist da der Stand der Dinge?

Luther: Ja, nach den letzten Erfahrungen, die wir im Verfahren zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung unseres Mindestlohnes gemacht haben, war das Verfahren mit fast zwei Jahren eindeutig zu lang. Diese Erfahrung teilen wir mit den Nachbargewerken, weswegen wir die Beschleunigung als politische Forderung vor den Wahlen aufgestellt haben. Da das Verfahren zur Allgemeinverbindlichkeit nun im Gesetzespaket zum gesetzlichen Mindestlohn auch reformiert werden soll, besteht Hoffnung, dass hier eine Veränderung erfolgt. Wir benötigen sie allerdings bereits jetzt, da der neue Mindestlohn-Tarifvertrag ab Mai auch wieder für allgemeinverbindlich erklärt werden muss. Unseren Antrag haben wir auf den Weg gebracht. Nun wird sich zeigen, ob die Lippenbekenntnisse der Vergangenheit, die wir hier im Bundesministerium auf Vorsprache erhalten haben, auch schon vor der Gesetzesreform eingehalten werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist allerdings die bereits von Herrn Nachbauer angesprochene grundlegende Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklärung, die es uns erstmalig nach zehn Jahren ermöglichen wird, unser Tarifwerk zu reformieren.

ABZ: "Dauerbrenner" sind sicherlich auch in Ihrem Verband demografischer Wandel und Fachkräftemangel. Wie machen Gerüstbauer ihren harten Job den jungen Leuten attraktiv?

Nachbauer: Indem sie z. B. die große Bandbreite des Gerüstbaus – vom Traggerüstbau über Eventgerüstbau zum normalen Fassadengerüstbau – darstellen. Das sollen auch spektakuläre Bilder von interessanten Baustellen zeigen. Natürlich wollen wir auch in der Breite bekannt machen, welche Entwicklungsmöglichkeiten es dank der handwerklichen Gesellenausbildung bis hin zum Meister gibt. So haben wir als Bundesinnung und Bundesverband in Zusammenarbeit mit einigen Mitgliedsfirmen auf mehreren Ausbildungsmessen junge Leute mit einem für Schüler begehbaren Gerüst beeindruckt. Das kommt an, das bleibt auch hängen. An diese Idee wollen wir auch zukünftig mit herstellerseitiger Unterstützung anknüpfen.

Luther: Ein weiterer Anreiz können auch die sozialen Leistungen in einem Gewerk sein, z. B. eine solide Altersvorsorge. Als Verband und Innung versuchen wir zudem auch mit einem guten Beispiel voran zu gehen – z. B. beim Thema "attraktiver Arbeitsplatz". Auch wir müssen personell für die Zukunft vorsorgen und gute Leute gewinnen und halten. Vor diesem Hintergrund haben wir unsere Geschäftsstelle im letzten Jahr in einer sensationellen Bauzeit von sechs Monaten modernisiert, saniert und umgebaut.

ABZ: Wie jedes Jahr zur Bundesfachtagung findet auch diesmal die Veranstaltung "Talk im Gerüst" statt. Welche Themen werden in Warnemünde diskutiert?

Nachbauer: Wir haben uns vorgenommen, die Vielfalt von Traggerüsten in Bezug auf ihre normative und rechtliche Einordnung sowie die daraus entstehenden Konsequenzen für die Praxis näher zu beleuchten. Durch den Rückzug bzw. Ersatz bestehender Normen ergeben sich im Baustellenalltag immer wieder zahlreiche Detailprobleme und Fragestellungen, die es zu meistern gilt. Fragen, die von Podiumsgästen diskutiert werden, sind z. B.: Woraus setzt sich das Traggerüst zusammen? Worin bestehen die wesentlichen Unterschiede zu Arbeits- und Schutzgerüsten? Wann wird aus einem Arbeits- oder Raumgerüst ein Traggerüst, und welche Besonderheiten sind zu berücksichtigen?

Luther: Neben dem Talk im Gerüst gibt es aber auch noch einige andere spannende Themen wie z. B. den Gastbeitrag des neuen ZDH-Präsidenten Hans-Peter Wollseifer zu den aktuellen Herausforderungen des Handwerks in Deutschland und Europa, darunter den Kampf um den Meistervorbehalt, der ja das gesamte Handwerk, und damit auch uns massiv betrifft – eindeutig eine neue Herausforderung für die Zukunft! Insofern gibt es auch eine Verknüpfung zu den Traggerüsten, die im Hinblick auf ihren hohen Anspruch ein wesentliches Argument bei der Vollhandwerkwerdung waren. Zukünftig wird es darum gehen, diesen Status gegenüber Europa zu verteidigen. Neben vielen weiteren fachlichen Inhalten freuen wir uns aber in diesem Jahr ganz besonders, den Mitgliedern ein grandioses Tagungspanorama mit echtem Urlaubsambiente und Ostseeflair bieten zu können. Hier lassen sich der fachliche Austausch und ein Stück Erholung vom Betriebsalltag in hervorragender Weise verbinden. Wir freuen uns daher auf eine attraktive Bundesfachtagung.

ABZ-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Seilbaggerfahrer (m/w/d), Jettingen-Scheppach  ansehen
Facility Manager / Technischer Leiter (m/w/d)..., Mannheim  ansehen
Bauhelfer (m/w/d) in Vollzeit, Frickenhausen  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

ABZ-Redaktions-Newsletter

Freitags die aktuellen Baunachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen