Gefahr am Gerüst

Experte warnt vor mangelhaften Sicherheitsstandards bei Materialschwächen

Gemeinhardt Gerüstbau Service Gerüstbau
Für sein eigenes Unternehmen hat Walter Stuber längst die nötigen Konsequenzen gezogen: Waren Gerüstteile längere Zeit im Einsatz, werden sie systematisch ausgemustert. Foto: Gemeinhardt Gerüstbau

Roßwein (ABZ). – Bewegt sich die Baubranche auf wackeligem Grund? Ein Experte warnt jetzt vor unzureichenden Standards bei der Aufstellung von Gerüsten. Seit Jahrzehnten verlasse sich die Branche auf mangelhafte Kriterien bei der Sicherheitsprüfung. Geht so mancher Unfall am Bau auf das Konto von Wackelkandidaten unter den Gerüsten? Verlassen sich Handwerker zu vertrauensselig auf Arbeitsplätze, deren Stabilität mehr als fraglich ist? Walter Stuber ist ein gefragter Spezialist im Gerüstbau. Als Chef der Gemeinhardt Gerüstbau Service GmbH in Roßwein kommt er viel herum auf Baustellen. Bei dem, was er dort mitunter zu sehen bekommt, stellen sich ihm die Nackenhaare auf. Stubers Fachgebiet sind nicht nur die Fassadengerüste für den Häuslebau: Er wird herangezogen, wenn es um die besonders anspruchsvollen Herausforderungen geht: Spezialgerüste für Brücken, Industrieanlagen, Kirchtürme und Schornsteine. Sogar überdimensionale Skulpturen hat er schon eingerüstet. Weil Walter Stuber weiß, dass die Gesundheit seiner Mitarbeiter und der Handwerker am Bau von stabilen Gerüsten abhängt, meldet er sich zu Wort.Seine These: Kümmert sich der Gerüstbauer nicht selbst um die nötige Qualität seines Materials, tut es keiner. Die Vorschriften dazu würden jedenfalls keineswegs ausreichen. "Autos werden regelmäßig zum TÜV geschickt. Kabeltrommeln, Elektrogeräte, PC und Bohrmaschinen müssen in allen Unternehmen auf ihre Sicherheit überprüft werden", so Stuber. "Jeder Gabelstapler, jeder Radlader, jeder Bauaufzug und sogar jede Leiter im gewerblichen Einsatz brauchen eine Sicherheitsplakette. Für Gerüste dagegen reicht eine Sichtprüfung. Selbst wenn sie jahrzehntelang im Einsatz waren."Eine untragbare Fahrlässigkeit, wie Walter Stuber meint. Holzbeläge, Alu-Gitterträger und Gerüstteile von anno dazumal dürften heute ohne jegliche mechanische Prüfung auf der Baustelle eingesetzt werden. Die Gefahr lauere vor allem darin, dass viele Materialschwächen äußerlich nicht sichtbar sind. "Natürlich dürfen defekte Teile nicht mehr genutzt werden. Sie gehören in die Reparatur oder auf den Schrott. Aber die Realität ist, dass 40 Jahre alte Schweißnähte nicht fachgerecht überprüft werden, z. B. mit einem Röntgenverfahren."An einem Beispiel erläutert Walter Stuber, wie einstmals solides Material über die Jahre marode und damit zu einem Risiko für Leib und Leben aller wird, die sich auf oder am Gerüst aufhalten. "Ein Malerbetrieb kauft in den 70er-Jahren 450 m² Alu-Fassadengerüst zum Einrüsten eines kleinen Stadthauses. Nach zwei- bis dreimaligem Einsatz an verschiedenen Häusern arbeitet der Malermeister an seinem ersten Kirchturm. Bei dieser Einrüstung wird der Alu-Gitterträger weit über seine Leistungsgrenze belastet. Danach wird das Gerüst mehrere Jahre nicht mehr benötigt. Gelagert wird es im Freien hinter der Lagerhalle. Die Holzbeläge kommen nass von der Baustelle zurück und werden aufeinandergelegt. Erst Jahre später wird das Gerüst wieder einmal eingesetzt. Die Holzbeläge mürbe von Feuchtigkeit und Schimmel, das Material der Metallteile und Schweißnähte ermüdet. So etwas darf nicht mehr auf die Baustelle gelangen." Muss sich der Malermeister Sorgen machen wegen der Produkthaftung bei Gerüsteinstürzen? Wer bezahlt so lange den Schaden, bis ein Umdenken stattfindet? Vielen Unternehmern und Bauherren ist nicht bewusst, dass ihre Handwerker auf verrottenden Gerüstteilen arbeiten. Gefragt wird eher nach dem günstigsten Preis als nach der sichersten Konstruktion. Für sein eigenes Unternehmen hat Walter Stuber längst die nötigen Konsequenzen gezogen: Waren Gerüstteile längere Zeit im Einsatz, werden sie systematisch ausgemustert. Zusammen mit seiner Bank entwickelt er ein Konzept dafür.Den Austausch nutzt er, um zugleich etwas für die Gesundheit seiner Mitarbeiter zu tun: Er investiert zunehmend in kürzere, leichtere Bauteile, die rücken- und gelenkschonender transportiert werden können. "Früher galt die Maxime: Lange Bauteile bringen Masse. Heute ist uns das Wohlergehen der Mitarbeiter wichtiger."Sein Tipp: "Das Thema Gerüst gehört auf jeden Fall in professionelle Hände. Bauunternehmer sollten Profis hinzuziehen, die sich mit Gerüsten hundertprozentig auskennen. Und Bauherren sollten nachfragen, wie es um den Zustand der eingesetzten Gerüste bestellt ist." Damit ließe sich wohl so mancher Unfall vermeiden.

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