Gewinnerin in der Kategorie "Familieninterne Nachfolge"
Nachfolge XXL mit Ideen und Herzblut
Seit der Gründung durch Hermann Spanier und Holger Wiedemann 1992, damals als Gerüstbaubetrieb Spanier & Wiedemann KG, hat sich der in Longuich bei Trier ansässige Handwerksbetrieb von einem regional agierenden Kleinbetrieb laut eigener Angabe zu einem deutschlandweit tätigen Meisterbetrieb entwickelt. Nachdem sich die beiden Gründer nach und nach aus dem operativen Tagesgeschäft zurückgezogen hatten, trat Jeanette Spanier gemeinsam mit dem langjährigen Mitarbeiter Sebastian Bichler 2020 die Nachfolge an und führt den väterlichen Betrieb seither in zweiter Generation und ebenfalls erfolgreich in Doppelspitze.
Jüngst hat sie den She Succeeds Award 2023 erhalten. Die Auszeichnung des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU) für die "Unternehmensnachfolgerin des Jahres", ist der erste und einzige Preis in Deutschland, der weibliche Nachfolgeunternehmerinnen auszeichnet und sie als Vorbilder sichtbar macht. Der VdU kürt damit unter der Schirmherrschaft von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck außergewöhnliche Frauen, die den mutigen Schritt als familieninterne und externe Nachfolgerinnen gegangen sind. Der Preis soll Unternehmertum auch in der Nachfolge als eine interessante Karriereoption herausstellen.
Dass sie eines Tages die Nachfolge des Betriebs antreten würde, stand für Jeanette Spanier schon früh fest: "Bereits als Kind war für mich klar, dass es für mich nichts anderes als Gerüstbau geben wird." Den elterlichen Handwerksbetrieb fortzuführen, den allen voran ihr Vater aufgebaut hatte, war ihr laut eigenem Bericht immer eine Herzensangelegenheit. Nach der Realschule absolvierte die junge Nachfolgerin daher zunächst eine kaufmännische Ausbildung mit anschließendem Betriebswirt im elterlichen Gerüstbaubetrieb. Doch schnell war klar, dass sie der Büroalltag allein nicht erfüllte – sie wollte in die Praxis und mit anpacken und absolvierte 2007 die Meisterinnenprüfung. "Gerüstbau ist ein bisschen wie Bauen mit Legosteinen – nur für Große", sagt Meisterin heute schmunzelnd.
Auch wenn ihre Nachfolge im Betrieb geplant war, blieb ihr der sprichwörtliche "Sprung ins kalte Wasser" nicht erspart: Aufgrund eines plötzlichen Geschäftsführerweggangs musste die junge Meisterin früher als geplant einspringen und Führungsverantwortung als Chefin übernehmen. Als die "schönsten und abwechslungsreichsten Jahre" beschreibt Spanier ihre Zeit als junge Geschäftsführerin.
In dieser Zeit und unter ihrer Verantwortung vergrößerte sich nicht nur der Standort von drei auf 25 Mitarbeitende, sie trieb auch, wie sie erzählt, die Digitalisierung im Betrieb maßgeblich voran. Gemeinsam mit ihrem Vater beschäftigte sie sich aus der eigenen Unternehmensperspektive mit digitalen Neuerungen, was kurzerhand zur Gründung der beiden Start-Ups "Moselcopter " und "Scaffeye" führte. Mit Moselcopter wird die Vermessung mittels Drohnenaufnahmen ermöglicht, um die Erstellung von 3D-Gerüsten zu erleichtern, so das Unternehmen. Mit Scaffeye haben die beiden eine Software entwickelt, die eine rechtssichere Verwaltung und Übergabe von Baugerüsten sicherstellt, betonen sie. Die beiden Start-Ups sind aus dem traditionellen Handwerk und aus alltäglichen Herausforderungen heraus entstanden. "Aus Problemen, die wir im Alltag haben, wurden Lösungen gesucht und selbst umgesetzt, da es bis dato keine Firma auf dem Markt gab, die diese Probleme lösen konnte", erklärt die Chefin.
Die Digitalisierung im Gerüstbau weiter voranzutreiben, ist Spanier laut eigner Aussage persönlich ein großes Anliegen. Außerdem ist sie fest davon überzeugt, dass digitale Wege und Tools dazu beitragen können, die Branche für junge Leute attraktiver zu machen. "Digitalisierung im Handwerk ist so facettenreich und bietet jungen Leuten – und Frauen im Speziellen – so viele neue Möglichkeiten und Perspektiven", schwärmt die Gründerin.
Neben ihrem Alltag auf der Baustelle engagiert sich die Unternehmerin mitunter als Teil der Initiative "Frauen für mehr Frauen und Mädchen in handwerklichen Berufen". Denn was sie beobachtet, sei, dass gerade Mädchen häufig stärker gegen die Vorstellungen der Eltern und ihres sozialen Umfelds ankämpfen müssen, wenn sie sich für ein Handwerk und speziell das Gerüstwesen interessieren. Dass Frauen und Mädchen diese "immer geglaubten Männerberufe" genauso handeln und meistern können wie ihre männlichen Kollegen, stellt die Rheinland-Pfälzerin jeden Tag aufs Neue unter Beweis. Was es ihrer Meinung nach brauche, sind noch mehr Vorbilder.
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