Größere Rechtssicherheit

Elektronische Vergabe im neuen EU-Vergaberecht

Kalkulation
Rechtsanwalt Philip Pürthner

Wiesbaden. – Seit dem 18. April gilt in Deutschland das neue nationale Vergaberecht. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Unternehmen sind groß. Die ABZ veröffentlicht jetzt den zweiten Beitrag einer 14-tägig erscheinenden siebenteiligen Reihe von Fachartikeln. Der nachfolgende Beitrag ist von Philip Pürthner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- & Architektenrecht aus Wiesbaden. Der nächste Beitrag erscheint am 6. Mai zum Thema "Regelung der VOB/A (VOB/B)".Einführung: Einen erheblich neuen Aspekt der umzusetzenden EU-Richtlinie über die die öffentliche Auftragsvergabe (Richtlinie 2014/24/ EU) bildet die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren. Die EU-Kommission hatte sich bereits im Jahr 2004 das Ziel gesetzt, die Digitalisierung von Vergabeprozessen soweit voranzutreiben, dass bis Ende 2007 die Einführung von elektronischen Vergabesystemen in den Mitgliedstaaten vollzogen ist. Fast alle Mitgliedsstaaten haben diese Vorgaben nicht halten können. In Ansehung dieses sehr langsam voranschreitenden Prozesses hat die EU-Kommission, u. a. auch zur Durchsetzung der E-Vergabe, durch Erlass neuer EU-Vergaberichtlinien im Jahr 2014 eine verbindliche Umsetzung bis zum 18.04.2016 in nationales Recht beschlossen.In Bezug auf die Umsetzung der Vorschriften zur E-Vergabe sieht die Allgemeine Richtlinie neben der vorbenannten erwähnten allgemeinen Frist für die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht Möglichkeiten vor, diese um bis zu 30 weitere Monate aufzuschieben. Spätestens ab Oktober 2018 ist die elektronische Kommunikation im Rahmen eines laufenden Vergabeverfahrens verbindlich durchzuführen. Im Rahmen der Umsetzungsfristen wird deutlich, dass die EU-Richtlinie eine maßgebliche Differenzierung zwischen den sogenannten zentralen Beschaffungsstellen einerseits und den übrigen Vergabestellen andererseits vorsieht. Ab dem 18.04.2016 müssen alle Bekanntmachungen und der Zugang zu den Ausschreibungsunterlagen elektronisch zugänglich sein. Ab dem 18.04.2017 ist die elektronische Übermittlung aller Angebote für zentrale Beschaffungsstellen verbindlich. Bis zum 18.10.2018 haben alle öffentlichen Auftraggeber und Bieter ausschließlich elektronische Mittel bei der Vergabe von Aufträgen zu nutzen.Inhalt der E-Vergabe: Zentrale Norm der E-Vergabe ist Artikel 22 der Richtlinie 2014/24/EU, der Vorschriften über die Kommunikation vorhält. Hiernach haben die Mitgliedsstaaten zu gewährleisten, dass die gesamte Kommunikation und der gesamte Informationsaustausch im Rahmen des Vergabeverfahrens unter ausschließlicher Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel zu erfolgen hat. Die neuen Richtlinien sehen ausdrücklich vor, dass die genutzten elektronischen Kommunikationsmittel nichtdiskriminierend und allgemein verfügbar sind. Sie müssen mit den allgemein verbreiteten Erzeugnissen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sein.Es herrscht der Grundsatz der Unzulässigkeit mündlicher Kommunikation im Vergabeverfahren. Sofern die Kommunikation keine wesentlichen Bestandteile eines Vergabeverfahrens (Vergabeunterlagen, Teilnahmeanträge, Interessenbestätigungen oder Angebote) betrifft und sofern der Inhalt der mündlichen Kommunikation ausreichend dokumentiert wird, kann die Kommunikation zwischen Vergabestelle und dem Bieter nach wie vor mündlich erfolgen. Aus der Verordnungsbegründung zu § 9 Abs.1 VgV ergibt sich zudem, "dass die Pflicht, grundsätzlich nur elektronische Mittel zu verwenden, ausschließlich den Datenaustausch zwischen den öffentlichen Auftraggebern und den Unternehmern betrifft. Wie die öffentlichen Auftraggeber und die Unternehmen ihre internen Arbeitsanläufe gestalten, bleibt jeweils ihnen überlassen und wird nicht von der VgV geregelt. So können die Auftraggeber bspw. den Vergabevermerk in Papierform fertigen und Unternehmen können bspw. ihre interne Kommunikation mündlich oder fernmündlich gestalten. Eben so wenig ist von der Pflicht zur grundsätzlichen Verwendung elektronischer Mittel im Vergabeverfahren die Phase der Archivierung von Daten umfasst. Die öffentlichen Auftraggeber können z. B. sämtliche in einem Vergabeverfahren angefallenen elektronischen Daten ausdrucken und entsprechend der einschlägigen Aufbewahrungsvorschriften in Papierform archivieren. Dasselbe gilt für Unternehmen."Der Countdown zur E-Vergabe läuft. Die E-Vergabe soll durch transparente Verfahren zu einer höheren Rechtssicherheit der Beschaffungsvorgänge führen. Zeit und Kosten sollen gespart werden. Das Mitführen von Vergabevermerken soll die Anforderungen an die Dokumentationspflicht erleichtern und eine nachvollziehbare Vorgehensweise garantieren. Bieter sollen einen vereinfachten Zugang zur Ausschreibung erhalten. Ausschreibungen können gezielter gesucht und Vergabeunterlagen direkt abgerufen und gesichtet werden. Ein umfassender Überblick über Auftragspotential wird gewährleistet. Das Ausschlussrisiko aufgrund formaler Fehler bei der Angebotsabgabe wird sich durch eine benutzerfreundliche Führung erheblich reduzieren.Ausblick: Dass die E-Vergabe neben größerer Rechtssicherheit und Rechtsklarheit einen Fortschritt bietet, der sowohl Auftraggebern als auch Bietern zum Vorteil gereicht, ist bereits jetzt zu erkennen. Um die eingeschlagene Entwicklung aufrechtzuerhalten, ist der Kommission die Befugnis übertragen, im Hinblick auf Änderung technischer Einzelheiten Rechtsakte zu erlassen, um technischen Entwicklungen Rechnung tragen zu können. Dies zeigt, dass Bau- und Informationstechnologie eines gemein haben: Es handelt sich bei beiden Disziplinen um einen dynamischen Prozess.Es verwundert daher nicht, dass schon vor Einführung der E-Vergabe bereits jetzt über verschiedene Regelungen Streit herrscht. Unklar ist beispielhaft, was es bedeutet, dass den Bietern bei der E-Vergabe die Vergabeunterlagen unentgeltlich bereit zu stellen sind. Wie verhält es sich mit Zahlungen im Zusammenhang mit der Nutzung von E-Vergabeplattformen? In der Regel fallen bei der Registrierung auf den gängigen E-Vergabeplattformen Aufnahmegebühren an. Es werden dort weitere Serviceleistungen angeboten, die dem Bieter beispielhaft im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Ebenfalls streitig ist noch, ob die Möglichkeit des direkten Abrufes der Vergabeunterlagen auch bei einer beschränkten Ausschreibung gilt, die regelmäßig in zweistufigen Verfahren durchgeführt werden.Ungeachtet aller Unwägbarkeiten, die neue gesetzliche Regelungen im Zusammenhang mit der Anwendung neuer technischer Verfahren mit sich bringen, richten Sie Ihr Unternehmen durch Bereitstellung der notwendigen Hard- und Software sowie eventuelle Teilnahme an Einführungsseminaren rechtzeitig darauf ein. Die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren wird verpflichtend.

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