Günter Jösch, Geschäftsführer des Bundesverbandes Bausysteme e. V./Leiter des Fachverbands Vorgefertigte Raumsysteme, im Interview

"Die Nachfrage ist in der Corona-Krise gestiegen"

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Günter Jösch ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Bausysteme e. V. und Leiter des Fachverbands Vorgefertigte Raumsysteme. Foto: Bundesverband Bausysteme

Containergebäude, Plattenbauten und das alles nach Schema F – noch immer haben viele Menschen eine veraltete und deutlich eingestaubte Vorstellung davon, wie mit modularer Bauweise Gebäude entstehen. Über Vorurteile und Vorteile sowie Chancen des modularen Bauens insbesondere angesichts der aktuellen Situation in der Corona-Krise sprach ABZ-Redakteurin Jennifer Schüller mit Günter Jösch, Geschäftsführer des Bundesverbandes Bausysteme e. V./Fachverband Vorgefertigte Raumsysteme.ABZ: Herr Jösch, als Geschäftsführer des Bundesverbands Bausysteme vertreten Sie auch den Fachverband Vorgefertigte Raumsysteme. Wer sind die Mitglieder in diesem Fachverband und welche Ziele verfolgt er?Jösch: Unser Fachverband besteht aus 18 Mitgliedern, die etwa 75 Prozent des deutschen Marktes repräsentieren. Sie setzen sich zum einen aus Anbietern von Container-Mietsystemen und zum anderen aus Anbietern von Modulgebäuden zusammen. Wir haben lange überlegt, ob wir diese beiden Bereiche trennen, weil im Bereich Mietsysteme oftmals andere Ansprüche und Regelungen gelten als für den Bereich modulares Bauen. Über die Jahre haben wir aber die Erfahrung gemacht, dass durch die Zusammenführung beider Zweige jede Seite auch von der anderen profitieren und lernen kann. Zudem haben wir viele Mitglieder, die sowohl den Bereich Container als auch den Modulbau abdecken.ABZ: Was für Themen sind es, die Sie dann ausschließlich in dem jeweiligen Bereich behandeln?Jösch: Bei den Containersystemen ist es beispielsweise so, dass wir in Zusammenarbeit mit dem VDI (Verein Deutscher Ingenieure) die Richtlinienreihen VDI/BV-BS 6206 umsetzen, um technische Regelwerke und Grundlagen zu schaffen. Häufig ist es so, dass gerade die Baubehörden im Genehmigungsverfahren gar nicht richtig wissen, wie sie mit Containersystemen umzugehen haben, und da möchten wir einfach eine Hilfestellung geben. Wir stellen die Technik vor und erklären, wie sie umgesetzt werden kann und welche Anforderungen damit erfüllbar sind.ABZ: Und welche Themen betreffen nur das modulare Bauen?Jösch: Im Bereich des modularen Bauens haben wir mehrere Schwerpunkte. Wir wollen zum Beispiel – dies ist ein sehr markantes Thema – das Thema AfA (Absetzung für Abnutzung) bearbeiten, sodass dort weitere Investitionsanreize geschaffen werden. Außerdem machen wir uns im Hinblick auf den Fachkräftemangel für die Einführung neuer Berufsgruppen stark. Das heißt, wir möchten einen Beruf schaffen, der sich dann Modulfertiger beziehungsweise Modultechniker nennt und in der Lage ist, die erforderliche Qualität der Produkte jederzeit zu sichern und diese darüber hinaus zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Hier sind BIM, Mensch-Roboter-Kollaboration und Robotik zu nennen.Außerdem sind wir beim Bundesbauministerium stark vertreten. Dort bearbeiten wir Themen, die das schnelle Bauen mit Modulgebäuden noch verbessern könnten. Manchmal ist es tatsächlich so, dass die Genehmigungsverfahren länger dauern als das Bauen. Wobei ich das Bundesbauministerium auch ein bisschen in Schutz nehmen muss: Dort wird wirklich viel daran getan, Rahmenbedingungen für schnellere und einfachere Genehmigungsverfahren in Abstimmung mit Ländern zu entwickeln. Ich bin mir sicher, es wird bald möglich sein, digitale Bauanträge einzureichen.

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Dieser Komplex der Uni Greifswald ist in Modulbauweise entstanden. Foto: Kleusberg

ABZ: Welche Themen sind für beide Bereiche relevant?Jösch: Für beide Bereiche gleichermaßen ist insbesondere das Thema BIM (Building Information Modeling) zu nennen. Und eine besondere Herausforderung stellt derzeit außerdem der Prozess dar, die 16 Landesbauordnungen stärker an die Musterverordnung des Bundes anzugleichen. Da geht es leider aber nur sehr langsam voran.ABZ: Wo liegen Ihrer Meinung nach die Vorteile des modularen Bauens gegenüber anderen Bauweisen?Jösch: Zunächst einmal kann man modular sehr schnell bauen. Und das aufgrund der werkseitigen Vorfertigung mit der dafür bedeutsamen hohen Qualität. Viele vermuten, dass deshalb die Baukosten wesentlich niedriger sein müssten. Das trifft aber nur teilweise zu. Die harten Baukosten, sprich die reinen Herstellkosten (Kostengruppen 300 und 400 nach DIN 276), sind im Grunde gleich, aber durch die viel schnellere Bauweise ergeben sich gegebenenfalls Zeitersparnisse von bis zu 70 Prozent. Dadurch hat man unter anderem kürzere Vorfinanzierungszeiten, Einsparungen beim Projektmanagement und einen schnelleren Kapitalrückfluss, weil man die Gebäude dann einfach wesentlich früher vermieten kann.ABZ: Das Land stemmt sich seit einigen Jahren gegen einen massiven Mangel an – vor allem bezahlbarem – Wohnraum. Welchen Beitrag kann der Modulbau hier leisten?Jösch: Hier kommen einige Punkte zusammen, die jeweils für sich zu betrachten sind. Grundsätzlich ist die Errichtung von bezahlbarem beziehungsweise kostengünstigem Wohnraum aufgrund der zu erfüllenden Anforderungen nur bedingt möglich. Seien es die bauphysikalischen Anforderungen, die Anforderungen an den Brandschutz und natürlich auch die Vorgaben der Barrierefreiheit, die allesamt wichtig sind, aber auch monetäre Auswirkungen auf die Baukosten haben. Doch der Modulbau kann einen erheblichen Beitrag zur Neuerrichtung von Wohngebäuden leisten. Einen guten Schritt hat zum Beispiel vor in etwa zwei Jahren der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW mit seiner Ausschreibung für "Serielles Bauen" gemacht, um gemeinsam mit dem Bund und für die Kommunen einen abrufbaren Rahmenvertrag für den modularen Geschosswohnungsbau zu kreieren.In Betracht gezogen werden müssen neben den Kosten der Gebäudeerrichtung auch die Kosten der Unterhaltung. Dabei befinden sich Nutzer und Investoren im gleichen Boot, denn je niedriger die Unterhaltungskosten, desto mieterfreundlicher in Bezug auf den Mietzins zeigt sich das Objekt.Bei Reparatur- oder Wartungsarbeiten an älteren, konventionell und durch eine baubegleitende Planung erstellten Bestandsgebäuden muss häufig mangels aktueller oder gar fehlender Planunterlagen eine kostenintensive und zeitraubende Bestandaufnahme vorgenommen werden. Dies ist bei der Modulbauweise nicht erforderlich.Die Modulproduktion beginnt erst, nachdem die Planung abgeschlossen und vom Investor/Planer/Bauherr freigegeben wurde. Somit steht während des kompletten Lebenszyklus eine Planung zur Verfügung, die den tatsächlichen Ist-Zustand widerspiegelt. Ein deutlicher Vorteil.ABZ: Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial in Bezug auf das Vorantreiben des modularen Bauens als Methode?Jösch: Es wäre sehr wichtig, vernünftige Standards zu schaffen. Wenn dann für gewisse Gebäude praktikable und ansprechende Grundrisse geschaffen wurden, könnten diese auch problemlos in unterschiedlichen Städten errichtet werden. Und trotz dieses übergreifenden Standards würde das nicht bedeuten, dass alle diese Gebäude von außen uniform aussehen. Man könnte, jeweils an die Lage angepasst, beispielsweise die Fassade individuell gestalten. Zu Beginn der Planung würde man sich mit dem Architekten und dem Bauherren zusammensetzen und über deren Wünsche sprechen. Auf dieser Basis wird anschließend ein Konzept entwickelt. Das beginnt bei der Innengestaltung und der technischen Ausstattung und geht bis zur Gestaltung von Fassaden. Oftmals ist es mittlerweile so, dass man nach Fertigstellung nicht mehr erkennen kann, ob es sich um ein konventionell gefertigtes Gebäude handelt oder einen Modulbau. Zudem befinden wir uns in einem regelmäßigen Austausch mit dem Bundesministerium des Innern (BMI), um auf erforderliche Verbesserungen und Vereinfachungen hinzuweisen und natürlich auch beratend tätig zu sein.

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Ein doppelstöckiges Objekt in Containerbauweise. Foto: Algeco

ABZ: Welche Rolle spielt der Modulbau heute im Wohnungsbau? Wird er hier bereits als Alternative zum Massivbau wahrgenommen?Jösch: Die Errichtung von Wohngebäuden in Modulbauweise ist mittlerweile etabliert. Der bereits angesprochene GdW-Wettbewerb für Serielles Bauen trägt nun erste Früchte und die ersten Gebäude aus dem Rahmenvertrag sind in Betrieb. Unabhängig davon haben auch die großen Wohnungsunternehmen wie beispielsweise Vonovia den Vorteil der Modulbauweise erkannt und nutzen diese nun auch verstärkt.ABZ: Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie das Thema BIM besonders beschäftigt. Woran arbeiten Sie in dieser Hinsicht genau?Jösch: In Zeiten von BIM entwickeln wir aktuell ein Template, das dem Planer die Möglichkeit bietet, ein Gebäude bis zum Bauantrag zu planen. Das Template wird so gestaltet, dass die Anbieter mit ihren individuellen Lösungen darauf aufsetzen können, um den endgültigen digitalen Zwilling der Gebäude abzubilden. Parallel führen wir auch mit den Software-Herstellern sehr konstruktive Gespräche, dieses Template in ihre Software einzubinden. Für die Produktion sehen wir BIM als unterstützendes Mittel für eine zukünftige automatisierte beziehungsweise teilautomatisierte Fertigung der Raumsysteme.ABZ: Es gibt noch immer Vorurteile gegenüber dem Modulbau. Wie treten Sie und Ihre Mitglieder dem entgegen?Jösch: Viele Menschen kennen einerseits den einfachen Container, der auf Baustellen zum Einsatz kommt oder die Plattenbauten aus den 1960/70er Jahren, die übrigens zwischenzeitlich wieder sehr beliebt sind. Dem Vorurteil der angeblich niedrigen Qualität und uniformen Bauweise treten wir mit sehr viel Aufklärungsarbeit, Darstellungen von Leuchtturmprojekten und Seminaren gegenüber.Nach unserer Einschätzung basiert diese Sichtweise auf einer negativ behafteten Klischeevorstellung, dass Container und Raummodule billig, minderwertig und nicht dauerhaft sind. Deshalb fördern wir den Nachwuchs in den Hochschulen, die werdenden Architekten und Architekktinnen und Planer und Planerinnen, mit Vorträgen und Studierenden-Wettbewerben. Es ist uns sehr wichtig, dort darzustellen, welche Möglichkeiten und architektonischen Gestaltungsspielraum diese Bauweisen zu bieten haben.Wichtig ist, den Menschen vor Augen zu führen, dass grundsätzlich zwischen Container- und Modulgebäuden unterschieden werden muss. Containergebäude sind Interimslösungen, die zeitlich befristet eingesetzt werden. Aufgrund der Regelungen in der EnEV begrenzt sich die Nutzungsdauer auf maximal fünf Jahre. Diese Gebäude werden nach den Anforderungen der Auftraggeber zum Beispiel als Büro-, Wohn- oder Klassenraum ausgestattet. Bei den Außenhüllen ist in der Regel noch die Struktur des einzelnen Mietmoduls oder der einzelnen Mieteinheit mit seinen Abmessungen erkennbar. Hier obliegt es dem Auftraggeber, wie das jeweilige Mietgebäude ausgestattet ist. Das Spektrum reicht von Klimaanlage über PV-Anlage bis hin zu kind- oder behindertengerechten Sanitärobjekten. Modulgebäude werden wie eingangs erwähnt individuell geplant und nach den Vorgaben des Auftraggebers ausgestattet. Dies betrifft die Grundriss- und Raumaufteilung, die Innenausstattung, die Haustechnik und natürlich auch die Außenhülle.ABZ: Auch die Politik sucht händeringend nach Möglichkeiten, das Bauen schneller und effizienter zu machen. Hat man sich dem Thema hier bereits angenommen?Jösch: Ja, insbesondere das Bundesbauministerium trägt massiv dazu bei, die Genehmigungsverfahren beispielsweise durch die Einreichung digitaler Bauanträge zu beschleunigen. Hierzu ist zunächst in Kooperation mit dem BMI ein Workshop für den 16. Juni 2020 vorgesehen, bei dem aktuelle Themen wie Genehmigungs- und Vergabeverfahren, Realisierung jetzt und in Zukunft sowie BIM-Vorteile für Hersteller und Planer/Investoren erörtert werden. Dieser Workshop findet aufgrund der Corona-Krise nun per Videokonferenz statt und wird mit einem Positionspapier abschließen.Was für unsere Branche ein wirkliches Hemmnis ist, ist der Föderalismus in Deutschland in Bezug auf die 16 Bauordnungen der Länder. Aber auch hier ist man auf dem Weg, viele Punkte in den Landesbauordnungen in Anlehnung an die Musterbauordnung zu vereinheitlichen. Wir wünschen uns für unsere Branche eine Bundesbauordnung mit einheitlichen Regelungen für den (Modul-)Bau.ABZ: Sie haben es eben bereits erwähnt. Seit einigen Wochen beherrschen das Coronavirus und die Folgen seiner Ausbreitung das gesamte öffentliche Leben. Insbesondere, wenn es um den Ausbau von Klinikkapazitäten geht, wird schon seit längerem auf den Modulbau zurückgegriffen. Hat sich die Nachfrage in der aktuellen Situation erhöht?Jösch: Die Nachfrage nach Sanitäts- und Fieberstationen hat sich deutlich erhöht. Gerade in diesem Bereich sind Interimslösungen mittels Mietsystemen sehr gefragt. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: schnelle Verfügbarkeit, bedarfsgerechte Ausstattung und Rücknahme nach Ablauf der Nutzungsdauer. Zwei unserer Mitglieder stellen aktuell in Berlin und Fürth sogenannte Fieberstationen zur Verfügung. Bereits Anfang April hatten wir Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und den Gesundheitsministern der Länder unsere Unterstützung angeboten. Als Fachverband würden wir gerne dabei Ansprechpartner sein, um die Bedarfe innerhalb des Fachverbandes zu klären. Aktuell können wir bis zu 500 Einheiten monatlich zur Verfügung stellen. Seien es als Labore, Krankenzimmer oder komplette Krankenhäuser. Glücklicherweise haben die Maßnahmen der Regierung bislang gegriffen, sodass bisher nur im geringen Rahmen zusätzliche Einheiten benötigt wurden. In gleicher Weise haben wir uns auch an Verkehrsminister Andreas Scheuer zur Unterstützung der Lkw-Fahrer mit Sanitäranlagen – Duschen, Toiletten und so weiter – gewendet, die als Interimslösungen auf Parkplätzen, Autohöfen und ähnlichen Einrichtungen aufgestellt werden können.ABZ: Haben Sie bereits Rückmeldungen bezüglich dieser beiden Anlaufstellen bekommen?Jösch: In Gesprächen mit dem Bundesgesundheitsministerium wurden wir an die Länder vermittelt und haben uns dementsprechend dann an die Länder gewandt. Von zwei bis drei Bundesländern haben wir bereits Antworten erhalten, dass sie im Bedarfsfall sehr gerne auf unser Angebot zugreifen möchten.Mit dem Bundesverkehrsministerium befinden wir uns gerade im Gespräch und suchen derzeit Stellplätze für die Sanitäranlagen.

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