Herausforderungen für die Bauwirtschaft meistern

Bester Zeitpunkt für mehr Partnerschaftlichkeit

von: Neil Richardson
Frankfurt am Main – Die Herausforderungen für die Bauwirtschaft nehmen zu – von Fachkräftemangel über konstant niedrige Margen bis hin zum aktuellen Preisboom für Baumaterialien. In diesem Umfeld einer gesamtwirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Pandemie stellt sich für viele Betriebe die Frage nach der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit. Diese wird nur in Kooperation möglich sein. Umso mehr ist nun ein günstiger Zeitpunkt gegeben, partnerschaftliche Vertragsmodelle in der Breite zu implementieren.
Bauwirtschaft
Neil Richardson. Foto: Martin Klindwort

Partnerschaftliches Bauen hat in Deutschland noch nicht den Stellenwert, der ihm zukommen müsste. Es gibt noch keine offiziellen Statistiken, Begriffe wie Project Alliance oder Design & Build sind noch nicht flächendeckend bekannt und alternative Vertragsmodelle zu der klassischen Einzelvergabe nach Fachlosen bleiben für viele Bauherren terra incognita. Immerhin wagt sich die Öffentliche Hand mit zwei aktuell laufenden Pilotprojekten an die Anwendung partnerschaftlicher Vertragsmodelle nach angelsächsischem Vorbild. In Berlin und Hamburg kommen jeweils Mehrparteienverträge inklusive frühzeitiger Einbindung von Architekten, Fachplanern und Generalunternehmer zum Zuge.

Doch der aktuelle Zeitpunkt ist mehr als geeignet für eine allgemeine Anerkennung partnerschaftlichen Bauens. Die Corona-Pandemie hat zwar nicht zu einer massenhaften Schließung von Baustellen geführt. Doch die aktuelle Preisexplosion zentraler Baustoffe ist auch auf die globale Pandemie und gestörte Lieferketten zurückzuführen. Die ohnehin hohen Baukosten in Deutschland steigen also weiter und verknüpfen sich mit der bekannten Herausforderung des Fachkräftemangels. Hinzu kommt die Kleinteiligkeit des Bauhauptgewerbes, in der gerade einmal 0,3 Prozent der Betriebe mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigt. Daher stellt sich die Frage, wie die allseits niedrigen Margen von 2 bis 3 Prozent die Zukunft der Branche sichern sollen. Denn dieses Margenmaß macht noch nicht einmal die Hälfte des branchenübergreifenden Margenmittels in Deutschland aus.

Kooperative Mehrparteienverträge können hierbei vor Haftungsrisiken und massiven Nachträgen schützen, die mitunter bis an die Grenze der Insolvenzgefahr gehen können. Es ist also nicht nur ein bloßer Kulturwandel hin zu mehr Abstimmungen und Transparenz, sondern es bedarf neuer rechtlicher Organisationsformen. Ob sie als Project Alliance, Design & Build, Bauteam oder Generalübernehmer-Verträge firmieren, haben die Varianten partnerschaftlichen Bauens eins gemeinsam: die frühzeitige Einbindung der maßgeblichen Projektparteien. Dies umfasst bewusst auch den Bauherrn, der entweder selbst oder über einen Projektsteuerer Protagonist seines eigenen Projekts bleibt.

Im Idealfall sind die partnerschaftlichen Bauprozesse in vier Phasen unterteilt: Eine wesentliche Bedeutung kommt hierbei der Vorbereitungsstufe zu, die auch als Präqualifizierungsphase bezeichnet wird. In diesem Zusammenhang findet die Bedarfsplanung und durch die frühzeitige Integration von Planung und Ausführung auch eine erste Kostenschätzung statt. Die zweite Phase umfasst die Projektplanung, die den Bauherrn mit seinem Architekten, den Fachplanern und auch bereits den ausführenden Hauptgewerken zusammenführt. Angesichts der frühen Einbindung der ausführenden Seite ist es naheliegend, partnerschaftliche Verträge mit einem Generalunternehmer abzuschließen, der die Einzelgewerke unter sich bündelt. Partnerschaftliche Aspekte zwischen Planern und Ausführenden zeigen sich in einem kooperativen Vergütungssystem, das dem Bauherrn eine sehr frühe Kostenkontrolle über Zielpreise bietet. Pauschalpreise hingegen bergen häufig das Risiko von Nachträgen und Verzögerungen bei der Baufertigstellung, wenngleich diese durch gemeinsame transparente Vereinbarungen reduziert werden können. Kommen Architekten, Planer und Gewerke nicht zum Konsens, kann der Bauherr wieder aussteigen. Kooperation wird also zum Imperativ. Nach dem Vorbild der bereits partnerschaftlich ausgeführten ersten beiden Phasen folgen schließlich die Ausführungsplanung als dritte und der Bau samt Inbetriebnahme und Dokumentation als letzter Schritt.

Digitalisierung als Katalysator

Methoden wie BIM befördern die partnerschaftlich ausgeführten Projekte in hohem Maße. Denn die Kostentransparenz zwischen den Projektparteien, auch als Open Book-Verfahren bezeichnet, kann sich zu einer allgemeinen Datentransparenz entwickeln. Die Projektparteien spielen dann ihre jeweiligen Daten in eine gemeinsame digitale Plattform ein, die über die ganze Betriebsphase hinaus bis zum Rückbau genutzt werden kann.

Die Bewegung im Markt digitaler Anbieter ist ein weiteres Indiz für mehr Kooperation im Bauwesen, da vielen Startups, den sogenannten ConTechs, der Plattformgedanke aneignet. Nicht nur Bauunternehmen, sondern auch Projektentwickler, Planer und kleine Gewerke können über offene Schnittstellen diese spezialisierte Bau-Software nutzen. Die Zahl der ConTechs in Deutschland liegt laut Übersicht des Portals Gewerbequadrat bei rund 50.

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Der Autor ist als Head of Pre-Construction bei ISG CEE tätig.

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