In München

2,2 Kilometer Stahlbetonvortriebsrohre für neuen Abwasserkanal installiert

München (ABZ). – Gerade in Großstädten führen eine zunehmende Flächenversiegelung und häufiger auftretende Starkregenereignisse zu großen Abwassermengen, die die Kanalsysteme überlasten. Um im Münchner Westen eine wesentliche Verbesserung der hydraulischen Situation im Entwässerungsnetz zu erreichen, wurde das Bauvorhaben "Kanalnetzsanierung Landsberger Straße" beschlossen.

Ziel war, das bestehende und oft überlastete Kanalsystem im Bereich Pasing und Laim zu entlasten und die kritischen anfallenden Mischwasserströme im Münchner Westen beziehungsweise Südwesten durch einen neuen Abwasserkanal mit einem Durchmesser von 3 m besser und effektiver abzuleiten.

Bereits 2012 wurde der erste Bauabschnitt im Bereich "Offenbachstraße" bis "Am Knie" realisiert sowie 2016 ein erstes Teilstück am "Laimer Kreisel" erfolgreich umgesetzt. Nun folgte der zweite Bauabschnitt der Kanalnetzsanierung Landsberger Straße. Mit der erfolgreichen Fertigstellung erfolgt der Lückenschluss zwischen den beiden vorangegangenen Baumaßnahmen. In Auftrag gegeben hatte die umfangreichen Arbeiten die Münchner Stadtentwässerung, der auch die Planung und Realisierung des Bauprojekts oblagen. Zu den Aufgaben der Münchner Stadtentwässerung gehören die regelmäßige Wartung und Überwachung der öffentlichen Kanäle, so dass ihre Erfahrung und das Know-how in die planerischen Überlegungen einfließen konnten. Bei der Baumaßnahme mussten aber nicht nur spezifische Faktoren der Kanalwirtschaft berücksichtig werden, sondern auch Aspekte der gesamten Infrastruktur. Denn die Landsberger Straße zählt aufgrund ihrer Lage zu den wichtigsten Verkehrsadern in München. Als eine der Hauptausfallstraßen ist sie mit je zwei Fahrspuren pro Fahrtrichtung gut ausgebaut und wird von vielen Nah- und Fernreisenden genutzt, um beispielsweise von der Autobahn zügig die Münchner Innenstadt zu erreichen. Neben Anwohnern sind viele Geschäfte, Dienstleister und Gewerbebetriebe an der Landsberger Straße beheimatet. Diese Gegebenheiten mussten bei der Planung berücksichtigt werden.

Aufgrund stichhaltiger Argumente fiel frühzeitig die Entscheidung für eine Realisierung im Vortriebsverfahren. Bei einer offenen Bauweise hätte die Landsberger Straße einseitig gesperrt werden müssen, da für die Herstellung des Sammelkanals große linienförmige Baugruben mit großer Längsausdehnung notwendig gewesen wären, inklusive der Verlegung der Stahlbetonrohre in einer Tiefe von bis zu 9 Metern. Das hätte nicht nur eine erhebliche Verkehrseinschränkung bedeutet, sondern auch eine hohe Belastung durch Schmutz und Lärm. Das Blockieren von Zuwegungen zu Gewerbebetrieben und Wohneinheiten, die notwendige Verlegung von Bushaltestellen und Ampelanlagen oder das um ein Vielfaches höhere Fällen von Baumbeständen (etwa 180 Bäume) entlang der Strecke wären weitere unerwünschte Begleiterscheinungen gewesen.

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Dem gegenüber bot die geschlossene Bauweise mittels Rohrvortrieb eine ideale Lösung, um bei hohem Verkehrsaufkommen, beengten Platzverhältnissen und in unmittelbarer Nähe bestehender Gebäude den gewünschten neuen Abwasserkanal zu verlegen. Und das bei geringeren Umweltbelastungen sowie Verkehrsbehinderungen dank der örtlich begrenzten Bauaktivität mit lediglich einer Startgrube und mit zwei Zielgruben. Nicht unerheblich waren zudem wirtschaftliche Aspekte, denn durch die innovative Rohrtechnologie kann das Bauverfahren im Vergleich zur offenen Bauweise erheblich verkürzt werden, in diesem Fall von vier auf zweieinhalb Jahre.

Aufgrund der engen Platzverhältnisse wurde für den Bau der neuen Kanaltrassen ein Doppelstartschacht an der "Willibaldstraße" eingerichtet. Dies bot den großen Vorteil mit nur einer Startgrube beide Vortriebsstrecken – die erste in östlicher Richtung stadteinwärts und die zweite entgegengesetzt in westlicher Richtung – ausführen zu können und erforderte außerdem nur das einmalige Einrichten der High-Tech-Vortriebsmaschine. Zum Einsatz kam eine Tunnelvortriebsmaschine AVND der Firma Herrenknecht. Sie eignet sich für den sicheren Vortrieb mit einem maximalen Durchmesser von bis zu 4 m. Mithilfe des Bohrkopfes wird der Boden abgetragen, zum Tunnelausgang befördert und entsorgt. Anschließend werden die Vortriebsrohre mit einer Presseinrichtung durch den Baugrund vorgetrieben. Mit der Bauausführung des Vortriebs wurde die Wayss & Freytag Ingenieurbau AG beauftragt, die internationale Erfahrungen im Tunnelbau vorweisen kann. Die Bauüberwachung übernahm die Münchner Stadtentwässerung in ihrer Funktion als Bauherr.

Erfahrung und Expertise waren auch in Bezug auf die einzubauenden Vortriebsrohre gefragt, für die die Anforderungen extrem hoch waren. Zielvorgabe der Münchner Stadtentwässerung war, dass ausschließlich schalungserhärtete Stahlbeton-Vortriebsrohre verwendet werden, die den hohen Qualitätsansprüchen an das vorgesehene Bauwerk und den FBS Qualitätsrichtlinien entsprechen. Den Auftrag für die Lieferung der gewünschten Vortriebsrohre erhielt die Firma Berding Beton. Das Unternehmen profitiert von seiner über drei Jahrzehnte langen Erfahrung und zeichnet sich vor allem durch seine maßgeschneiderten Produkt-Lösungen aus. So wurden auch in diesem Fall die Vortriebsrohre individuell nach den vorgegebenen technischen Vorschriften sowie den kundenspezifischen Wünschen bezüglich Abmessungen und Gewicht gefertigt. Darüber hinaus kann Berding Beton mit einer Vielzahl an Herstellwerken in Deutschland seinen Kunden in allen Regionen in Deutschland und in den angrenzenden Ländern in Europa seine Leistung anbieten. Aufgrund der Lage und der Produktionsmöglichkeiten war für die Baumaßnahme in München das Großrohrwerk von Berding Beton in Philippsburg-Rheinsheim erste Wahl. Es beliefert vor allem Gebiete in Süddeutschland, in Frankreich, Luxemburg, Österreich und in der Schweiz. Zielvorgabe bei diesem Projekt war die Lieferung von 55 Rohren pro Woche beziehungsweise von etwa acht Vortriebsrohren in DN 3000 am Tag, um die geplante Vortriebsleistung in der Landsberger Straße realisieren zu können. Hierfür waren sowohl ein ausreichender Produktionsvorlauf als auch eine hohe Fertigungsleistung erforderlich.

Um bei diesem anspruchsvollen Bauvorhaben reibungslose Arbeitsprozesse sicherzustellen, wurde im Berding-Beton-Werk in Philippsburg-Rheinsheim bereits im Herbst 2018 mit der Rohrproduktion begonnen. Mit zwei modernen Spezialschalungen wurden jede Woche bis zu 20 Vortriebsrohre produziert, die jeweils einen Innendurchmesser von 3 m, einen Außendurchmesser von 3,58 m und eine Baulänge von 3 m bei einem Einzelgewicht von 22 t aufwiesen. Zu den Vorteilen der schalungserhärtenden Berding Beton Vortriebsrohre zählt aber nicht nur, dass sie alle geforderten Qualitätskriterien in höchstem Maße erfüllen, sondern auch, dass sie aufgrund ihrer glatten Oberfläche und der geringen Toleranzen speziell bei Langstreckenvortrieben wie in der Landsberger Straße die beste Wahl sind.

Hohe Anforderungen galt es außerdem bei der Logistik zu erfüllen. Ein starkes Verkehrsaufkommen mit Baustellen, Umleitungen und Staus auf der Strecke nach München stellte sowohl Berding Beton als auch deren Spedition bereits beim Transport vom Werk Rheinsheim zur Baustelle in der Landsberger Straße immer wieder vor neue Aufgaben. Dank flexibler Ladezeiten im Werk und des Einsatzes von Spezialfahrzeugen gelang es jedoch, die Baustelle auch tagsüber ohne größere behördliche Auflagen zu beliefern. Da allerdings die Vortriebsarbeiten rund um die Uhr "24/7" ausgeführt wurden, musste Berding Beton die Lieferleistung mehrfach erhöhen und mit Sondergenehmigungen sogar auf den Samstag und zum Teil auf den Sonntag ausweiten. Logistische Meisterleistungen waren auch bei der direkten Baustellenanlieferung gefragt. Die innerstädtische Lage in der vielbefahrenen Landsberger Straße war selbstredend mit sehr begrenzten Lagerplatzkapazitäten verbunden, die effektiv genutzt werden mussten. Um die notwendige kontinuierliche Belieferung sicherzustellen und reibungslose Abläufe vor Ort zu garantieren, waren Berding-Beton-Mitarbeiter sowohl mit der Spedition als auch mit den Verantwortlichen auf der Baustelle nahezu rund um die Uhr im Kontakt.

Der Startschuss für die erste Haltung des Rohrvortriebs DN 3000 mit einer Länge von 985 m fiel im Mai 2019. In einer Tiefe von 6 bis 9 m wurden bis August 330 Vortriebsrohre eingebaut. Nach Erreichen der Vortriebsmaschine am Zielschacht "Laimer Kreisel", wo der Anschluss an den bestehenden Kanal erfolgt, konnte direkt danach die zweite Vortriebsstrecke in Angriff genommen werden. Dafür wurde die Vortriebsmaschine zurück zur Startgrube gebracht, umgesetzt, um diesmal in Richtung Westen die zweite Kanaltrasse im Vortriebsverfahren mit einer Länge von 1210 m zu erstellen. Fristgerecht hatte Berding Beton bis Herbst alle Vortriebsrohre produziert, so dass von September bis Ende Dezember 2019 mithilfe der Presseinrichtung weitere 405 hochwertige Vortriebsrohre professionell in den Baugrund getrieben werden konnten. Auf der gesamten 2195 m langen Vortriebstrasse wurden somit 735 Stahlbetonrohre im Vortriebsverfahren eingebaut. Besondere Herausforderungen bei der Umsetzung waren zum einen die Länge der Vortriebshaltungen und der Rohraußendurchmesser von 3580 mm, aber auch die geologischen Beschaffenheit des Baugrunds im Münchner Kies. Diese konnten jedoch ausnahmslos mithilfe einer modernen Vortriebstechnik und dank des Fachwissens und Know-Hows der ausführenden Frankfurter Firma Wayss & Freytag unter Leitung von Chris Hömberg gemeistert werden.

So wurden die Vortriebsarbeiten zur vollen Zufriedenheit des Auftraggebers abgeschlossen. Maßgeblich für den Erfolg war nicht zuletzt die konstruktive und professionelle Kooperation aller Beteiligten. Vor allem zwischen Berding Beton und der Wayss & Freytag Ingenieurbau AG besteht bereits seit vielen Jahren eine partnerschaftliche und verlässliche Zusammenarbeit, die auch bei diesem Projekt eine gute Basis war. Aber auch der Austausch und die Abstimmung mit Projektleiter Thomas Grübl von der Münchner Stadtentwässerung klappten reibungslos und trugen entscheidend zur termingerechten und erfolgreichen Umsetzung bei. Entsprechend positiv fällt das Resümee des Projektleiters Grübl aus: "Die Vortriebsarbeiten wurden trotz der zum Teil erheblichen Schwierigkeiten, die wir aufgrund von Hindernisfunden hatten, – beispielsweise Rückverankerungen von früheren Baugruben – erfolgreich abgeschlossen. Das ist nicht zuletzt der hervorragenden Zusammenarbeit mit der Wayss & Freytag Ingenieurbau AG und ihrem Rohrlieferanten Berding Beton zu verdanken. Hier passte einfach alles, so dass für jedes Problem gemeinsam eine Lösung gefunden wurde."

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