Installation von Kabelschutzrohren

Innovatives Bohrverfahren überzeugt im anspruchsvollen Praxiseinsatz

Herrenknecht Tiefbau
Nach und nach wird der Rohrstrang um jeweils 9 m lange Stahlvortriebsrohre verlängert und weiter in den Boden gepresst.

Osnabrück (ABZ). – Die Versorgung der Bundesrepublik Deutschland mit Energie und Wasser unterliegt einem drastischen Wandel. Die Energiewende treibt den massiven Ausbau der Stromautobahnen vor sich her, während die Akzeptanz vieler Städte, Gemeinden und ihrer Bewohner für Freileitungen tendenziell sinkt. Ökologische Erwägungen spielen eine zunehmend größere Rolle bei der Planung der Versorgungsinfrastruktur und der Ausführung von Bauarbeiten. Mit dem Einsatz neuer Verfahren zur Erdverlegung von Rohrsystemen sucht die Köster GmbH nach umweltschonenden, schnelleren und wirtschaftlichen Alternativen zu herkömmlichen Techniken. Das Kompetenz-Center Rohrleitungsbau des Osnabrücker Bauunternehmens und Baudienstleisters nutzte hierfür erstmals das von der Herrenknecht AG entwickelte Bohrverfahren "E-Power Pipe". Die innovative Technik soll sich aktuell vor allem für die Installation von Kabelschutzrohren mit kleinen Durchmessern DN 250 bis DN 700 und Haltungslängen von bis zu 1500 m im Untergrund eignen.Der Bedarf an erdverlegten Höchstspannungsleitungen steigt in Deutschland. Die von der Bundesregierung eingeleitete Energiewende fordert einen vollständigen Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022. Bereits 2020 sollen mindestens 35 % des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Gas- und Kohle-Kraftwerke sollen zunächst die Versorgungssicherheit gewährleisten. Zentrale Voraussetzung zur Umsetzung dieser Ziele ist der Ausbau der Energieinfrastruktur. Eine Vielzahl neuer Stromtrassen zur Versorgung von Ballungsgebieten und Industriezentren muss ebenfalls entstehen. Die Bundesregierung hat die anvisierten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) vorrangig als Erdkabel seit Ende 2015 gesetzlich vorgesehen.Das traditionelle Bauverfahren der Trassenprofilierung von Erdkabeln mit offenen Gräben ist vergleichsweise kostengünstig und schnell. Eine besonders bodenschonende Alternative stellt die grabenlose Verlegung dar. Hierbei wird die Oberfläche nicht über den gesamten Trassenverlauf beeinträchtigt, sondern nur an bestimmten Standorten. Je nach Rohrdurchmesser, Haltungslänge und möglicher Baustellenlogistik existieren verschiedene Bauweisen.Beim klassischen Rohrvortrieb (Microtunnelling) wird eine unbemannte Tunnelvortriebsmaschine mit fräsendem Bohrkopf eingesetzt, die annähernd horizontal auch oberflächennah ein Bohrloch erzeugen kann. Da bei diesem Verfahren das ausgebohrte Erdmaterial (Bohrgut) innerhalb der Bohrmaschine und der Vortriebsrohre in einem geschlossenen Kreislauf zur Separationsanlage transportiert wird, ist der Druck innerhalb des Bohrloches und damit die Gefahr von Ausbläsern an der Erdoberfläche sehr gering. Beim Horizontalspülbohrverfahren (englisch "Horizontal Directional Drilling", HDD) fräst sich der Bohrkopf mitsamt drehendem Bohrgestänge in entsprechend großer Tiefe durch den Boden. Das Bohrgut wird unter Druck durch das Bohrloch an die Erdoberfläche und dann über Schlauchverbindungen zur Separationsanlage befördert. Die höheren Drücke im Bohrloch erhöhen die Gefahr von Ausbläsern an der Erdoberfläche gegenüber dem Microtunnelling-Verfahren.Beide Verfahren besitzen je nach Anwendungsgebiet Vor- und Nachteile. Während beim Microtunnelling geringe Einbautiefen mit nahezu waagerechtem Verlauf und paralleler Lage über die gesamte Länge möglich sind, werden beim HDD-Verfahren im Regelfall größere Radien genutzt. Damit verbunden sind größere Haltelängen von derzeit bis zu 3300 m. Nachteil des Microtunnellings sind die aufwendigen Baugruben. Bei HDD-Bohrungen sind in der Regel wegen der Bohrradien größere Verlegetiefen erforderlich. Daraus resultieren bei Kabelschutzrohren für Höchstspannungstrassen größere Verlegeabstände und somit breitere Trassen. Mit dem Bohrverfahren "E-Power Pipe" hat Köster eine neuartige Verlegeart unter Realbedingungen erprobt, die als Microtunnelling für einzuziehende Schutz- oder Mediumrohre mit Durchmesser bis 700 mm und Längen bis 1500 m geplant ist.Die Herrenknecht AG hatte die Eigenentwicklung 2016 auf einem großflächigen Testareal auf dem eigenen Werksgelände in Schwanau und im Frühjahr 2017 im Rahmen eines Pilotprojekts auf einem rd. 300 m langen Abschnitt in der Nähe von Borken in Nordwestdeutschland gemeinsam mit Projektpartnern getestet. Die Rohrleitungsbauspezialisten von Köster setzten das "E-Power Pipe"-Verfahren nun weltweit als erstes Bauunternehmen ein und erprobten es gemeinsam mit der Herrenknecht AG und einem Übertragungsnetzbetreiber zur Installation von Kabelschutzrohren für eine 220-kV-Höchstspannungsleitung. Auf einer Länge von 270 bzw. 260 m wurden insgesamt sechs Rohre in einer Nenntiefe von ca. 2 m und einem Achsabstand von 1,2 m parallel verlegt.Köster hob die Startgrube nach entsprechender Statik im Spundwandverbau aus. Die Grubensohle wurde betoniert, um eine möglichst stabile, ebene, wasserdichte Fläche zu erhalten. Darauf wurde an der rückwärtigen Seite der Startgrube eine aus Beton erstellte Widerlagerplatte installiert. Mit ihrer Hilfe drückt der Pressenrahmen die Vortriebsmaschine nach der Installation horizontal durch die an der Spundwand angebrachte Anfahrplatte in Richtung Zielschacht in den Untergrund. Nach und nach wird der Rohrstrang um jeweils 9 m lange Stahlvortriebsrohre verlängert und weiter in den Boden gepresst. Damit die Vortriebsmaschine nicht mehr als wenige Zentimeter vom Kurs abkommt, überwachten zwei Vermesser, ein Maschinenfahrer und die Steuersoftware den Fortschritt.

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Der Pressenrahmen drückt die Vortriebsmaschine horizontal durch die an der Spundwand angebrachte Dichtwandplatte in Richtung Zielschacht in den Untergrund. Fotos: Köster

In der Vortriebsmaschine saugt eine Strahlpumpe die mit Bohrgut vermischte Bentonitsuspension an und pumpt sie zu einer Separationsanlage auf der Baustelle. Das Bodenmaterial wird mithilfe von Sieben und Hydrozyklonen separiert und ausgeschieden. Getrennt in feste und flüssige Bestandteile kann der gelöste Boden direkt abtransportiert und die Bohrspülung wiederverwendet werden. Die kontinuierliche Einspeisung der Suspension sorgt für einen guten Materialaustrag und stützt die Ortsbrust während des Vortriebs. Das Bohrloch bleibt durch eine separate Bentonitschmierung im Ringspalt zwischen Bohrmaschine bzw. Pilotrohrstrang und Bohrloch während des gesamten Vortriebs gestützt. Während eine Köster-Mannschaft den Vortrieb bediente, bereitete eine andere die Kabelschutzrohre für den Einzug in das Bohrloch vor. Sie wurden vorgestreckt und mittels HDPE-Stumpf-Spiegelschweißen miteinander verbunden. Das Vorstreck-Team entfernte die beim Schweißen entstandenen "Wulste" an den Kabelschutzrohrverbindungsnähten, prüfte den Rohrstrang auf Dichtigkeit und kalibrierte ihn für die Durchgängigkeit, um Schäden beim späteren Einzug des Höchstspannungskabels zu vermeiden.Nach dem Durchstich durch die installierte Dichtplatte am Zielschacht demontiert die jeweilige Mannschaft lediglich die Vortriebsmaschine und birgt sie. Die dahinter liegenden Pilotrohre verbleiben im Bohrkanal. An ihrem Ende wird eine Zugeinheit mit Zugkraftmesser installiert, daran der vorgestreckte Kabelschutzrohrstrang. Der umgedrehte Pressenrahmen im Startschacht dient fortan als Zugkraft, welche die Pilotrohre wieder zurück- und den angehängten Kabelschutzrohrstrang dabei gleichzeitig in den Bohrkanal einzieht – der Bohrprozess wird quasi umgekehrt. Das Bohrloch zwischen Kabelschutzrohr und Bohrwand wird mit einer speziell gemischten, wärmeleitfähigen Bentonitsuspension gedämmt. Ein Drucksensor an der Zugeinheit kontrolliert den Druck im Bohrloch und damit die hundertprozentige Verfüllung des Ringraumes. Nach dem Einzug prüfte Köster erneut die Dichtheit der Kabelschutzrohrstränge und kalibrierte sie für die ordentliche Übergabe an den Kabelzug. Als sinnvoll stellte sich im Praxiseinsatz des "E-Power-Pipe"-Verfahrens vor allem der zeitlich simultane Ablauf verschiedener Baustellenprozesse unter Mehrschichtbetrieb heraus. Kommt die Bohranlage im Bohrloch bspw. während der Nacht oder am Wochenende zum Stehen, kann dies zu erhöhten Kräften beim Wiederanfahren bis hin zum Stillstand führen. "Hier ist 'Gefahr in Verzug' und das Risiko sollte auf ein Minimum beschränkt werden. Deshalb ist es wichtig, die Anlage 24 Std. durchgehend zu betreiben, was wiederum Schichtdienst und damit eine logistische Herausforderung bedeutet. Dennoch kann gerade so die hohe Verlegeleistung dieser neuen Technik voll genutzt werden", berichtet Thomas Warnke, Bereichsleiter des Kompetenz-Centers Rohrleitungsbau der Köster GmbH. An anderer Stelle sieht Köster Optimierungspotenzial auf der Baustelle. Während zu Beginn Start- und Zielgruben geplant, statisch geprüft und angelegt werden, kann oberirdisch bspw. bereits die Baustelleneinrichtung der Bohranlage mit Separationsanlage, Stromaggregaten und den erforderlichen Verbindungskabeln und Schläuchen errichtet werden. Um die insgesamt 18 Lkw-Ladungen an Werkzeugen und Material der Firma Herrenknecht AG zu verladen, die innerhalb von vier Tagen angeliefert wurden, erstellte das Unternehmen eigens einen Logistik- und Verkehrswegeplan. Das Baufeld war schlichtweg zu klein, um alle Lastkraftwagen aufzunehmen. Es zeigte sich, dass die exakte Ausführung der Start- und Zielschächte die Arbeiten beschleunigen. Die Spezialisten von Köster optimierten den Startschacht durch eine teilweise geböschte Variante und sorgten dadurch für eine geringere Tiefe der gespundeten Baugrube, was in der Praxis einen besseren Zugang, größere Arbeitssicherheit und Einsparungen bei der Errichtung der Spundwandgrube bedeutete. Eine ebene Betonsohle in der Grube erleichterte das Umsetzen des Pressenrahmens und der Vortriebsmaschine und erhöhte die Arbeitssicherheit bei den Arbeiten in der Baugrube. Eine Herausforderung stellt wechselnde und unterschiedliche Beschaffenheit des zu durchbohrenden Untergrundes dar. Wechselnde Bodenbeschaffenheiten erschwerten die zentimetergenaue Einhaltung der Bohrachse. "Das ist eine echte Herausforderung für den Maschinenführer und kann auch mal zu kleinen Achsabweichungen führen", berichtet Kondring. Im Praxiseinsatz sorgten unvorhergesehene Findlinge mit ? bis 600 mm für eine Beschädigung des Bohrkopfes. "Die Vortriebstechnik ist aber in der Lage, in die Startgrube zurückgezogen zu werden. Sie wurde geborgen und repariert, bevor sie ihre Arbeit wiederaufnahm. Unvorhergesehene Hindernisse wie Findlinge können aufgrund der geringen Tiefenlage gegebenenfalls von der Oberfläche aus beseitigt werden", so Dr. Marc Peters, Leitung Geschäftsfeld Energie bei der Herrenknecht AG.Als Vortriebsmaschine wurde die neu entwickelte AVNS 350XB von der Herrenknecht AG mit einem Bohrdurchmesser von 505 mm verwendet. Sie erfüllt die Anforderungen in Bezug auf die geforderte Verlegetiefe, Haltungslänge und Genauigkeit des Verfahrens. Dabei sind im Wesentlichen drei Komponenten der Vortriebsmaschine von Grund auf neu entwickelt worden. Die wohl wichtigste Neuerung besteht in der Integration einer Strahlpumpe als Förderpumpe. Diese Eigenentwicklung der Herrenknecht AG ermöglicht eine Förderleistung von 1000 l/min bei gleichzeitig sehr geringem Platzbedarf. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal bildet das in die Vortriebsmaschine integrierte Hydraulikaggregat. Dadurch entfallen das sonst in dieser Baugröße übliche Koppeln von Hydraulikleitungen und die dadurch einhergehenden Leistungsverluste. Die genaue Einhaltung der Bohrtrasse wird mittels eines Vermessungssystems sichergestellt. Dabei werden kontinuierlich die Position, die Richtung und die Neigung der Vortriebsmaschine bestimmt. Das Vermessungssystem orientiert sich an einem auf der Oberfläche erzeugten Magnetfeld und ist dadurch auch für sehr lange Haltungen geeignet. Das Einsatzspektrum der Maschine liegt beim Abbau von Lockergestein und weichem Fels bis 30 MPa.Mit der Entwicklung der AVNS-Technik sollen die seit langem am Markt existierenden Forderungen und Wünsche nach immer längeren Haltungen bei gleichzeitig kleinerem Durchmesser erfüllt werden. Die neuartige Kombination von Leistungsversorgung und Fördertechnik bei einem Bohrdurchmesser von 505 mm (AVNS 350XB) erweitert den Einsatzbereich im Pipelinebau sowie im Rohrvortrieb. "Durch den Einsatz der Jetpump-Fördertechnik für das Abraummaterial können im kleinen Durchmesserbereich bis zu zehnfach längere Vortriebslängen als bisher und mit einer höheren Geschwindigkeit von bis zu 10 m in der Stunde realisiert werden", so Dr. Peters.Abseits des Höchstspannungs-Netzausbaus halten Köster und Herrenknecht den Einsatz des "E-Power-Pipe"-Verfahrens in weiteren Bereichen erdverlegter Rohrleitungen für denkbar. Profitieren könnten hiervon bspw. Unternehmen im Bereich der Wasser- und Gasversorgung oder solche, die unterirdisch Chemikalien transportieren. Hierfür muss lediglich das einzuziehende Schutzrohr dem Medium angepasst werden.Sowohl die Köster GmbH (EG-H-07) als auch Herrenknecht (EG-LH-20) sind beim Oldenburger Rohrleitungsforum vertreten.

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